Regenbogenkinder Sind Schwule und Lesben die besseren Eltern?
Die Gleichstellung homosexueller Paare ist auf dem besten Weg. Mit dem Abbau von Hürden, zum Beispiel bei der Adoption, wächst eine neue Generation heran: die Regenbogenkinder.
Homosexuelle Familien gibt es in den verschiedensten Konstellationen: zwei lesbische Mütter, zwei schwule Väter, aber auch beides in Kombination, mit Adoptivkindern, mit Pflegekindern, mit Kindern aus einer Samenspende. Oft aber auch mit Kindern aus einer vorherigen heterosexuellen Beziehung. Das alleine schon macht die Forschung sehr schwer. Denn ein Kind, das beide Familienmodelle kennt, wächst anders auf als eines, das in eine Regenbogenfamilie hineingeboren ist.
Die "normale Familie" als Bild, aber nicht als Abbild der Gesellschaft
Wenn es um Familie geht, sind wir alle Experten. Jeder hat eine Familie, in der er aufgewachsen ist und jeder hat eine Vorstellung davon, wie Familie auszusehen hat. Die Tatsache, dass Homosexualität heute nicht mehr gleichzusetzen ist mit Kinderlosigkeit, bringt dieses innere Bild ins Wanken. Zu Unrecht, meint der Jugendforscher und Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann. "Die junge Generation von Lesben und Schwulen hat viel weniger Interesse, die Welt zu verändern. Sie wollen ein Leben führen, das in gewisser Weise traditionellen Mustern entspricht: mit festem Partner, Wohnung, Auto, Garten und Kind." In Ländern wie Schweden hat sich die Zahl der Kinder, die mit gleichgeschlechtlichen Eltern leben, seit dem Ende der 90er Jahre verzehnfacht. In Deutschland sind Regenbogenfamilien selbst in vielen Großstädten noch eher die Ausnahme.
Familie ist da, wo Kinder sind
Der Regenbogen verkörpert Vielfalt und in diesem Fall Lebensgemeinschaften mit Kindern, die nicht dem traditionellen Bild entsprechen. Ähnlich wie in Kriegszeiten oder während der zunehmenden Scheidungsrate bilden sich auch hier Familienmodelle, die sich aus dem Grundmodell lösen. Brauchen Kinder wirklich Vater und Mutter, um glücklich aufwachsen zu können? Diese leicht provokante Frage empfinden einige bereits als Angriff auf ihr eigenes Lebensmodell. Die Überzeugung, dass ein Kind beide Elternteile für eine gesunde Entwicklung braucht, ist tief verwurzelt, aber so nicht beweisbar.
Katja Irle hat über Kinder aus homosexuellen Partnerschaften ein Buch geschrieben. "Es war nicht einfach, als Junge von zwei Müttern aufzuwachsen", zitiert Irle einen Jungen in ihrem Buch "Das Regenbogenexperiment". "Das spürte ich vor allem in der Schule, weil alle meine Freunde Väter hatten. Ich fragte mich: Wie soll ich mich verhalten? Was ist normal für einen Jungen?" Diese Leerstelle im Leben ihres Sohnes hat auch die Mutter als solche empfunden. Das Einzige, was sie und ihre Partnerin ihm nicht hätten beibringen können, so sagt sie, sei, ein Mann zu sein.
Regenbogenkinder brauchen Kontakt zu beiden Geschlechtern
Wichtiger als das Geschlecht der Eltern ist die Qualität der Beziehung zu den Kindern, ein wertschätzendes Familienklima und eine sichere Bindung, das weiß man inzwischen. Man weiß aber auch, dass ein Kind Bezugspersonen beiderlei Geschlechts braucht. Nicht ohne Hintergedanken suchen sich viele Lesben mit Kinderwunsch zunächst einen Spender im Freundes- oder Bekanntenkreis. Dahinter steht der Wunsch, nicht nur einen biologischen, sondern auch einen sozialen Vater zu gewinnen.
"Beide Geschlechter sollten im Alltag dieser Kinder eine wichtige Rolle spielen. Es fehlt sonst eine Vielzahl an Repertoire des Aufwachsens, wenn ein Kind nicht Männer und Frauen erlebt und ihnen nahe ist", so Irle. Wissenschaftler gehen davon aus, dass gerade lesbische Mütter hier sogar für deutlich mehr Ausgleich sorgen als viele Alleinerziehende. Was die Vermutung unterstützt, dass gleichgeschlechtliche Eltern tatsächlich oft bewusster und reflektierter erziehen. Schon allein aus dem Wissen heraus, dass ihr Erziehungsverhalten vom Umfeld genauer beobachtet wird. Scheitert man, wäre die Erklärung schnell zur Hand.
Auch der homosexuelle evangelische Pfarrer Nulf Schade-James ist der Meinung, dass diese Familien besonders im Blickpunkt stehen. "Deshalb tun Regenbogenfamilien vielleicht unbewusst alles dafür, immer alles gut und richtig zu machen. Sie fördern ihre Kinder, wo es nur geht. Ich kenne dieses Gefühl sehr gut. Meine Mutter hat mir nach meinem Coming-out gesagt: 'Du musst immer ein bisschen besser sein als die anderen.'"
Es ist alles in Ordnung, wenn Liebe da ist
Regenbogenkinder erleben ihre Familie zunächst als das Normale. Ab dem Kindergarten kommen dann erste Fragen, wobei es richtig schwierig meist erst im Jugendalter wird. Vor allem dann, wenn die Freunde gleichgeschlechtliche Beziehungen ablehnen, das Wort "schwul" ein gängiges Schimpfwort ist. Das kann dazu führen, dass die Jugendlichen nicht möchten, dass die Eltern sich in der Schule oder im Freundeskreis outen. Doch das gilt nicht für alle. Judith Holofernes, Sängerin der Band "Wir sind Helden" erinnert sich: "Ich habe schon als Kind gewusst, dass alles in Ordnung ist, wenn die Liebe da ist. Und weil ich auf der anderen Seite Normalofamilien kennengelernt habe, in denen der Vater die Kinder geschlagen hat."
Regenbogenkinder haben es oft besser als andere
Mehr als 100 Studien in 30 Jahren haben laut der US-amerikanischen Akademie der Kinderärzte und Psychotherapeuten keinen Hinweis darauf gegeben, dass Kinder aus Regenbogenfamilien in ihrer sozialen, psychischen oder sexuellen Entwicklung in irgendeiner Form eingeschränkt sind. Doch um die Entwicklung eines Kindes wirklich beurteilen zu können, benötigt man Langzeitforschung. Man weiß aber schon, dass die meisten Regenbogenkinder von vergleichsweise gebildeten und ökonomisch gut gestellten Eltern profitieren. Es heißt, sie seien offener, sozial kompetenter und vor allem toleranter. "Aus der Sicht der bisherigen Forschung gibt es keinen Grund für die Annahme, dass Kinder in Regenbogenfamilien nicht glücklich aufwachsen und sich zu stabilen Persönlichkeiten entwickeln können", so Irle.
Ein weiterer Baustein in der Vielfalt moderner Familien
Einen wirklich bedeutenden Unterschied zwischen hetero- und homosexuellen Elternpaaren kann auch der dänische Familientherapeut Jesper Juul in seiner Arbeit bisher nicht ausmachen. "Natürlich gibt es Unterschiede im Lebensstil, Haltungen, die sich in sozialen Netzwerken ausdrücken, und dergleichen mehr, aber die Faktoren, auf die es wirklich ankommt - die persönliche Geschichte beider Partner, erlittene Traumata, der Wille zur Veränderung, innere und äußere Eigenschaften -, gelten für alle Erwachsenen, unabhängig von Alter, Geschlecht und sexueller Orientierung."
Sind Normal-Familien überbewertet?
Nach all den Erkenntnissen, die in den letzten Jahren gewonnen wurden, geht die Fragestellung nun in zwei Richtungen. Sind Schwule und Lesben die besseren Eltern, weil sie ihre Kinder sehr bewusst erziehen und auch stärker unter Beobachtung stehen? Oder führt gerade dieser Druck, nicht scheitern zu dürfen, erst recht zu Konflikten und dazu, das Kind zum Projekt zu machen? Antworten darauf können heute noch nicht gegeben werden. "Aus diesem unaufgeregten Blickwinkel wird sich zeigen, dass es neben nicht wegzudiskutierenden Unterschieden zwischen homosexuellen und heterosexuellen Eltern sehr viele Gemeinsamkeiten gibt", so Irles Fazit.
"Das alles hat mit der Frage nach homo oder hetero nichts mehr zu tun, aber sehr viel mit der Vorstellung von Kindheit und Familie in der Zukunft. Und das betrifft alle." Schließlich werden auch in heterosexuellen Familien die Wahlverwandtschaften immer mehr zunehmen, wird die biologische von der sozialen Elternschaft weiter abgekoppelt. Und fragt man die, die es wissen müssen, nämlich die Familien selbst, dann zeigt sich auch, dass der Alltag einer Regenbogenfamilie viel entspannter ist als die öffentliche Diskussion darüber.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.