Nachfrage nach Therapien steigt So wirkt sich die Pandemie auf psychische Krankheiten aus
Existenzsorgen, Kontaktverbote, Beschränkungen – die Corona-Krise und ihre Auswirkungen können die Psyche belasten. Wer zurzeit Hilfe sucht, stößt auf einige Hindernisse. Was können Betroffene tun?
In der Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach Psychotherapien laut Branchenangaben stark zugenommen. Für Betroffene bedeutet das mitunter lange Wartezeiten auf einen Therapieplatz. Das ist nicht neu, denn schon vor Corona waren die Praxen nach Angaben der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung ausgelastet. Durch die Pandemie ist die Lage allerdings noch angespannter geworden.
Für Betroffene, die länger auf Unterstützung warten müssen, ist das eine belastende Situation. Und es ist schwierig, Ratschläge zu geben, die nicht bagatellisierend wirken. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Andreas Hagemann empfiehlt zumindest, den Blick möglichst auf sich selbst zu richten: "Das Weltgeschehen kann ich nicht verändern, aber das versuchen viele Menschen: Dinge zu ändern, die nicht zu ändern sind. Und was sie tun können, rühren sie nicht an."
Die kleinen Dinge ändern
Es gebe Möglichkeiten, Stress zu reduzieren und sich Gutes zu tun, sagt Hagemann: "Kleinigkeiten wie Sport, Bewegung, gesunde Ernährung, Entspannungstechniken – ich kann schauen, wie ich mit Freunden und Bekannten Kontakt halte auf virtuellem Weg oder zum Beispiel, indem man sich zu Spaziergängen verabredet."
Allerdings stellt Hagemann auch klar: "Wem es wirklich schlecht geht, der kann zum Beispiel Notfallambulanzen in Anspruch nehmen." Online-Therapien könnten zumindest stützend wirken, aber sie ersetzten keine stationäre oder ambulante Therapie, sagt der Ärztliche Direktor der auf Psychosomatik spezialisierten Röher Parkklinik in Eschweiler bei Aachen.
40 Prozent mehr Patientenanfragen
Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV), an der sich rund 4.700 Verbandsmitglieder beteiligt hatten, zeigte exemplarisch die aktuelle Auslastung der psychotherapeutischen Praxen im Land.
Demnach sei die Menge der durchschnittlichen wöchentlichen Patientenanfragen im Januar 2021 im Vergleich zum Januar 2020 um rund 40 Prozent gestiegen, von 4,9 auf 6,9. Die Hälfte der Menschen, die aktuell in den Praxen anfragt, muss mehr als einen Monat auf ein Erstgespräch warten, ergab die Umfrage.
Dieses Erstgespräch – auch Sprechstunde genannt – dient dazu, den Bedarf abzuklären und gegebenenfalls eine erste Diagnose zu stellen. Danach kommen weitere Sitzungen zum Kennenlernen und dem Festigen der Diagnostik. Im Anschluss daran folgt gegebenenfalls die Therapie.
Viele warten länger als ein halbes Jahr
Allerdings gibt es bis zur Therapie erneut Wartezeiten. Auf einen Behandlungsplatz müssen laut dieser Umfrage aktuell rund 38 Prozent der Patienten länger als ein halbes Jahr warten.
Auch für die Therapeutinnen und Therapeuten sei die Situation bedrückend – in der Umfrage gaben viele an, dass die Situation sie belastet.
Die Suche nach Therapeuten
Für die Suche nach einem Therapeuten gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine ist, Praxen im Umkreis anzurufen und nach freien Kapazitäten zu fragen. Bei der Suche können die Psychotherapiesuche des Psychotherapie-Informationsdienstes (PID), die Psychotherapeutenkammern der Bundesländer oder die Arztsuchen der Kassenärztlichen Vereinigungen der Bundesländer helfen.
Oder man lässt sich über die Terminservicestellen unter der Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (116 117) einen Termin vermitteln – dort werden nur Erstgespräche vermittelt.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Nachrichtenagentur dpa-tmn