Schwangerschaft Zahl der Kaiserschnitte hat sich in 20 Jahren verdoppelt
Per Kaiserschnitt werden in deutschen Krankenhäusern heute etwa doppelt so viele Kinder entbunden wie vor 20 Jahren. Inzwischen kommt jedes dritte Kind auf diesem Weg zur Welt - ein mögliche Grund ist die Furch der Ärzte vor Klagen bei Geburtsschäden. Die Wahrscheinlichkeit für eine Geburt per Kaiserschnitt ist in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Unsere Tabelle zeigt, wo Kaiserschnitte am häufigsten sind.
Saugglocke und Zange nur noch selten verwendet
Zwischen 1991 und 2010 hat sich der Anteil der Kaiserschnitt-Geburten von 15,3 auf 31,9 Prozent erhöht, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilt. Im Vergleich zu 2009 stieg der Anteil um 0,6 Prozentpunkte. Andere Geburtshilfen werden nur noch selten angewandt: Eine Saugglocke kam 2010 lediglich bei 5,3 Prozent der Entbindungen zum Einsatz, eine Geburtszange bei 0,6 Prozent.
Kaiserschnitt am häufigsten im Saarland
Bezogen auf die Zahl der Geburten wurden anteilig die meisten Kaiserschnitte im Saarland vorgenommen (36,6 Prozent), gefolgt von Rheinland-Pfalz (34,8 Prozent) und Hessen (34,2 Prozent). Am seltensten waren Geburten mit Kaiserschnitt in Sachsen (22,9 Prozent).
Bundesland | Kaiserschnitt-Quote |
Deutschland | 31,9 % |
Saarland | 36,6 % |
Rheinland-Pfalz | 34,8 % |
Hessen | 34,2 % |
Nordrhein-Westfalen | 33,6 % |
Schleswig-Holstein | 33,5 % |
Baden-Württemberg | 33,4 % |
Bayern | 32,7 % |
Niedersachsen | 32,6 % |
Mecklenburg-Vorpommern | 30,2 % |
Bremen | 29,6 % |
Hamburg | 29,5 % |
Brandenburg | 28,3 % |
Thüringen | 27,6 % |
Sachsen-Anhalt | 27,3 % |
Berlin | 27,3 % |
Sachsen | 22,9 % |
Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis) 2012
Keine schmerzfreie Alternative zur natürlichen Geburt
Der Kaiserschnitt ist eine der wichtigsten Errungenschaften in der modernen Medizin und rettet vielen Müttern und ihren Kindern das Leben. Doch laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist er in nur zehn bis 15 Prozent der Fälle wirklich notwendig. Frauen, die über einen geplanten Kaiserschnitt nachdenken, sollten ihn nicht als harmlose und schmerzfreie Alternative ansehen. Schmerzen haben sie trotzdem, zwar nicht während der Geburt, aber danach, wenn die Wunde verheilt.
Lieber Kaiserschnitt als eine Klage riskieren?
Doch warum bekommen immer mehr Frauen ihr Kind per Operation? "Ein Kaiserschnitt ist oft die sicherere Option", sagt Petra Kolip, Professorin an der Universität Bielefeld und Autorin einer großen Kaiserschnitt-Studie, der Nachrichtenagentur dpa. Sicher für Mütter, die aus Sorge um das Kind jedes Risiko ausschließen wollen - und sicher für Ärzte, die Angst haben, verklagt zu werden. "Ärzte machen lieber früher als später einen Kaiserschnitt, damit sie nicht verklagt werden", glaubt die Forscherin. Professor Ulrich Gembruch von der Universität Bonn und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe bestätigt: "Es wird heute einfach nicht mehr toleriert, dass ein Kind schlecht geboren wird. da wird man sofort verklagt."
Je älter die Frauen, desto riskanter die Schwangerschaft
Gembruch erklärt die steigende Kaiserschnittrate vor allem mit dem höheren Durchschnittsalter der Gebärenden. Je älter die Frauen desto häufiger zählen sie zu den Risikoschwangeren. Zu den häufigsten Gründen für einen geplanten Kaiserschnitt gehört ein Kaiserschnitt bei einer vorherigen Geburt, belegen Daten des BQS-Instituts für Qualität und Patientensicherheit in Düsseldorf. Wenn während der Geburt spontan operiert werden muss, sind am häufigsten schlechte Herztöne beim Kind die Ursache.
Kaiserschnitt nicht mehr so gefährlich wie früher
Experten sind sich einig, dass Kaiserschnitte heutzutage weit weniger gefährlich sind als vor 20 Jahren. Komplikationen wie Blutungen oder Infektionen gebe es fast nur bei ungeplanten Operationen, sagt Gembruch. Er hält die Möglichkeit des Kaiserschnitts für einen Vorteil: "Viele Kinder überleben dadurch, die sonst tot wären."
Bekannte Nachteile eines Kaiserschnitts
Dennoch ist ein Kaiserschnitt noch immer riskanter als eine vaginale Geburt. Ein Kaiserschnitt birgt für Baby und Mutter gewisse Risiken, wie die Autorinnen Bianca Marklstorfer und Verena Jobst in ihrem Buch "Ereignis Geburt“ schildern:
- Kinder, die per Kaiserschnitt zur Welt kommen, leiden häufiger unter Atemwegsproblemen, Asthma oder Allergien.
- Psychologisch wird Kaiserschnittkindern nachgesagt, sie hätten weniger Durchsetzungsvermögen.
- Viele Frauen, die ihr Kind per Kaiserschnitt bekommen, berichten von starken Schmerzen nach der OP. Sie waren in den ersten Wochen nach der Geburt oft körperlich eingeschränkt wegen der Bauchwunde.
- Stillprobleme und eine erschwerte Bindung an das Kind sind ebenfalls mögliche Folgen.
Hebammenverband: Kaiserschnitt ist für Kliniken besser planbar
Die Hebammen stehen dem Trend zum Kaiserschnitt skeptisch gegenüber. "Es werden weit mehr Kaiserschnitte gemacht als nötig", glaubt Susanne Steppat, Präsidiumsmitglied im Deutschen Hebammenverband. Sie glaubt nicht, dass es in Krankenhäusern "ein ernsthaftes Interesse an natürlichen Geburten" gibt. Eine Sectio sei für Kliniken leichter planbar, aber für Mütter und Kinder gefährlicher: Die Babys litten häufiger unter Anpassungsstörungen, die Müttersterblichkeit sei höher, die Frauen würden schwerer wieder schwanger und bei nachfolgenden Geburten gebe es mehr Komplikationen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.