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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kaum Vertrauen in die Zentralbank Verheerende Folgen
Ohne das Vertrauen der Bürger kann die Geldpolitik der EZB kaum wirken. Jetzt zeigt sich: Genau daran mangelt es – und genau das kann gefährlich werden.
Es sind Zahlen, die im Tower der Europäischen Zentralbank (EZB) für Aufsehen sorgen: Die Deutschen haben laut einer repräsentativen Umfrage mehrheitlich kaum Vertrauen in die Notenbank – und sie glauben nicht, dass die Inflation wegen der von der Notenbank angehobenen Zinsen bald fallen wird.
Das ist das Ergebnis einer exklusiven Befragung des Meinungsforschungsinstituts Civey für t-online. Demnach gaben 58 Prozent der rund 5.000 Teilnehmer an, kein Vertrauen in die EZB als gemeinsame Währungsbehörde der Mitgliedsstaaten der Europäischen Währungsunion zu haben. Nur 28 Prozent bejahten die entsprechende Frage – 14 Prozent waren unentschieden.
Noch frappierender sind die Ergebnisse bei der Frage "Glauben Sie, dass die Inflation aufgrund der angehobenen Zinsen seitens der Europäischen Zentralbank fallen wird?". 62 Prozent antworteten darauf mit "(eher) nein", nur 19 Prozent mit "(eher) ja".
Die Gefahr der Lohn-Preis-Spirale
Das deutet darauf hin: Die EZB hat ein Glaubwürdigkeitsproblem – was verheerende Folgen haben kann.
Denn wenn die meisten Menschen damit rechnen, dass die Zentralbank mit den Mitteln der Geldpolitik wenig bis nichts gegen die steigenden Preise ausrichten kann, werden sie das in ihrem Verhalten berücksichtigen und bei Lohnverhandlungen deutlich höhere Gehälter von ihren Chefs fordern. Die wiederum können die höheren Personalkosten nur über abermals angehobene Preise wieder hereinholen.
Eine mögliche Folge: Die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale setzt sich in Gang – eine Situation, vor der viele Ökonomen warnen, weil die Preise immer weiter steigen, die Inflation außer Kontrolle gerät.
Zugegeben, die t-online-Umfrage ist eine Momentaufnahme und gibt nicht den Trend im Zeitverlauf wieder. Die EZB verweist deshalb auf Nachfrage auf das sogenannte Eurobarometer. In dessen Rahmen befragt die EU-Kommission regelmäßig die Menschen in der Europäischen Union, wie sehr sie einzelnen Instituten vertrauen, darunter auch die EZB.
"Vertrauen der Menschen ist für uns sehr wichtig"
Das Ergebnis dabei: Jene, die der EZB vertrauen, und solche, die das nicht tun, halten sich bis zuletzt ziemlich die Waage. In Deutschland beantworteten zuletzt im Sommer dieses Jahres 43 Prozent der Befragten die Frage danach mit Ja und 43 Prozent mit Nein. In der gesamten Eurozone fällt das Ergebnis mit 44 Prozent, die der EZB vertrauen, und 42 Prozent, die das nicht tun, ähnlich aus. Tendenz: Seit der Finanzkrise wuchs das Vertrauen der EU-Bürger in die Zentralbank sogar.
Dennoch sind die t-online-Zahlen ein Alarmsignal – auch für Isabel Schnabel, deutsche Ökonomin und Direktorin der Zentralbank. Auf t-online-Anfrage sagt sie zu der Umfrage: "Das Vertrauen der Menschen in die EZB ist für uns sehr wichtig. Deshalb tun wir alles, was möglich ist, um die Inflation mittelfristig wieder zu unserem Ziel von zwei Prozent zu bringen. Das ist unsere Aufgabe. Darauf können die Menschen sich verlassen."
Für die Umfrage hat Civey im Auftrag von t-online rund 5.000 Menschen online um ihre Meinung gebeten. Wörtlich lauteten die Fragen: "Vertrauen Sie der Europäischen Zentralbank als gemeinsame Währungsbehörde der Mitgliedsstaaten der Europäischen Währungsunion?" sowie "Glauben Sie, dass die Inflation aufgrund der angehobenen Zinsen seitens der Europäischen Zentralbank fallen wird?". Der statistische Fehler beläuft sich bei den Ergebnissen zu beiden Fragen auf 2,5 Prozent.
- Civey-Umfrage für t-online
- Statement von EZB-Direktorin Isabel Schnabel