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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Offenbar hochansteckende Variante Das planen Biontech und Moderna gegen die Omikron-Gefahr
Alpha, Delta und nun Omikron: Erneut sorgt sich die Welt wegen einer neuen Corona-Variante, die möglicherweise gefährlicher ist als ihre Vorgänger. Schützen unsere Impfstoffe weiterhin? Oder braucht es eine Anpassung?
Wie gut die bisher verfügbaren Corona-Impfstoffe gegen Varianten wie Alpha, Beta oder Delta wirken, hat die Wissenschaft bereits herausgefunden. Nun untersuchen Forscher weltweit, ob die neue Omikron-Variante eine Bedrohung für die Wirksamkeit der Impfstoffe darstellen könnte.
Müssen die Vakzine von Biontech, Moderna und Co. nun angepasst werden? Und wie lange könnte dies angesichts der dramatischen Corona-Lage dauern? Ein Überblick.
Omikron könnte Immunschutz teilweise umgehen
Omikron trägt nach bisherigen Kenntnissen so viele Mutationen, wie es noch von keiner Variante zuvor bekannt ist. Allein 30 davon befinden sich beim Spike-Protein, über das das Virus an menschliche Zellen andockt – darunter einige, von denen man weiß, dass sie mit einer stärkeren Übertragbarkeit und geringerem Immunschutz in Verbindung stehen. Hinzu kommen viele Mutationen, deren Bedeutungen laut Robert Koch-Institut (RKI) noch unklar sind.
Die zunächst in Südafrika aufgetauchte Variante namens Omikron wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO vorsorglich als "sehr hohes" globales Risiko eingestuft. In welchen Ländern sie bislang aufgetaucht ist und wie hoch Experten ihre Gefährlichkeit einschätzen, lesen Sie hier.
Wie gut schützen die derzeit verwendeten Impfstoffe vor Omikron?
Diese genetischen Eigenschaften lassen Experten um den Impfschutz bangen. Ob die Mutationen es dem Virus letztlich aber wirklich ermöglichen, die Wirksamkeit der Impfungen zu unterlaufen, ist derzeit noch unklar.
Den Einschätzungen von Fachleuten zufolge ist ein leichter Abfall der Wirksamkeit zwar zu erwarten. Vor schweren Verläufen würden die Impfungen aber aller Wahrscheinlichkeit nach weiterhin sehr gut schützen, sagte etwa die Münchner Virologin Ulrike Protzer im Deutschlandfunk. "Wir haben noch nie eine Variante gesehen, die der Immunantwort komplett entgangen ist."
Auch Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe "Evolution von Viren und Bakterien" am Biozentrum der Universität Basel betonte: "Da die Impfstoffe gegen alle bisherigen Varianten effizient sind, gehe ich davon aus, dass auch gegen diese Variante Impfschutz besteht". "Allerdings ist es durchaus vorstellbar, dass es vermehrt zu Durchbruchsinfektionen kommt, so dass eine dritte Dosis umso wichtiger wird."
RKI und Drosten: Impflücken schließen und boostern
Die Corona-Impfung bleibe die beste Option, erklärte RKI-Präsident Lothar Wieler. "Alle Menschen, die sich impfen lassen, fangen nicht bei null an, wenn sie sich mit einer neuen Variante infiziert haben." Sie hätten auf jeden Fall schon einen gewissen Impfschutz, das sei entscheidend zu wissen.
Christian Drosten, Chef der Virologie der Berliner Charité, merkte in einem ZDF-Beitrag an, dass man nach derzeitigem Ermessen davon ausgehen sollte, dass die verfügbaren Impfstoffe grundsätzlich weiterhin schützen. "Der beste Schutz auch gegen die neue Variante ist daher das Schließen aller Impflücken in der Bevölkerung und die schnelle Verabreichung von Auffrischungsimpfungen", betonte Drosten zum wiederholten Mal.
Was ist, wenn die Impfstoffe doch nicht gegen die neue Variante wirken?
Noch einmal: Es ist noch nicht sicher, ob die Omikron-Variante die Wirksamkeit der Impfstoffe beeinträchtigt. Wie die Professorin Wendy Barclay, Leiterin der Abteilung für Infektionskrankheiten am Imperial College London erklärt, müssten zunächst epidemiologische Daten analysiert werden.
Die bisherigen Berichte ließen aber vermuten, dass wir eine Variante haben, die übertragbarer ist als andere. Sie scheint zudem das Potenzial zu haben, der Immunität, die durch die von uns derzeit verwendeten Impfstoffe und durch frühere Infektionen erzeugt wird, zumindest teilweise zu entkommen, so die Wissenschaftlerin.
Wenn Antikörper aus den aktuellen Impfstoffen das Virus nicht mehr ganz so gut neutralisieren können, haben die politischen Entscheidungsträger mehrere Optionen, erklärte Barclay laut einer aktuellen Mitteilung des Imperial College London. Durch diese Maßnahmen könne Zeit gewonnen und der Import der neuen Variante in den Rest der Welt verlangsamt werden:
- "Erstens, weiterhin so viele Menschen wie möglich mit den Impfstoffen, die wir haben, zu impfen (einschließlich Auffrischungsdosen). Auch wenn der Schutz möglicherweise nicht perfekt ist, ist eine Erhöhung der Gesamtmenge an Antikörpern auch gegen die neue Variante anzuraten." Außerdem seien die aktuellen Impfstoffe definitiv wirksam gegen die Delta-Variante und somit hilfreich, um die Fallzahlen zu senken. "Wir möchten wirklich nicht, dass Delta und Omikron im kommenden Winter gleichzeitig im Umlauf sind", sagte Barclay.
- "Zweitens können wir alle, um die Fallzahlen zu reduzieren, Kontakte einschränken, Masken an überfüllten Orten tragen und auf dem Weg in die Weihnachtszeit etwas Zurückhaltung zeigen."
- "Drittens können wir damit beginnen, neue Impfstoffe herzustellen, die besser auf das neue Virus abgestimmt sind. Dies wird einige Zeit dauern, wahrscheinlich Monate, aber die Impfstoffhersteller sollten sich darauf einstellen, sofort damit zu beginnen."
Wie reagieren Biontech und Moderna?
Auch Virologin Protzer betonte, es sei wichtig, dass sich die Impfstoffhersteller schon jetzt darauf vorbereiten, ihre Impfstoffe eines Tages doch an eine neue Variante anpassen zu müssen. Biontech/Pfizer und Moderna haben damit bereits begonnen.
Biontech testet bereits Schutz vor Omikron
Der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech arbeitet neben laufenden Labortests zur Untersuchung der neuen Corona-Variante auch an der Entwicklung eines angepassten Impfstoffs – vorbeugend für den Fall, dass dieser notwendig werden könnte.
"Um keine Zeit zu verlieren, gehen wir diese beiden Aufgaben parallel an, bis die Daten vorliegen und wir mehr Informationen darüber haben, ob der Impfstoff angepasst werden sollte oder nicht", teilte eine Biontech-Sprecherin mit. Man rechne spätestens bis Ende nächster Woche mit Erkenntnissen.
Auch Moderna arbeitet an Omikron-Impfstoff
In einer Pressemitteilung berichtet der Impfstoffhersteller Moderna über die Aktualisierung der Unternehmensstrategie zur Bekämpfung besorgniserregender SARS-CoV-2-Varianten. So arbeitet das Unternehmen nun daran, das Potenzial der aktuellen Impfstoffdosis zur Neutralisierung der Omikron-Variante zu testen. Daten werden in den kommenden Wochen erwartet.
Wie lange dauert es, bis die Impfstoffe angepasst sind?
Moderna-Chef Stephane Bancel erklärte, es könne Monate dauern, bevor ein auf das Omikron-Virus abgestimmtes Vakzin ausgeliefert werden könnte. Es werde zwei bis sechs Wochen dauern, bis Daten über die Wirksamkeit der bestehenden Impfstoffe vorliegen würden.
Biontech teilte mit, der Impfstoff könne innerhalb von sechs Wochen angepasst und erste Chargen innerhalb von 100 Tagen ausgeliefert werden. Dafür seien bereits klinische Studien gestartet worden, um Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit zu erheben. Diese könnten im Fall einer Anpassung bei den Behörden als Musterdaten vorgelegt werden.
Die EU-Arzneimittelbehörde Ema hingegen äußerte sich zurückhaltender. "Die Ema hält es zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht, die Notwendigkeit eines angepassten Impfstoffs mit einer anderen Zusammensetzung zur Bekämpfung dieser neuen Variante vorauszusehen", erklärte die Behörde. Wie lange der Zulassungsprozess bei einem angepassten Impfstoff dauern könnte, bleibt vorerst offen.
Virologin Protzer zufolge ist es für den Moment ohnehin am wichtigsten, mit den vorhandenen Impfstoffen weiterzuimpfen – und sowohl bei Erstimpfungen als auch bei Booster-Impfungen ein hohes Tempo voranzutreiben. "Es wäre sträflich, jetzt auf neue Impfstoffe zu warten." Denn das Auftauchen der womöglich hochansteckenden Omikron-Variante mache es nur noch wichtiger, die sich immer höher auftürmende Delta-Welle zu brechen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Imperial College London: "Q&A: Imperial experts discuss new variant B.1.1.529 "
- Pressemitteilung von Moderna (26. November 2021)
- Pharmazeutische Zeitung
- ZDF: "Virologe Drosten erklärt neue Corona-Variante", 26. November 2021
- Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherche