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Wagnis und Chance - Der Weg in einen neuen Beruf: Herausforderung Quereinstieg


Wagnis und Chance
Der Weg in einen neuen Beruf: Herausforderung Quereinstieg

Von dpa
29.06.2021Lesedauer: 3 Min.
Wie sind die Aussichten? Die Hürden und Voraussetzungen für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger unterscheiden sich je nach Branche.Vergrößern des Bildes
Wie sind die Aussichten? Die Hürden und Voraussetzungen für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger unterscheiden sich je nach Branche. (Quelle: Christin Klose/dpa-tmn./dpa)

Nürnberg (dpa/tmn) - "Was willst du werden?" Wenn es um die Berufswahl geht, schwingt immer noch mit, dass damit eine Entscheidung fürs Leben getroffen wird. Entsprechend werden Berufs- oder Branchenwechsel häufig als Wagnis wahrgenommen. Schon die Bezeichnung Quereinstieg deutet an: Hier geht jemand nicht den üblichen Weg.

Den typischen Quereinsteiger oder die typische Quereinsteigerin gibt es allerdings gar nicht. Die Gründe für den Schritt sind so vielfältig, wie die Menschen, die den Neustart in Angriff nehmen. Vielleicht hat sich während der Ausbildung herausgestellt, dass die Tätigkeit doch nicht den Vorstellungen entspricht. Vielleicht werden in der bisherigen Branche immer mehr Arbeitsplätze abgebaut und man ist auf der Suche nach mehr Sicherheit. Oder man sehnt sich nach vielen Jahren im Job nach einer neuen Herausforderung.

Fachkräftemangel befördert Quereinstieg

Doch nicht jede Branche eignet sich gleich gut für den Quereinstieg. "Die Gründe liegen vor allem in den Zugangsvoraussetzungen", sagt Enzo Weber, der am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) unter anderem untersucht, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt. Je strenger die Voraussetzungen, umso höher die Schwelle: Physiotherapeut etwa darf sich nur nennen, wer einen entsprechenden Abschluss vorweisen kann, Gleiches gilt für Ingenieurinnen.

Weber beobachtet aber: "Wenn es in einer Branche einen Fachkräftemangel gibt, verschiebt sich einiges." Einstiegshürden werden abgesenkt, Umschulungen oder neue Ausbildungswege entwickelt. Eine Ausbildung in der Pflege zum Beispiel kann mittlerweile auch in Teilzeit absolviert werden, als Angebot an Eltern, die wegen der Kinder nicht den ganzen Tag arbeiten können.

Für den Einstieg als Erzieherin oder Erzieher gibt es in mehreren Bundesländern Programme, die von Anfang an einen Einsatz in der Kita vorsehen und bei denen im Unterschied zur sonst üblichen Ausbildung in einer Fachakademie eine Vergütung gezahlt wird.

Quereinsteiger-Branche IT

Viele Jobs mit vergleichsweise wenig formalen Voraussetzungen und gleichzeitig einem großen Bedarf an Fachkräften gibt es in der IT-Branche. "Quereinsteiger sind in den Unternehmen gern gesehen", sagt Daniel Breitinger vom Branchenverband Bitkom.

Und was ist mit dem erforderlichen Fachwissen? Viele Firmen bilden intern aus, sagt Breitinger: "Es gibt nicht genug Fachkräfte, die vom Markt kommen, deshalb müssen die Unternehmen das selbst in die Hand nehmen."

Wer unsicher ist, ob ihm IT-Themen überhaupt liegen, bekomme in Coding Schools und Bootcamps einen guten ersten Eindruck. Dort werden schnell und intensiv etwa Grundkenntnisse der Programmierung vermittelt. "Sie bieten sich zum Antesten an, bevor man den bisherigen Job tatsächlich aufgibt", sagt Breitinger.

Ohnehin dürfe man die Branche nicht aufs Programmieren reduzieren: "Viele Themenfelder entstehen gerade erst, Big Data oder Künstliche Intelligenz zum Beispiel, und damit auch neue Jobs und Jobprofile."

Wenn Berufsfelder sich für Quereinsteiger öffnen

Das Gegenteil einer für Quereinsteiger offenen Branche war lange das Lehramt. Der Berufszugang war klar geregelt: Nur wer Studium und Referendariat samt zwei Staatsexamen erfolgreich absolviert hatte, durfte unterrichten. Das hat sich geändert, seit in bestimmten Fächern und in bestimmten Schulformen die Lehrer knapp werden.

Seitdem wechseln auch diplomierte Physiker vom Labor ins Klassenzimmer oder die Anglistin bringt Grundschülern die ersten Vokabeln bei. Den Weg in die Schule regelt jedes Bundesland eigens. Sowohl die Zulassungsvoraussetzungen als auch die Ausbildung unterscheiden sich deutlich. Wer den Wechsel plant, sollte sich vorab beim jeweiligen Kultusministerium informieren.

Der Praxisschock

Einstellen müsse man sich allerdings immer auf einen anstrengenden doppelten Berufseinstieg, sagt Marc Böhmann. Er ist Lehrer an einer Gemeinschaftsschule im baden-württembergischen Eppelheim und Autor eines Ratgebers für Lehramtsquereinsteiger. Statt das Fachwissen mit erwachsenen und ähnlich kompetenten Kolleginnen und Kollegen zu teilen, muss es nun Kindern vermittelt werden.

"Dazu kommt dann noch der Praxisschock, den fast alle jungen Lehrer erleben", sagt Böhmann: Unterrichtskonzepte funktionieren nicht so wie gedacht, Vorbereitung und Korrekturen nehmen sehr viel mehr Zeit in Anspruch als ursprünglich veranschlagt und die Kinder reagieren auch nicht so aufmerksam und dankbar auf den neuen Stoff, wie man es sich ausgemalt hatte.

Passen die bisherigen Kompetenzen zum neuen Job?

Wichtig sei deshalb eine gute Begleitung durch erfahrene Kollegen, denn zu bewältigen seien nicht nur fachliche Herausforderungen: "Der Lehrerberuf ist in besonderer Weise mit der Persönlichkeit verbunden", sagt Böhmann: "Man wird angreifbar, man muss sensibel auf die Schülerinnen und Schüler reagieren und zugleich in der Lage sein, sich abzugrenzen."

Wer in seinem früheren Job Führungsaufgaben hatte, tue sich damit oft leichter, beobachtet Böhmann. Denn die Kompetenzen und Fähigkeiten, die man bereits mitbringt, sind entscheidende Faktoren, damit der Quereinstieg gelingt. Wenn sie zum neuen Job passen, könne auch der Einstieg in eine vermeintlich schwer zugängliche Branche gelingen, sagt Arbeitsmarktforscher Enzo Weber. Umso wichtiger sei vor der Entscheidung für den Umstieg die individuelle Beratung, zum Beispiel bei einer Arbeitsagentur.

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