"Halb Mensch, halb Brettspiel" Junge Autoren in der Spiele-Branche haben es schwer
Weimar/Essen/Darmstadt (dpa) - Stundenlang sitzt er, bastelt Würfel und feilt am Regelwerk. Janosh Kozák arbeitet an neuen Spielideen. Während andere in der Corona-Pandemie zum hundertsten Mal "Mensch ärgere dich nicht" oder "Siedler von Catan" spielen, rückt der 31-Jährige aus Weimar, der sich selbst als "Halb Mensch, halb Brettspiel" bezeichnet, seine eigenen Spielfiguren übers Feld. Er zeichnet Skizzen, kreiert knifflige neue Kontexte in seinem Kopf. Spiele entwerfen ist seine Leidenschaft.
"Die erste Idee haben und einen Prototyp bauen, das geht fix", sagt Kozák. Gleich mehrere davon hat er in seiner privaten "Spiele-Kiste". Das koste nicht nur "viel, viel Zeit", sondern auch Geld. Immer wieder lässt er Freunde seine Spiele testen, bezahlt Illustratoren für Veränderungen, passt hier eine Spielregel an, verändert dort die Haptik der Karten, lässt wieder einen neuen Prototypen anfertigen.
Das Spiel selbst herausbringen
Eigentlich ist das die Arbeit eines Spieleverlags, denen Autoren ihre Spielideen anbieten können. DochKozákwill sein Werk - so wie viele junge Spiel-Enthusiasten heute - in Eigenregie herausbringen und sich nicht in den kreativen Prozess hineinreden lassen.
"Es ist nicht zwingend, dass ich meine Idee verkauft habe und dann raus bin", sagt der Geschäftsführer derSpiele-Autoren-Zunft(SAZ), Hans-Peter Stoll. Der in Deutschland gegründete Verein vertritt aktuell über 500 Spieleautoren auf der ganzen Welt. "Eine Aufgabe, die wir als Vertretung haben, ist es, dafür zu sorgen, dass die Autoren nicht Verträge unterschreiben, in denen sie quasi den kompletten Handlungsspielraum an den Verlag abgeben", erklärt Stoll.
Ein Spiel herzustellen und produzieren zu lassen ist aus Stolls Sicht keine große Herausforderung. Die Probleme kämen erst, wenn es darum gehe, das Spiel zu verkaufen. Neu-Autoren fehle da oft der Zugang zum Markt. Er rät deshalb dazu, sich einen Verlag zu suchen. "In der Gestaltung des Vertrages heißt es eben da aufzupassen, dass die Interessen beider Seiten gut vertreten sind. Und der Verlag ist dann zuständig für Marketing, Akquise und so weiter."
Schlechte Zeiten für Kleinstverlage
Die Corona-Krise hat der Gesellschaftsspiel-Branche einen kräftigen Schub beschert. Der Spielemarkt hat sich im Corona-Jahr 2020 laut Spieleverlage um 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigert. Auch für 2021 wird eine positive Entwicklung erwartet.
Doch die Veranstalterin der jährlich im Herbst in Essen stattfindenden weltgrößtenSpiele-MesseSpiel, Dominique Metzler, prognostiziert auch Probleme. "Die großen Verlage verkaufen sehr gut ihre Klassiker, aber es wird jetzt schon schwierig, Neuheiten zu verkaufen". Werbung für Neues - das ist nach Ansicht von Metzler der Hauptgrund dafür, dass sich viele in der Branche dieses Jahr wieder eine Messe Spiel wünschen.
Die meisten neuen Verlage sind laut Metzler Kleinstverlage, "die haben dann ein, zwei, drei Spiele höchstens im Jahr und vertreiben die dann direkt." Das klappe für manche mit tollen Ideen und einer eingefleischten Fangemeinden noch ganz gut. Doch die Zeiten würden schwieriger für die Kleine.
Nicht selten nutzen solche kleinen Verlage auch Kickstarter-Kampagnen, um ihre Spiele-Ideen umsetzen zu können. Ähnlich wie beim Crowdfunding werben die Verlage hier mit ihrer Idee - und lassen sich die Realisierung dann durch Spenden zukünftiger Spieler finanzieren.
Meist stecken dahinter auch Menschen wie der Architekt Kozák, die nicht hauptberuflich Spiele entwickeln. Neben dem eigenen Verlag haben diese Spieleautoren in der Regel noch einen anderen Job. Denn eine gute Idee hin oder her: Spiele entwickeln ist finanziell eine heikle Angelegenheit.
Spiele entwickeln nur als Hobby
"Man kann davon träumen, dass man damit unabhängig und selbstständig wird. Man sollte aber lieber in seinem alten Beruf weiterarbeiten und nebenbei als Hobby Spiele entwickeln - alles andere ist zu riskant", rät Spieleautor Klaus Teuber. Seine Erfindung"Siedler von Catan"ist seit mehr als 25 Jahren weltweit ein Verkaufshit. "Eine Ausnahme", sagt er.
Auf der Basis einer Veröffentlichung lässt sich normalerweise nicht leben, sagt auch SAZ-Geschäftsführer Stoll. Da Verlagshonorare für Autoren abhängig sind von den Verkaufszahlen des Spiels, müsse man in der Regel etwa 20 Spiele im Jahr veröffentlichen, um als Autor davon leben zu können.
Einen Kickstarter und damit auch seinen eigenen Verlag, "das will ich überhaupt nicht", sagt Kozák. "Eigentlich möchte ich nur eine Erstauflage so aufziehen, dass ich damit glücklich bin. Ich hab mich schon vor längerer Zeit davon freigemacht, damit Geld zu verdienen." Sollte ein Verlag ihm dann irgendwann sein Spiel so abnehmen wollen, wie er es für "fertig" erachtet, sei das durchaus okay. Bis dahin macht er in Eigenregie weiter.