Immer mehr übergewichtige Sportmuffel Kinder brauchen jeden Tag 90 Minuten Bewegung
Hängen unsere Kinder den ganzen Tag nur noch passiv herum? Sportmediziner beklagen, dass Kinder in Deutschland immer weniger Sport treiben und immer dicker werden. Daran sollen auch Schulen und Kitas schuld sein.
Sportexperten meinen, dass Kinder in Schulen und Kitas mit Ganztagsbetreuung zu lange sitzen. Spiel und Sport müssten verstärkt in den Einrichtungen verankert werden. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, den Sport nicht in die Freizeit zu verlegen, sondern in die Betreuungsszeit zu integrieren, etwa durch Kooperationen mit Vereinen.
Ist Ihr Kind zu dick oder zu dünn? Hier geht es zum BMI-Rechner für Kinder und Jugendliche.
Der Dicke muss ins Tor
Sportmediziner wie Christine Graf von der Deutschen Sporthochschule in Köln warnen vor Bewegungsmangel: "Dicke haben schon im ersten Schuljahr schlechtere motorische Fähigkeiten als normal- oder untergewichtige Kinder." In den Jahren danach entwickelt sich oft ein Teufelskreis: "Das übergewichtige Kind geht nicht auf den Fußballplatz, oder es geht nur ins Tor", schildert die Professorin für Sportmedizin die Folgen von Übergewicht in jungen Jahren.
90 Minuten Bewegung am Tag fordert die Medizinerin für Kinder. "Das ist notwendig, um gesund alt zu werden." In den 90 Minuten müsse das Kind zumindest etwas aus der Puste kommen und ein bisschen schwitzen. 30 der 90 Minuten müssen intensiv sein.
Lieber Skaterparks statt Kunstrasenplätze
Die Medizinerin nimmt Eltern und Politiker in die Pflicht: Kommunalpolitiker müssten die Rahmenbedingungen verbessern, dass Kinder in der Freizeit Sport treiben können. Dazu zählt sie neben Sportvereinen auch den Ausbau von Schwimmbädern, Skaterparks oder Radwege. In teure Kunstrasenplätze für Einzelsportarten mit hohem Leistungsgedanken zu investieren, sei der falsche Weg.
Eine Mitgliedschaft im Verein bedeute aber nicht, dass sich Kinder auch ausreichend bewegen. Die Qualität der Angebote spiele eine große Rolle. Für Vereine werde es wegen der schulischen Ganztagsbetreuung allerdings schwieriger, ausreichend Hallenzeiten zu bekommen.
Außerdem appelliert die Sportwissenschaftlerin an Eltern, die Verantwortung für das Bewegungspensum der Kinder nicht der Kita, Schule und dem Verein zu überlassen. Sie müssten selbst aktiv werden. "Wir als Eltern haben die Verantwortung, dass wir mit den Kindern baden gehen." Viele Kinder könnten nicht richtig schwimmen. In Schulen werde Schwimmen nicht mehr ausreichend gelehrt. "Das ist ein Riesenproblem. Und es ist gefährlich, wenn sich Kinder dann im Wasser überschätzen."
So bringen Eltern ihre Kinder in Bewegung
"Eigentlich hat jedes Kind Lust, sich zu bewegen", sagt Torsten Hartmann vom Deutschen Turner-Bund. Fünf Tipps für Eltern:
- Beim Kinderturnen anmelden: Auch wenn das Kind nicht danach fragt, sollten Eltern es mal mit Kinderturnen im örtlichen Sportverein probieren. "Hingehen, mitmachen, ausprobieren lassen", rät Hartmann. Im Idealfall findet der Nachwuchs Spaß am Kriechen, Klettern oder Balancieren und will wiederkommen.
- Spaziergänge aufpeppen: Wichtig ist es, Bewegung in den Alltag der Familie einzubauen. Den Spaziergang können Eltern mit einem kurzen Wettlauf oder Fangspiel verbinden. Bei Regenwetter lassen sich Pfützenwanderungen unternehmen. Ältere Kinder finden vielleicht Spaß am gemeinsamen Radfahren, Joggen, Skaten, Klettern oder Schwimmen.
- Schulwege aktiv gestalten: Kinder nicht bei den ersten Regentropfen mit dem Auto zur Schule bringen. Fahren Schüler mit dem Fahrrad zur Schule, sind sie bei Unterrichtsbeginn auch viel fitter.
- Kind zum Sport mitnehmen: Gehen Mama und Papa joggen, kann das Kind mitkommen und zum Beispiel mit dem Fahrrad nebenherfahren. Das fördert von klein auf die Lust auf Sport.
- Am Wochenende nach draußen: Gemeinsam bewegen, statt vor dem Fernseher zu sitzen. Derzeit bewegt das Handyspiel "Pokémon Go" selbst hartnäckige Bewegungsmuffel zu Aktivität. Eine weitere Freizeitbeschäftigung für die ganze Familie ist zum Beispiel Geocaching. Dabei sucht man mit Hilfe von GPS und Smartphone einen Schatz.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.