Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Corona-Impfstoff in der Kritik Forscher finden heraus, wie Astrazeneca noch besser wirkt
Die Zweifel am Astrazeneca-Impfstoff sind laut Experten unberechtigt. Dennoch bleiben Tausende Impfdosen weiterhin ungenutzt.
Der Corona-Impfstoff von Astrazeneca, der zusammen mit der Universität Oxford entwickelt wurde, gilt als umstritten. Studiendaten bescheinigten dem Mittel eine Wirksamkeit von 60 bis 70 Prozent gegen Covid-19 – deutlich weniger als bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna. Berichte über teils heftige Nebenwirkungen sorgen zusätzlich für Verunsicherung.
Immer wieder gibt es Meldungen, nach denen sich Menschen nicht mit dem Astrazeneca-Impfstoff impfen lassen wollen und vorerst lieber auf ihren Impftermin verzichten. Von einem "Impfstau" ist die Rede.
Und tatsächlich: Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) wurden bis zum 23. Februar nur rund 239.000 Dosen des Herstellers Astrazeneca gespritzt. Dem Gesundheitsministerium zufolge sind aber bereits mehr als 1,4 Millionen Astrazeneca-Dosen an die 16 Bundesländer geliefert worden.
Experten: Astrazeneca ist wirksam und sicher
Von wissenschaftlicher Seite bestehen jedoch keine Zweifel an der Qualität und Wirksamkeit des Mittels. Experten wie der Bonner Virologe Hendrik Streeck und der Charité-Virologe Christian Drosten betonen, dass der Impfstoff wirksam und sicher sei: Streeck sieht keine qualitativen Unterschiede zwischen den in Deutschland zugelassenen Impfstoffen. Und auch Drosten hält das Astrazeneca-Präparat für deutlich besser als sein Ruf, wie er im NDR-Podcast "Coronavirus-Update" sagte.
Die neuesten Daten aus Großbritannien, wo bereits seit Ende Dezember mit Astrazeneca großflächig geimpft wird, zeigen ebenfalls, dass der Impfstoff bei der Pandemiebekämpfung hilft.
Studie zu Astrazeneca: Impfabstand sollte erhöht werden
Ein längerer Zeitraum zwischen den beiden Dosierungen des Astrazeneca-Impfstoffs könnte einer aktuellen Studie zufolge die Wirksamkeit verbessern. Ein dreimonatiges Intervall zwischen erster und zweiter Dosis statt den üblichen sechs Wochen führte zu einer höheren Schutzwirkung, berichteten Forscher der Universität Oxford. Sie werteten dazu Daten von mehr als 17.000 Patienten aus, die den Astrazeneca-Impfstoff erhalten haben.
Demnach steigt die Wirksamkeit auf 81 Prozent, wenn die beiden Impf-Dosen mit zwölf Wochen Abstand verabreicht werden. Bei weniger als sechs Wochen Abstand sind es nur gut 55 Prozent, heißt es in der im englischsprachigen Fachblatt "The Lancet" veröffentlichten Studie.
Die Beobachtungen werden zudem durch immunologische Untersuchungen gestützt, die zeigten, dass Probanden, deren Auffrischung nach mehr als zwölf Wochen erfolgte, mehr als doppelt so hohe Antikörpertiter aufwiesen wie bei denjenigen, die die zweite Dosis innerhalb von sechs Wochen erhielten. Die Forscher wiesen aber auch auf Einschränkungen der Studienergebnisse hin: So sei der Nachbeobachtungszeitraum nach der zweiten Dosis des Impfstoffs noch zu gering, um Aussagen über die Langzeitwirkung der Impfung zu treffen.
WHO ändert Empfehlung – Großbritannien reagiert sofort
Durch die Verzögerung der zweiten Impfdosis könnte ein größerer Teil der Bevölkerung schneller geimpft werden. Denn noch immer sei der Impfstoffvorrat begrenzt, so die Forscher. "Deshalb müssen die politischen Entscheidungsträger entscheiden, wie sie die Dosen am besten verteilen, um den größten Nutzen für die öffentliche Gesundheit zu erzielen", erläutert Professor Andrew Pollard von der Universität Oxford.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die neuen Daten bereits berücksichtigt und empfiehlt für den Astrazeneca-Impfstoff nun einen zwölfwöchigen Abstand. Die britische Impfkommission hat daraufhin eine Verschiebung der zweiten Astrazeneca-Dosis auf bis zu drei Monate erlaubt, um mit der begrenzten Impfstoffmenge möglichst viele Personen impfen zu können.
Impfstrategie in Deutschland: Anpassungen nötig?
In Deutschland hat die Ständige Impfkommission (Stiko) festgelegt, dass die zweite Dosis des Astrazeneca-Impfstoffs neun bis zwölf Wochen nach der ersten zu verabreichen ist. Und das nur an Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren. Bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna hingegen soll die Gabe der zweiten Dosis optimalerweise drei Wochen nach der Erstimpfung erfolgen.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach äußerte sich dazu auf Twitter:
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Er forderte, das Impfschema anzupassen und das Schieben der zweiten Dosis bei allen zugelassenen Impfstoffen zu ermöglichen. Dies sei die "beste Strategie gegen die dritte Welle", so Lauterbach. Er plädiert auch dafür, Astrazeneca wegen positiver Studiendaten für alle Altersgruppen freizugeben.
Doch zuvor bleibt die Frage, wie sich das Vertrauen der Impfwilligen in den Astrazeneca-Wirkstoff zurückgewinnen lässt.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- NDR-Podcast "Coronavirus-Update", Folge 76
- Ärzteblatt
- Twitterprofil von Karl Lauterbach
- Nachrichtenagenturen Reuters, dpa
- Eigene Recherche