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ADS und ADHS: Der Zappelphilipp und sein Potenzial


Promis mit ADHS
Der Zappelphilipp und sein Potenzial

t-online, Simone Blaß

Aktualisiert am 05.02.2016Lesedauer: 4 Min.
"Heute würden sie bei mir ADHS diagnostizieren": Will Smith spricht offen über seine Störung.Vergrößern des Bildes
"Heute würden sie bei mir ADHS diagnostizieren": Will Smith spricht offen über seine Störung. (Quelle: dpa-bilder)
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Es gibt immer wieder Menschen, die die Diagnose ADHS gleichsetzen mit "anders", "unbremsbar" oder gar "krank". Da werden Kinder schnell in Schubladen gesteckt, aus denen sie nicht wieder herauskommen. Dabei haben ADHS-Betroffene ganz erstaunliche Anlagen, die es zu fördern und zu nutzen gilt - und die ihnen Zukunftsaussichten bieten können, von denen andere nur träumen. Davon zeugen auch berühmte Künstler wie zum Beispiel die Schauspieler Robin Williams und Will Smith.

"Ich war immer der Alberne, der Probleme hatte aufmerksam zu sein", erklärte Smith, der offen über seine Störung spricht: "Wenn ich heute Kind wäre, würden sie bei mir ADHS diagnostizieren."

ADHS nicht als Defizit, sondern als Gewinn betrachten

Der Pädagoge Gerhard Spitzer, der selbst ADHS hat, konzentriert sich in seinem Buch "Warum zappelt Philipp?" ganz bewusst auf die erstaunlichen Vorteile von ADHS. Er gewinnt selbst den Merkmalen, die zunächst vielleicht von Betroffenen beziehungsweise deren Umfeld als negativ empfunden werden, positive Seiten ab. Das "vorlaute Plappermaul" weist eine Menge sprachliche Eloquenz auf, "chaotische Planlosigkeit" zeigt die Fähigkeit zu intuitivem Handeln und die "Zappeligkeit" ist ein Tatendrang, der richtig genutzt eine hohe Einsatzbereitschaft und durchaus auch erstaunliches Durchhaltevermögen nach sich ziehen kann.

Doch viele dieser Potenziale kommen erst im Erwachsenenalter zum Tragen. "Das heißt jedoch nicht, dass die erstaunlichen Fähigkeiten nicht schon früher da wären, sondern dass Lehrer oder auch Eltern vielfach viel zu stark auf die natürlich auffälligen Probleme und Schwierigkeiten achten und damit in erster Linie diese in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit rücken."

Faszinierende Persönlichkeiten

Eins der wohl auffälligsten Merkmale von ADHS ist, dass weder dem Kind selbst noch seinem Umfeld schnell langweilig wird. Menschen mit ADHS finden immer etwas, das interessant ist und sie haben sehr oft die wundervolle Fähigkeit, andere zum Lachen zu bringen. Dass sie dadurch schnell zum Klassenclown werden und als unstet gelten, bringt das fast schon automatisch mit sich.

Aber die meist für alles offene und tolerante Art macht diese Menschen zu faszinierenden Gesprächspartnern. Die erhöhte Risikobereitschaft, die manchen Eltern zu Recht den Schlaf raubt, ist auf der anderen Seite mit Eigenschaften wie Mut, Einsatzbereitschaft und Furchtlosigkeit gleichzusetzen. Nicht selten findet man Menschen mit dem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom unter Extremsportlern und in Berufen wie Feuerwehrmann oder Bergretter.

Der Beruf sollte Berufung sein

Die Zukunftsaussichten, die Kinder mit ADHS haben, sind ziemlich rosig. Vorausgesetzt, sie lernen, ihre Fähigkeiten richtig einzusetzen und suchen sich zum Beispiel einen Beruf, der für sie Berufung ist. Albert Einstein, Ludwig van Beethoven, Walt Disney, Will Smith oder Robin Williams - bei all diesen Künstlern weiß oder vermutet man, dass sie ADHS hatten beziehungsweise haben - und das Glück, ihre Fähigkeiten zu nutzen. Künstler, Animateur, Moderator, Koch oder auch Pädagoge: Alles Berufe, die sich besonders gut für Menschen mit Fähigkeiten wie Ideenreichtum, Impulsivität, Begeisterungsfähigkeit und Selbstlosigkeit eignen und damit perfekt sind für den typischen Zappelphilipp.

Dem Kind den Leidensdruck nehmen

Selbstverständlich treffen nicht alle genannten Merkmale auch auf alle Menschen mit ADHS zu, aber sie sind häufig zu beobachtende Erscheinungsbilder. Eine Befragung des deutschen Bundesverbandes Arbeitskreis Überaktives Kind in Zusammenarbeit mit der Charité in Berlin hat ergeben, dass 76 Prozent aller befragten Eltern an ihrem von ADHS betroffenen Kind vor allem dessen außerordentliche Sensibilität schätzen.

68 Prozent bewundern die unersättliche Neugier, 67 Prozent den ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und 64 Prozent schätzen die große Fantasie.

Fast alle Kinder mit ADHS verfügen zusätzlich über eine starke kreative Begabung. "Wenn Eltern ihr Kind genau beobachten, seine spezifische künstlerische Begabung erkennen und entsprechend fördern können, bestehen größte Chancen, dem Kind zu verbesserter Aufmerksamkeit und mehr innerer Ruhe zu verhelfen und damit seinen Leidensdruck zu verringern."

Betroffene erwartet eine hohe Lebensqualität im Alter

Interessanterweise zeigen die Forschungsergebnisse der letzten Jahre, dass ADHS-Betroffene gute Chancen haben auf eine hohe Lebensqualität im Alter. "Die Annahme einer guten Altersqualität ist aber keine mystische Glorifizierung des Phänomens ADHS, sondern eine ganz logische Folge des lebenslangen Bewegungsdranges, des unersättlichen Wissensdurstes sowie auch der hohen Auffassungsgabe und der rationalen Intelligenz", so Gerhard Spitzer. Der bekannte Familiencoach und Erziehungsberater spricht dabei nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern auch aus der fast drei Jahrzehnte dauernden Arbeit mit Kindern.

Den Blickwinkel mal verändern

Selbstverständlich ist ADHS für viele ein Problem, das auch Leidensdruck mit sich bringt. Sowohl für den Betroffenen als auch für seine Familie. Doch den meisten der sehr oft als nachteilig bezeichneten Eigenschaften kann man ihre positive Seite gegenüberstellen. Was übrigens nicht nur für Menschen mit ADHS gilt, sondern natürlich auch für solche, die ADS haben, bei denen also die Hyperaktivität wegfällt und die allgemein eher als Schussel und Träumer gelten.

Manchmal ist es nur eine Frage der Sichtweise. Sprunghaftigkeit ist durchaus auch mit Flexibilität gleichzusetzen, das Bedürfnis, im Mittelpunkt zu stehen, steht auch für charismatische Führungsqualitäten, und Menschen, die extrem sensibel sind, haben meist auch ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen.

Positiv sein und dabei realistisch bleiben

Sobald es gelungen ist, ein gewisses Potenzial bei dem betroffenen Kind zu entdecken und zu fördern, wird sich das Bild wandeln. "Dann ist das Wollen auf einmal kein Problem mehr, denn dann übernehmen die große Begeisterungsfähigkeit Ihres Kindes, seine Energie und seine Fähigkeit für kreative Lösungen das Kommando." Gerhard Spitzer rät dazu, ADHS nicht ausschließlich als Defizit, bedrückende Last oder unheilbare Krankheit wahrzunehmen, sondern es auch als Gabe zu sehen.

ADS beziehungsweise ADHS zu glorifizieren und das Störungsbild verklärt zu sehen, wäre eine falsche Herangehensweise. "Es muss auch klar sein, dass es zwar von Vorteil ist, die positiven Seiten von ADHS zu kennen, aber dass es für jeden einzelnen Betroffenen wie auch für die Bezugspersonen viel Arbeit bedeutet, diese auch nutzen zu lernen." Doch ab und zu kann es einfach hilfreich sein, den Blickwinkel zu ändern, um zu sehen, was für ein wundervoller und interessanter Mensch hinter einem Zappelphilipp oder auch einem Hans-guck-in-die-Luft steckt.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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