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Der Streit um Teslas Gigafactory zeigt dem Rechtsstaat Grenzen auf


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Konflikt im Kiefernhain
Im Tesla-Streit wird der Rechtsstaat in die Mangel genommen

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

18.02.2020Lesedauer: 3 Min.
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Probleme für Tesla: Auf dem Gelände, auf dem das Werk in Brandenburg entstehen soll, wurde die Rodung gestoppt. (Quelle: reuters)
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Teslas geplante Gigafactory in Brandenburg ist jetzt ein Fall fürs Gericht. Das hat Folgen: Der verhängte Rodungsstopp zeigt, wie der Rechtsstaat von drei Seiten in die Mangel genommen wird.

Dass sich der Konflikt um das geplante neue E-Autowerk von Tesla in der Nähe von Berlin an einer Kiefernmonokultur entzündet, ist eigentlich absurd. Wer sich ein bisschen in Brandenburg auskennt, weiß, dass ausgerechnet die Kiefer hier gerade nicht zur "unwiederbringlichen Natur" gehört.

So heißt es zwar in der einstweiligen Verfügung des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg, das einen vorläufigen Rodungsstopp für das Gelände verhängte, auf dem ab 2020 Teslas Gigafactory stehen soll. Doch das anspruchslose Nadelgehölz wächst in dem Bundesland überall, ist in trockenen Sommern brandgefährlich, und taugt nicht einmal als Überbau für schmackhafte Pilzkolonien.

Gerade deshalb aber zeigt sich hier das ganze Dilemma von Investitionen in Deutschland in aller Klarheit: Der Rechtsstaat wird von drei Seiten in die Zange genommen – und blockiert.

Die Politik nimmt Klagen von Anfang an in Kauf

Zuerst von der Politik selbst. Die drückt zwar beide Augen zu, wenn es um die eilige Genehmigung eines Großprojektes geht, doch sie ist offensichtlich nicht in der Lage oder willens, dafür auch Rechtssicherheit herzustellen. Für beschleunigte Verfahren gibt es in Deutschland keine gesetzlichen Grundlagen. Alle Versuche, das zu ändern, blieben erfolglos, wenn man einmal von den Verkehrsgroßprojekten nach der Deutschen Einheit absieht.

Zu groß ist die Versuchung: Denn politisch ist es komfortabel, wenn man auf der einen Seite Wirtschaftsfreundlichkeit zeigt, und auf der anderen aber leider, leider akzeptieren muss, dass der Bürger (der Wähler) klagt. Auch dann, wenn es um ein Stück Land geht, das mit minderwertigem Baumbestand gesegnet ist, direkt an einer Autobahn liegt, und schon lange als Industriegebiet ausgewiesen ist.

Die Unternehmen preisen Rechtsbruch ein

Doch auch die Investoren zeigen wenig Respekt vor dem Rechtsstaat. Tempo heißt die Währung, in der die ganz großen amerikanischen Unternehmen aus dem Silicon Valley bewertet werden. Wer eine gute Idee hat, muss skalieren können – ganz schnell wachsen, um den Markt zu besetzen.

Wenn ein amerikanischer Digitalkonzern eine neue Zentrale, eine Fabrik, oder ein Lager plant, nimmt er deshalb eher einen Rechtsbruch, eine Verurteilung und eine Strafzahlung in Kauf, als auf eine langwierige gerichtliche Klärung seines Anliegens zu warten. So funktioniert Google, so arbeitet der Wohnungsvermittler AirbnB, so tickt der Fahrdienstleister Uber und so macht es auch Tesla.

Millionen- oder milliardenschwere Verurteilungen werden von diesen Unternehmen bisher als Extra-Steuer betrachtet – sein Verhalten ändert man deshalb ganz sicher nicht. So zahlte Google 2018 weltweit nur etwas mehr als vier Milliarden Dollar an Steuern.

Die Interessengruppen setzen gezielt auf Verzögerung

Wegen Wettbewerbsvergehen musste der Konzern allerdings in Europa rund fünf Milliarden Dollar an Strafe zahlen. Macht zusammen eine überschaubare Abgabenlast, mögen sich die Konzernverantwortlichen denken. Die Nationalstaaten sehen ziemlich hilflos zu, wie ihr Rechtssystem mal um mal provoziert und auf die Probe gestellt wird.

Zum Dritten bringen aber auch die Nachbarn als relevante Stakeholder die Verfahren in die Bredouille: Das sind Anwohner, Umweltverbände, Klimaaktivisten, Tierschützer. Sie versuchen, Investitionen auf dem Rechtsweg mit ausgiebigen Einsprachen und Klagen zu verhindern oder zumindest zu verzögern.

Keine Frage: Sie haben das Recht auf Gehör – aber ist es richtig, dass auch ein bayerischer Verband in Brandenburg gegen ein Autowerk klagen kann, von dem er nicht betroffen ist? Ist es in Ordnung, dass Anwohner ein neues Wohnprojekt so lange verzögern, bis es sich erledigt hat – obwohl Wohnungsknappheit und Mietsteigerungen in den Großstädten dramatische Züge annehmen? Kann ein Land, das in den nächsten Jahrzehnten klimaneutral werden will, tatsächlich auf neue Windräder verzichten (im vergangenen Jahr wurden gerade einmal 325 neue Mühlen aufgestellt)?

Der Rechtsstaat muss respektiert werden. Jeder muss sich an die Gesetze halten. Das gilt auch für Digitalkonzerne und andere Investoren aus dem Silicon Valley. Wenn daraus aber Barrikaden gegen alles Neue errichtet werden, darf der Rechtsstaat das nicht dulden. Ein Kiefernhain in Brandenburg ist vielleicht genau das richtige Gelände, um die schwierige Balance neu zu bestimmen – und daraus politische Konsequenzen zu ziehen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast "Tonspur Wissen".

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