Das sagen Experten Kann Meditation die Psychotherapie ersetzen?
Das Leben ist laut und stressig: Viele Menschen sehnen sich deshalb nach Inseln der Ruhe – und Meditation kann so eine sein. Aber was kann sie nicht leisten?
Einfach mal sitzen und sich nur auf eine Sache fokussieren. Wer mit dem Meditieren beginnt, merkt: Das ist gar nicht so leicht. Meditation kann uns dabei helfen, Stress loszulassen und unseren Gefühlen näher zu kommen. Wer tatsächlich psychische Probleme hat, sollte sich aber nicht allein darauf verlassen.
Allein durch Meditation lassen sich psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen nämlich nicht behandeln. Die Meditation kann Teil eines Behandlungskonzeptes sein, ersetzt aber nicht andere, notwendige Therapien. Darauf macht Uwe Meier, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Neurologen aufmerksam.
Meditation kann man sich dennoch zunutze machen, um die eigene Seele zu stärken. "Insbesondere hilft die Meditation in der Prävention psychischer Probleme, indem sie unsere mentalen Abwehrkräfte stärkt, wir also besser in der Lage sind, mit Stress, psychischen Konflikten und Belastungen umzugehen", sagt Meier. Wie kann das gelingen?
Vier Tipps von der Expertin
"Beim Meditieren geht es darum, aus dem täglichen Gedankenkarussell ein bisschen rauszukommen und mehr im Moment präsent zu sein", sagt die Yogalehrerin Jessica Fink. Das gilt natürlich für die Minuten während der Meditation. Langfristig kann sie aber auch helfen, im Alltag weniger in Stress zu geraten. Das sind ihre Tipps.
1. Die Aufmerksamkeit halten
Auch wenn es viele annehmen: Meditieren heißt nicht, dass der Geist vollkommen still und leer sein muss. Dass Gedanken in unserem Kopf kommen und gehen, ist ganz normal.
Viel eher versucht man beim Meditieren, den Aufmerksamkeitsfokus aufrecht zu halten, wie Uwe Meier sagt. "Die Essenz jeder Meditation ist die Fokussierung des Bewusstseins auf ein Objekt." Das kann zum Beispiel die Atmung sein.
Wer meditieren lernt, der lernt, Ablenkungen zu erkennen, ihnen nicht nachzugehen und stattdessen zum Fokus der Aufmerksamkeit zurückzukehren. Es kommen Meier zufolge alle anderen mentalen Aktivitäten zur Ruhe und der Geist wird sozusagen in die Stille geführt. Das kann negative Gedanken und Stress reduzieren.
Zudem entwickelt sich ein besseres Verständnis für die eigenen Gedanken und Gefühle. Wir können sie wahrnehmen, ohne sie direkt zu beurteilen, also sie in die Schubladen "gut" oder "schlecht" zu stecken. Wenn es uns gelingt, auf diese Weise eine gewisse Distanz zu unseren Emotionen aufzubauen, kann das Stressreaktionen verringern.
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2. Es gibt viele Techniken
Wie gelingt der Start? Da es nicht nur eine Meditationsform gibt, informiert man sich laut Jessica Fink am besten erstmal über die Techniken und ihre Ziele.
Die Yogalehrerin empfiehlt, anfangs einen Kurs, einen Workshop oder gar ein Retreat zum Erlernen von Meditation zu besuchen. Der persönliche Kontakt zu der lehrenden Person und der Austausch von Erfahrungen kann vor allem zu Beginn helfen.
Bei der Suche nach einem qualifizierten Lehrenden sollte man allerdings gut auf das eigene Bauchgefühl hören. Denn es gibt keine gesetzlichen Vorgaben – jeder kann sich Meditationslehrer oder -lehrerin nennen. "Kritisch sollte man bei esoterisch geprägten Lehrern und bei Selbstoptimierungscoaches sein", sagt Uwe Meier.
Meditieren kann man aber natürlich auch selbst zu Hause ausprobieren. Laut Jessica Fink kann dabei auch eine Meditationsapp helfen. Wichtig sei nur, dass man sich für die Meditation einen ruhigen Ort sucht, an dem man ungestört ist.
3. Mit den Atemzügen spielen
Eine einfache Technik, mit der man Fink zufolge starten kann, ist die Meditation auf einen bestimmten Gegenstand. Die Konzentration kann dabei zum Beispiel auf der Flamme einer Kerze liegen.
In vielen Traditionen gibt es die Konzentration auf den Atem: Man versucht, das Ein- und Ausatmen ganz bewusst im Körper wahrzunehmen. Unterstützend kann man beim Einatmen "ein" und beim Ausatmen "aus" denken.
"Und immer, wenn man merkt, dass die Gedanken abschweifen, lenkt man sie wieder zurück zum Atem und spielt den nächsten Atemzug", sagt Fink. Dadurch wird im Laufe der Meditation der Bewusstseinsfokus immer stabiler.
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4. So wird Meditation zur Routine
Damit die Meditation irgendwann ein selbstverständliches Üben wird, braucht es eine Routine. Nachdem man etwa an einem Kurs teilgenommen hat, sollte man zu Hause regelmäßig üben. Auch, wenn es nur eine Viertelstunde pro Tag ist – oder noch weniger.
Und auch wenn man zum Beispiel nur einmal pro Woche einen Meditationskurs besucht, wird man auf Dauer positive Veränderungen spüren, da ist sich Jessica Fink sicher.
Es ist hilfreich, eine feste Zeit und einen festen Ort für die Meditation einzuplanen. Für manche Menschen ist es einfacher, zu Hause zu meditieren. Für andere ist es hilfreich, irgendwo hinzugehen und dort Ruhe zu finden – da müsse laut Fink jeder den richtigen Weg für sich finden.
Das Wichtigste ist der Yogalehrerin zufolge aber: "Nicht gleich aufgeben, wenn die Gedanken eben nicht zur Ruhe kommen oder sich die erwünschte Wirkung nicht so schnell einstellt. Man braucht einfach Geduld fürs Meditieren."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Nachrichtenagentur dpa