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Kaiserschnitt: Ein Schnitt ins Leben oder Einschnitt ins Leben?


Kaiserschnitt
Ein Schnitt ins Leben oder Einschnitt ins Leben?

t-online, Simone Blaß

Aktualisiert am 11.09.2014Lesedauer: 6 Min.
Viele Frauen haben nach einem Kaiserschnitt Versagensgefühle.Vergrößern des Bildes
Viele Frauen haben nach einem Kaiserschnitt Versagensgefühle. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Ein Kaiserschnitt kann Leben retten. Besteht bei einer Geburt Gefahr für Mutter und oder Kind, dann greift man zu diesem Mittel, um möglichst beide vor Schaden zu bewahren. Ein solcher Schnitt ist aber nicht nur ein medizinischer Eingriff, er ist auch ein Einschnitt in die Beziehung zwischen Mutter und Kind. Das kann seelische Folgen haben. Zwei Frauen sprachen mit der Elternredaktion von t-online.de über ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit dem Kaiserschnitt. (Lesen Sie hier: Was eine Hebamme zu Wunschkaiserschnitten sagt.)

"In wenigen Minuten halten Sie Ihr Kind im Arm!"

Andreas Sohn ist heute 13 Jahre alt, die Tochter zehn. Beide kamen mit einem Kaiserschnitt zur Welt, der eine ungeplant, der andere geplant. Vom Arzt geplant. In der heute 40-Jährigen kommt noch immer dieses Gefühl der Ohnmacht hoch, wenn sie sich an ihre Geburten erinnert. "Bei Roman ging während der Geburt plötzlich nichts mehr voran. Nach sechs Stunden wurde mir ziemlich vehement nahegelegt, dass ich eine PDA bräuchte, die ich aber nicht wollte. Ich habe zu diesem Zeitpunkt vor Erschöpfung bereits so gezittert, dass ich kaum den Stift zum unterschreiben halten konnte und ich hatte wahnsinnige Angst, der Anästhesist könnte danebenstechen."

Nach der PDA ging dann gar nichts mehr: "Ich habe mich gefühlt, wie ein reduziertes Gehirn ohne Körper." Die Herztöne des Kindes, das sich, wie sich später herausstellte, in der Nabelschnur verheddert hatte, wurden immer schlechter und man legte dem Paar einen Kaiserschnitt nahe. "Ich war da schon so schwach, dass es mehrere Leute brauchte, um mich auf den Tisch zu heben", erzählt die extrem zierliche Frau. "Ich kann mich noch erinnern, dass jemand zu mir sagte: 'Sie haben ja bereits die PDA, in wenigen Minuten halten Sie Ihr Kind im Arm.'"

Urängste der Mütter werden durch die Narkose aktiviert

Aufgewacht ist sie Stunden später aus einer Vollnarkose. "Eine Hebamme stand vor mir mit einem Säugling auf der Schulter. Das Schlimmste daran war für mich: Es hätte irgendein Baby sein können, ich konnte mir nicht einmal sicher sein, dass es wirklich meines war." Es gelang Andrea auch gar nicht, lang genug wach zu bleiben, um das herauszufinden. Sie war so benebelt, dass sie gleich wieder einschlief. Einen ganzen Tag lang hat die frischgebackene Mutter geschlafen. "Ich kann mich nur erinnern, dass ich zwischendrin mal aufgewacht bin, meinen Mann mit einem Baby gesehen habe und dachte: Okay, alles scheint gut zu sein."

Sabines größte Sorge: Kind wird vertauscht

Dass in der Zeit, in der sie in der Vollnarkose liegt, ihr Kind vertauscht werden könnte, war auch Sabines größte Sorge. Sie hatte aufgrund der Größe ihres zweiten Kindes einen geplanten Kaiserschnitt, wusste also, wann das Baby geholt würde. "Ich instruierte meinen Mann im Vorfeld. Ich habe ihm gesagt, bitte bleib vor der Tür stehen, damit keiner mein Kind vertauscht! Natürlich war mir vom Kopf her klar, dass diese Wahrscheinlichkeit gegen null geht, aber sicher ist sicher."

Krankenhausaufenthalt zum Ausruhen nutzen

Zum ersten Mal im Arm hatte die heute 43-Jährige ihren Sohn zwölf Stunden nach der OP. "Ich habe darauf bestanden, dass man ihn zu mir bringt. Es ging mir abgesehen von den Schmerzen schon weder relativ gut." Acht Tage blieb die junge Mutter, selbst Krankenschwester von Beruf, in der Klinik. "Ich fand das gar nicht so schlecht. Man konnte sich gut ausruhen, hatte immer jemand, mit dem man zum Beispiel auch über Ängste sprechen konnte. Meine Bettnachbarin war nett und das Beste war, als wir nach Hause kamen, waren die Verwandtenbesuche alle schon erledigt und wir konnten uns ganz auf unser neues Leben zu viert einstellen."

In manchen Fällen kommt es zu heftigen Schmerzen

Ganz einfach war das nämlich nicht: "Natürlich hat die Narbe noch lange wehgetan, sie tut es auch heute noch manchmal. Das Kind in den Kinderwagen zu heben oder alleine aus dem Bett zu holen, war anfangs ein Ding der Unmöglichkeit." Doch Sabine hatte viel Hilfe aus ihrem Umfeld. "Und man arrangiert sich mit der Situation. Ich habe zum Beispiel einfach das Baby viel im Tuch getragen, um es nicht dauernd herumheben zu müssen."

Im Gegensatz zu Sabine ging es Andrea nach dem Kaiserschnitt ziemlich schlecht. "Ich konnte mich vor lauter Schmerzen gar nicht aufrichten, lief nur gebeugt. Das hat mich völlig umgehauen. Vor allem, weil ich in der Schwangerschaft superfit war. Am Tag vor der Geburt war ich mit meinem Mann sogar noch tanzen. Und jetzt konnte ich mich nicht einmal um unser Baby kümmern. Ich hatte mir das alles so ganz anders vorgestellt. Darauf war ich überhaupt nicht vorbereitet."

Einmal Kaiserschnitt, immer Kaiserschnitt?

Ihr Mann war so oft es ging bei ihr und kümmerte sich um das Kind und nach sieben Tagen ließ sich die Deutschlehrerin auf eigene Verantwortung aus der Klinik entlassen. Und das, obwohl sie nur auf wenig Unterstützung hoffen konnte. "Trotzdem: Daheim ging es mir gleich viel besser, die Situation im Krankenhaus hat mich total bedrückt."

"Habe dem Arzt geglaubt"

Als Andrea und Tom sich ein zweites Kind wünschten, war die Aussage des Frauenarztes die, die viele Frauen zu hören bekommen: einmal Kaiserschnitt, immer Kaiserschnitt. Alles andere wäre zu gefährlich. Und das, obwohl man heute weiß, dass es durchaus möglich ist, nach einem Kaiserschnitt wieder spontan zu entbinden. "Aber ich wusste es nicht besser und habe dem Arzt geglaubt. Heute bereue ich, dass ich mich nicht noch bei anderen Quellen informiert habe."

Die Ärzte entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt ist

Ein geplanter Kaiserschnitt wird in der Regel sieben bis zehn Tage vor dem errechneten Termin durchgeführt. Zu früh für Andrea: "Ich habe mich nicht annähernd so gefühlt, als würde die Geburt bevorstehen. Im Gegenteil, es fühlte sich so an, als wäre es zu früh. Aber das hat niemanden interessiert. Genauso wenig, wie meine wahnsinnige Angst davor, noch einmal so etwas mitmachen zu müssen wie bei Roman. Prompt sackte mir der Kreislauf zusammen und ich bekam Atemnot. Aufgewacht bin ich dann wieder einmal völlig verzweifelt. Doch die einzige Reaktion, die ich von der Schwester bekam, war: 'Stellen Sie sich nicht so an, sonst gebe ich Ihnen ein Beruhigungsmittel.'"

Kaiserschnittkinder haben häufig Wasser in der Lunge

Ihr Baby sah Andrea erst nach drei Tagen. Die kleine Nele hatte, wie viele Kaiserschnittkinder, Wasser in der Lunge und musste in der Kinderklinik versorgt werden. Das ist keine Besonderheit. Es ist belegt, dass Kaiserschnittkinder häufiger darunter leiden, da das Wasser nicht durch die Wehenmassage und durch den engen Geburtskanal herausgedrückt werden kann. "Manchmal kommt es mir so vor, als würde das Fehlen genau dieser ersten Tage in unserem gemeinsamen Leben Auswirkungen auf die Beziehung zwischen meiner Tochter und mir haben. Und das macht mich oft sehr traurig."

Viele Frauen plagen sich nach einem Kaiserschnitt mit Selbstzweifeln

"Mir geht es zwar selbst Gott sei Dank nicht so", sagt Sabine. "Ich habe den Kaiserschnitt im Gegensatz zur spontanen Geburt meiner Tochter nicht als besser oder schlechter, sondern einfach nur als anders empfunden. Aber bei meiner damaligen Mitbewohnerin war das ähnlich. Sie hat auch ewig mit den seelischen Folgen gekämpft. Nach dem Kaiserschnitt hatte sie dauernd das Gefühl, sie und ihr Kind hätten etwas Entscheidendes verpasst."

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Inzwischen sind sich viele Wissenschaftler einig: Dieses Gefühl trügt nicht. Das Fehlen der Geburtserfahrung steht unter dem Verdacht, die Mutter-Kind-Bindung schwieriger zu machen. Erschwert natürlich dann, wenn eine Trennung für Stunden oder Tage hinzukommt, so wie bei Andrea und Sabine. Und ein Kaiserschnitt kann seelische Folgen haben. Viele Frauen empfinden ein Versagens- oder gar Schuldgefühl, quälen sich mit Gedanken wie "Ich kann ja noch nicht einmal ein Kind gebären!" oder "Ich habe meinem Kind etwas genommen."

Entbinden wie die Promis

Trotzdem geht der Trend immer mehr in Richtung Kaiserschnitt, das lässt sich gut an der Prominenz dieser Welt beobachten. Die Zahlen nehmen auch in Deutschland stetig zu und die Kliniken können das Geld, das die Kaiserschnitte in die Kassen spülen, gut brauchen. Ob eine natürliche Geburt schon in naher Zukunft der Vergangenheit angehören wird, kann man heute noch nicht sagen. Aber man kann es vermuten.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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