Schwierige Dynamik Was tun, wenn der eigene Chef inkompetent ist?
Kein Interesse, kein Plan, nie Zeit: Mitarbeiter urteilen oft hart über Vorgesetzte. Manchmal gehört das zum üblichen Gerede, manchmal passt es wirklich nicht. Dann gilt: Raus aus dem Kampfmodus.
Wenn Mitarbeiter sich einen Traumchef oder eine Traumchefin backen könnten, dann würde bei vielen wohl ein Mentor auf Augenhöhe herauskommen. Eine Führungskraft, die individuelle Fähigkeiten fördert, die gerecht ist, mit der man sich fachlich austauschen kann, die Freiheiten gewährt, aber trotzdem immer da ist.
Die Wirklichkeit sieht allerdings oft ganz anders aus, weiß Karrierecoach Bernd Slaghuis. Seiner Erfahrung nach sind viele unzufrieden mit ihrem Vorgesetzten. "Typische Sätze sind: 'Mein Chef lässt mich nicht machen' oder 'mein Chef entscheidet nichts'." Gemeckert wird über die Führungskraft meist gerne.
Aber zu Recht? "Die Wahrnehmung, was einen guten oder schlechten Chef ausmacht, ist sehr unterschiedlich und hängt direkt mit den eigenen Erwartungen zusammen", sagt Mediatorin und Coach Maxi Weiss dazu. Grundsätzlich komme es auf zwei Bereiche an: auf die Fachkenntnis und auf die Führungskompetenz.
Fehlt Führungs- oder Fachkompetenz?
Bei Unzufriedenheit mit dem Chef müsse man immer prüfen, worum es genau geht. Setzt jemand den Fokus auf das Fachliche und bekommt etwa Unruhe im Team nicht mit oder kann jemand fachliche Fragen nicht beantworten? Entscheidend ist in dem Zusammenhang auch, wofür der Vorgesetzte zuständig ist. In manchen Unternehmen werden inhaltliche und organisatorische Aufgaben auch getrennt.
Fehlt es an Führungskompetenz, kann sich das auf ganz verschiedene Arten zeigen, wie Coach Ute Bölke erklärt. Oft gebe es Probleme in der Kommunikation: Die Chefin ist beispielsweise nicht ansprechbar, gibt kein Feedback oder hält Zusagen nicht ein.
Möglicherweise schreibt sich die Führungskraft alle Erfolge selbst auf die Fahne oder spielt Mitarbeitende gegeneinander aus, um die Leistung der Einzelnen zu steigern. Manche wiederum halten die Füße still und treffen keine Entscheidungen, weil sie nicht auffallen wollen.
Schlechte Führungskräfte machen viel kaputt
Slaghuis gibt zu bedenken, dass nicht jeder Chef mit seinem Führungsstil in jedes Unternehmen passe. Außerdem sei das Urteil "guter oder schlechter Chef" oft abhängig von der Generation der Mitarbeiter.
So wünschen sich viele Junge Gestaltungsmöglichkeiten und Freiheiten von Vorgesetzten, während ältere Angestellte häufig mehr Struktur und Sicherheit erwarten. "Chefs sollten ein Bewusstsein dafür entwickeln, was jedem einzelnen Mitarbeiter im Beruf wichtig ist und sie individuell führen."
Keine leichte Aufgabe. Auch Maxi Weiss sagt: "Die Erwartungen der Arbeitnehmer sind andere geworden." Darauf sollten Vorgesetzte sich einstellen. Denn haben Mitarbeiter einen schlechten Chef, kann das weitreichende Folgen haben, weiß Ute Bölke: Mobbing werde begünstigt, der Teamgeist und die Motivation leide.
"Das kann sich in einem hohen Krankenstand oder einer ständigen Fluktuation zeigen", sagt Bölke. Außerdem könne die Qualität leiden. Die Mitarbeiter machen nur noch Dienst nach Vorschrift und sind frustriert, ergänzt Slaghuis. Das könne psychische und körperliche Probleme mit sich bringen.
Vorgesetzte sind keine Hellseher
Bevor es so weit kommt, sollte man das Gespräch mit seinem Chef suchen, rät Mediatorin Weiss. Eine Möglichkeit dafür sei das klassische Mitarbeitergespräch. "Darin geht es in der Regel um Fragen wie: Wie geht es dem Einzelnen mit seinen Aufgaben? Stimmen Anforderungen und Fähigkeiten überein? Wird künftig etwas anderes erwartet?"
Finden keine Mitarbeitergespräche statt, sollte man dennoch versuchen, sein Feedback an den Chef in einem Vier-Augen-Gespräch anzubringen, rät Weiss. "Es arbeitet sonst nur unausgesprochen weiter."
Wichtig ist, sich stets im Klaren darüber zu sein, dass der Chef nicht von selbst sehen muss, dass man unzufrieden ist. "Vorgesetzte sind keine Hellseher", betont Slaghuis. Im Gespräch sollte man darauf achten, seine Kritik nicht als Vorwurf auszusprechen. "Mitarbeiter sollten schildern, wie sie die Führung ihres Chefs wahrnehmen und was sie sich mehr oder anders wünschen."
Das könne man an Situationen festmachen. Wer zum Beispiel eine Chefin hat, die jeden Arbeitsschritt kontrolliert, der sollte der Vorgesetzten deutlich machen, was das mit ihm macht – etwa: Es setzt mich unter Druck, es verängstigt mich oder das mangelnde Vertrauen verärgert mich.
Jobwechsel ist der letzte Ausweg
Wer bei der direkt vorgesetzten Person auf Granit beißt, sollte laut Slaghuis zum "vorletzten Mittel" greifen: Mit der Personalabteilung, dem Betriebsrat oder der nächst höheren Ebene über das Problem sprechen – das belaste natürlich das Verhältnis zum Chef.
Gerade wenn die Gesundheit leidet, bleibe aber oft nur ein Wechsel. "Viele harren zu lange in belastenden Jobs aus und hoffen, dass irgendwann der Chef wechselt." Damit begebe man sich aber in eine Opferrolle, was die ganze Situation noch erschwere. So weit muss es nicht kommen. Manchmal helfe es schon, die eigene Negativ-Haltung zu durchbrechen. Mediatorin Weiss rät, genau zu hinterfragen, woran die Unzufriedenheit liegt.
Raus aus dem Kampfmodus
Slaghuis empfiehlt, mit einem anderen Blick auf den Chef zu schauen. "Wir interpretieren ständig das Verhalten anderer, ohne es zu hinterfragen." In neuen Situationen sehe man dann gar nicht mehr genau hin, sondern urteile nur noch nach dem festgefahrenen Muster.
Deshalb sollte man einen Schritt zurücktreten und überlegen: Warum verhält sich der Chef gerade so? Was ist ihm in dieser Situation wohl wichtig? "Mitarbeiter sollten raus aus dem Kampfmodus, denn auch Chefs sind Kollegen, die an guter Zusammenarbeit interessiert sind."
- Nachrichtenagentur dpa