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Russen wollen im Wattenmeer vor Cuxhaven nach Öl bohren


Vor Cuxhaven
Russischer Konzern will im Wattenmeer nach neuem Öl suchen

spiegel-online, Holger Dambeck

Aktualisiert am 06.01.2017Lesedauer: 4 Min.
Die Bohr- und Förderinsel "Mittelplate" in der Nordsee vor der Küste bei Büsum.Vergrößern des Bildes
Die Bohr- und Förderinsel "Mittelplate" in der Nordsee vor der Küste bei Büsum. (Quelle: dpa-bilder)
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Darf im streng geschützten deutschen Wattenmeer nach Öl gebohrt werden? Bei der Frage geht es nicht nur um Umweltschutz und Profite für einen Ölkonzern, sondern auch um üppige Steuereinnahmen.

Im Wattenmeer an der deutschen Nordseeküste wiederholt sich jeden Tag ein faszinierendes Naturschauspiel. Wo wenige Stunden zuvor noch das Wasser meterhoch schwappte, laufen auf einmal Vögel über den Schlick und suchen Nahrung.

Der Wechsel von Ebbe und Flut lockt jedes Jahr Tausende Urlauber ins Watt. Barfuß oder in hohen Stiefeln waten sie durch Priele und stapfen über Sandbänke. Sie ahnen kaum, dass ein paar Tausend Meter unter ihnen - mittendrin im Nationalpark -, ein Milliardenschatz liegen könnte, für den sich der russische Ölkonzern Dea interessiert.

Umweltschützer warnen vor Katastrophe

Dea fördert bereits seit 1987 Öl aus dem Watt. Von der fest auf dem Schlick stehenden Mittelplate aus - einer Plattform, die bei Ebbe theoretisch sogar zu Fuß erreichbar ist. Sie befindet sich nördlich von Cuxhaven - bis zur Dithmarscher Küste sind es sieben Kilometer.

Der Ölkonzern bohrt aber auch vom Festland schräg unters Watt. Neun Kilometer lang sind die in die Erde getriebenen Löcher. Die bislang ausgebeuteten Lagerstätten liegen zwei bis drei Kilometer unter dem Schlick.

Dea will vier neue Löcher in den Boden treiben - mitten im Watt. Die Erkundungsbohrungen sollen helfen, die Lage vermuteter Ölfelder präzise zu ermitteln. Fördern will der Konzern das Öl dann weiterhin von der Mittelplate aus und vom Festland.

Es erscheint absurd - ist aber Realität: Die drei Wattflächen wenige Kilometer vor Cuxhaven gehören offiziell nicht zum Unesco-Welterbe - aus Rücksicht auf den Ölkonzern Dea, der genau in diesen drei Enklaven die vier Bohrungen durchführen will.

Die Pläne stoßen auf Widerstand. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace fährt eine Kampagne dagegen und warnt vor einer drohenden Ölkatastrophe im besonders sensiblen Watt.

"Schwarzer Fleck"

Auch Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck von den Grünen tut alles, um eine Erkundung zu verhindern. "Es ist kein Geheimnis, dass ich weitere Ölbohrungen im Wattenmeer falsch finde", sagt er. Die Förderung sei "ein schwarzer Fleck auf der weißen Weste des Nationalparks".

Genehmigt wurde sie, bevor der Nationalpark 1985 gegründet wurde. Seit 2009 ist das Watt zudem Weltnaturerbe. Im Antrag wurden ausdrücklich die drei Enklaven ausgeschlossen.

Erst nach Abschluss der Erkundungsbohrungen sollen zwei der separierten Flächen ins Welterbe übergehen. Dea will die Bohrlöcher mit Spezialzement verfüllen, so dass kein Öl nach oben austreten kann. Das Areal um die Plattform Mittelplate soll aber weiterhin eine Enklave bleiben, weil eine Ölförderung in einem Weltnaturerbe nicht erlaubt ist.

Dreistellige Millioneneinnahmen

Im Poker um das Schwarze Gold an der Nordseeküste werden die Claims gerade neu abgesteckt. Habichts Ministerium hält Bohrungen mittlerweile für nicht mehr genehmigungsfähig, dagegen spreche das Nationalparkgesetz. Das Umweltministerium beruft sich dabei auf ein eigenes Gutachten und will dem zuständigen Landesbergbauamt noch im Januar empfehlen, die Dea-Anträge abzulehnen.

Mehr als 30 Millionen Tonnen Öl hat Dea bislang aus dem Watt gefördert. In den besten Zeiten waren es pro Jahr zwei Millionen - das entspricht knapp zwei Prozent des jährlichen Ölbedarfs von Deutschland.

Es ist ein lukratives Geschäft - und zwar nicht nur für Dea, das einst zu RWE gehörte. Das Land Schleswig-Holstein kassierte bislang jedes Jahr zwei- bis dreistellige Millionenbeträge als sogenannte Feldes- und Förderabgabe.

Im Jahr 2014 waren es 124 Millionen Euro. Mit dieser Summe könnte das kleine Bundesland die Hälfte seiner Polizeibeamten ein Jahr lang bezahlen. Mehr Umweltschutz hätte also einen hohen Preis - auch das ist den Verantwortlichen in Kiel klar.

Desaster ausgeschlossen?

Erst 2010 hatte das Land die Konzession für die Ölförderung vor der deutschen Küste bis zum Jahr 2041 verlängert. Will Dea sie nutzen, braucht der Konzern Klarheit, wo genau die Lagerstätten liegen. Und dafür reichen laut Dea seismische Untersuchungen allein nicht aus, man benötigt Erkundungsbohrungen.

Zweifel an den hohen Sicherheitsstandards der Bohr- und Fördertechnik von Dea hegt man übrigens nicht einmal bei Greenpeace. "Ich habe schon viele marode Plattformen in der Nordsee gesehen", sagt Jörg Feddern, Ölexperte bei der Umweltschutzorganisation. Auf Mittelplate werde modernste Technik eingesetzt.

Ein Desaster wie bei der Plattform "Deepwater Horizon" im Jahr 2010 gilt als unwahrscheinlich. Nach der Explosion der Förderinsel waren 500 Millionen Liter Öl in den Golf von Mexiko ausgetreten. Erst nach 87 Tagen konnten Experten das Leck in 1500 Metern Tiefe schließen. Im deutschen Watt finden die Bohrungen hingegen quasi an Land statt, das Bohrloch wäre im Fall einer Havarie vergleichsweise leicht zugänglich.

Hat das Ölgeschäft noch Zukunft?

Aber all das reicht Umweltschützern wie Greenpeace nicht. Ein Unfall könne trotz allem nicht ausgeschlossen werden. Schon geringe Mengen Öl würden im Wattenmeer fatale Folgen haben, wie das Unglück des Frachtschiffs "Pallas" 1998 gezeigt habe. Damals waren nahe Amrum 100 Tonnen Öl ausgetreten - Tausende Seevögel starben.

Nach dieser Logik müsste man allerdings auch den gesamten Schiffsverkehr im Wattenmeer verbieten, denn auch dabei besteht immer ein Restrisiko für Havarien. Wie aber sollten Schiffe dann die Häfen Hamburg, Bremen und Wilhelmshaven anlaufen?

Eine ganz andere Frage ist, ob Erdölförderung überhaupt noch ein Geschäft mit Zukunft darstellt. Bei Dea geht man zumindest davon aus, dass man mit Öl auch in Zukunft noch gutes Geld verdienen wird - allen Anstrengungen zur Abkehr von fossilen Brennstoffen zum Trotz.

Streit vor Gericht

Öl werde weiter gebraucht, sagt Unternehmenssprecher Uwe-Stephan Lagies. "Wenn wir es fördern, dann sollten wir dabei die besten, besonders umweltschonenden Technologien nutzen." Er meint damit natürlich jene, die Dea im Watt einsetzt.

Ob der Ölkonzern an der deutschen Nordseeküste auch in zehn, 20 Jahren noch Öl fördert, das werden letztlich Gerichte entscheiden. Dea dürfte es kaum hinnehmen, falls Schleswig-Holstein die Anträge ablehnt. Sollten die Erkundungsbohrungen im Watt aber erlaubt werden, werden mit Sicherheit Umweltschützer ihre Anwälte einschalten.

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