Ein rätselhafter Patient Schwangerschaft in Gefahr
Zuerst hat die Schwangere Nierensteine, dann steigt ihr Blutdruck. Als die Blutversorgung des Ungeborenen zu schwach wird, holen die Ärzte das unreife Baby auf die Welt. Worunter die Mutter leidet, begreifen sie aber erst danach.
Völlig sorglos ist eine Schwangerschaft wohl selten. Die 33-Jährige aber ist besonders angespannt. Sie ist zwar Mutter eines Kindes, aber sie hat schon fünf Fehlgeburten hinter sich. Einmal lag der Embryo außerhalb der Gebärmutter, viermal brach die Schwangerschaft ohne erkennbaren Grund ab.
Jetzt ist die Frau in der 17. Woche schwanger und hat Nierensteine. Deshalb sucht sie Rat im Krankenhaus. Sie kennt solche Probleme zwar schon, aber die Ablagerungen bereiten ihr trotzdem Sorge. Erst nach vier Wochen, als die Steine wieder verschwunden sind, ohne dass die Frau die Ursache für die Entstehung kennt, kann sie wieder aufatmen.
Eiweiße im Urin und Bluthochdruck
Doch schon bald gerät ihre Schwangerschaft ernstlich in Gefahr: Die Frau entwickelt eine sogenannte Präeklampsie. Davon sprechen Ärzte, wenn eine Schwangere Eiweiße mit dem Urin ausscheidet und gleichzeitig einen erhöhten Blutdruck hat. Wie die Krankheit entsteht, ist noch unklar, aber sie kann sowohl das Leben der Mutter als auch das des Kindes bedrohen.
Besonders eine früh - also vor der 34. Schwangerschaftswoche - auftretende Präeklampsie ist gefürchtet. Denn durch die Minderdurchblutung der Plazenta können die Ärzte vor die Frage gestellt werden, ob sie die Schwangerschaft durch einen Kaiserschnitt frühzeitig beenden müssen, um Mutter und Kind zu retten. Die Frau wird sofort ins Krankenhaus eingeliefert.
Obwohl die Mediziner um Geraldine Gaffney von der Gynäkologie der National University of Ireland Galway ihrer Patientin Medikamente gegen den hohen Blutdruck geben, bleiben die Werte zu hoch und sie scheidet weiterhin Proteine aus. Die Ärzte überwachen daher regelmäßig den Herzschlag des Kindes und die Durchblutung der Plazenta, wie sie im Fachblatt "BJM Case Reports" berichten..
Notkaiserschnitt in der 31. Woche
Als zwei Messungen hintereinander zeigen, dass die Blutversorgung des Kindes zeitweise abbricht, entscheiden sich die Geburtshelfer für einen Notkaiserschnitt. Die Frau ist aber erst in der 31. Schwangerschaftswoche. Für das Kind bedeutet daher auch die Geburt ein großes Risiko, denn seine Lungen sind noch unreif und auch andere Organfunktionen bräuchten mehr Zeit für die Entwicklung. Tatsächlich hat das Kind nach der Geburt starke Probleme mit der Atmung und muss auf die Intensivstation verlegt werden. Dort aber erholt es sich vollständig und kann nach einigen Wochen gesund entlassen werden.
Erhöhte Kalziumwerte im Blut
Bei der Mutter entdecken die Ärzte kurz nach der Geburt erhöhte Kalziumwerte. Als sie ältere Befunde der Frau überprüfen - der älteste stammt von zwei Jahren zuvor -, fällt ihnen auf, dass der Mineralstoff bei allen Messungen zu hoch war. Nachgegangen ist diesen auffälligen Werten aber offenbar niemand.
Wie viel Kalzium sich im Blut und in den Knochen befindet und wie viel der Körper über die Nieren ausscheidet, wird unter anderem über das sogenannte Parathormon reguliert. Es kommt aus den Nebenschilddrüsen, zwei paarig angelegten, etwa linsengroßen Drüsen, die an der Rückseite der Schilddrüse liegen. Eine wichtige Funktion: Es erhöht den Kalziumspiegel im Blut.
Bei der Patientin ist das Parathormon stark erhöht, wie die Analysen der Ärzte ergeben. Sie untersuchen die Nebenschilddrüsen daraufhin per Ultraschall. Bei der Untersuchung erscheint eine der Drüsen deutlich vergrößert, was für einen - meist gutartigen - Tumor spricht.
Extrem hohe Parathormonproduktion
Nach eingehender Beratung mit der Patientin entscheiden sich die Ärzte zu einer Operation. Sie entfernen den vergrößerten Teil der Nebenschilddrüse und lassen diesen vom Pathologen untersuchen. Der bestätigt: In dem entnommenen Abschnitt hatte ein sogenanntes Adenom dafür gesorgt, dass viel zu viel Parathormon produziert wurde. Schon kurz nach dem Eingriff normalisieren sich die Kalziumwerte der Patientin.
Der Verlauf der Frau zeigt, wie lange viel zu hohe Kalziumwerte unentdeckt bleiben können - bei 70 bis 80 Prozent der Betroffenen sei das der Fall, schreiben die Autoren. Manche Patienten haben demnach gar keine Symptome, andere leiden unter Bauchschmerzen, Übelkeit oder Kopfweh, werden müde und lethargisch. Insbesondere in der Schwangerschaft können diese Beschwerden aber auch den gängigen Problemen in dieser Zeit zugeordnet werden.
Eine übersehene Erkrankung könnte aber schwerwiegende Konsequenzen haben, denn möglicherweise steht die Präeklampsie, eine der gefährlichsten Schwangerschaftskomplikationen, in Zusammenhang mit einem erhöhten Spiegel von Parathormon. In ihrem Fallbericht spekulieren die Autoren zudem, ob die fünf Fehlgeburten der Frau nicht Folge des erhöhten Kalziumspiegels sind. "Es gibt Berichte, dass 48 Prozent der Frauen mit unbehandeltem Hyperparathyreoidismus eine Fehlgeburt erleben", schreiben die Ärzte. Allerdings, schränken sie ein, müsse man an dieser Stelle vorsichtig sein, denn es könne durchaus auch andere, unerkannte Gründe für die Aborte geben.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.