Abgestempelt Was bei Gewichtsdiskriminierung im Job helfen kann
Berlin/Aachen (dpa/tmn) - Dick gleich undiszipliniert, dumm, faul, leistungsschwach und krankheitsanfällig - diese Einschätzung hält sich in Personalabteilungen hartnäckig. Schon vor Jahren zeigte eine experimentelleStudieder Universität Tübingen die Vorurteile von Personalentscheidern gegenüber hochgewichtigen Menschen.
Ihnen wird nachgesagt, dass sie eine geringere Leistungsbereitschaft aufweisen und häufiger krank sind. Sie gelten als nicht repräsentativ und werden als nicht intellektuell wahrgenommen.
"Dabei ist dicken Menschen bewusst, dass sie so gesehen werden. Sie sind daher häufig besonders motiviert und leistungsbereit, um diesen Vorurteilen zu begegnen. Schön wäre es, Jobs würden ausschließlich anhand der Qualifikation vergeben", sagt Natalie Rosenke, Vorsitzende der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung (GgG).
Harter Test fürs Selbstbewusstsein
Dass ihr als hochgewichtige Frau kein Beruf mit Prestige zugetraut wird, erlebt auch Anwältin Stefanie Peters (Name geändert). "Zumal im konservativ geprägten juristischen Umfeld. Man traut mir aufgrund des Gewichts weniger zu", sagt die 46-Jährige. "Inzwischen habe ich gelernt, damit selbstbewusst umzugehen, denn ich bin gut in meinem Job, aber während des Studiums und in den Anfangsjahren war das hart."
Doch auch ihr Selbstbewusstsein hat Grenzen, etwa wenn sie in ihrem beruflichen Alltag enge Sicherheitskabinen im Gerichtsgebäude passieren muss. "Manche Kabinen sind wahnsinnig eng, da werde ich eingequetscht und das Wachpersonal steht feixend daneben", beschreibt sie die als demütigend empfundene Situation. Nicht immer ist sie in der Stimmung, die Situation anzusprechen.
Unbehagen offen thematisieren
Dabei ist das Ansprechen des Unbehagens das Mittel der Wahl, um mit dieser Art von Diskriminierung umzugehen. Sabine G. Fischer ist als Coach und Supervisorin im Gesundheits- und Sozialwesen tätig und berät auch Menschen mit hohem Körpergewicht. Ihr Tipp: Fällt eine beleidigende Bemerkung im Kollegenkreis, sollte das zeitnah unter vier Augen thematisiert werden.
Auch wenn es Betroffenen schwer fällt, sollten sie mit fester Stimme und klarem Blick auf die Nasenwurzel des Gegenübers klar machen, dass man beleidigendes Verhalten nicht toleriert. "Zeigt sich das Gegenüber uneinsichtig, sollte das Gespräch mit Vorgesetzten gesucht werden. Hilft das nicht, dann sollte die Geschäftsführung schriftlich über den Vorfall informiert werden", rät Fischer.
Je nach Größe des Unternehmens helfen vielleicht auch geschulte Kräfte aus dem Betriebsrat oder eine Gleichstellungsstelle.
Hohes Gewicht als Berufseinsteiger thematisieren
Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern rät Sabine G. Fischer zudem, eigeninitiativ das Thema Hochgewicht im Bewerbungsschreiben oder -gespräch anzugehen. "Wir können unser Gewicht nicht verstecken, aber wir können ausloten, ob wir auf Vorurteile in einem Unternehmen treffen. Wird uns dann klar signalisiert, dass wir nicht gewollt sind, haben wir gut für uns selbst gesorgt und können uns unangenehme Situationen ersparen."
Werde sachlich über das hohe Körpergewicht gesprochen, sei das völlig in Ordnung: "Die Frage danach, wie es sich mit einem so hohen Körpergewicht lebt, darf ruhig gestellt werden, wenn sie nicht abwertend formuliert wird. Oder wenn Vorgesetzte offen fragen, ob das hohe Körpergewicht mit geringerer Belastbarkeit einhergeht, lässt sich das klären."
Werben um dicke Fachkräfte
Es gibt allerdings auch Firmen, die öffentlich deutlich machen, dass sie dicken Menschen vorurteilsfrei begegnen. Das Unternehmen pme Familienservice startete im vergangenen Jahr die Kampagne "Dick im Geschäft", um gezielt dicke Fachkräfte anzusprechen. Auch CEO Alexa Ahmad hat in ihrem Berufsleben Verachtung, Herabwürdigung und missbilligende Blicke erlebt. Sie wollte zeigen, dass es auch anders geht.
"Wir ermuntern gezielt Personen sich bei uns zu bewerben, die Mobbing erlebt haben oder sich aufgrund ihres Gewichts diskriminiert fühlen", sagt sie. Es zähle, was jeder Einzelne zum Workflow beitragen kann.
Zwar zeige sich die Gesellschaft meist offen für Diversität und akzeptiere mannigfache Lebensentwürfe, doch für den Körperumfang gilt das Ahmads Erfahrung nach bedauerlicherweise noch nicht: "Wir Dicken erfahren selten Toleranz oder sogar Akzeptanz, die wir gerne hätten", sagt sie.
Petition für eine Erweiterung des AGG
Das passiert ganz unabhängig von der Position. "Ich wurde bei einem Termin mit einem anderen Firmenvorstand vom Pförtner zum Lastenaufzug geschickt. Ich bin zwar lebenserfahren und mit einem gesunden Selbstbewusstsein ausgestattet, aber ich kann gerne auf solche Erlebnisse verzichten", sagt die CEO.
"Es ist doch bitter, dass das Schimpfwort fette Sau bedauerlicherweise immer noch Konjunktur hat - ob offen rausgebrüllt auf dem Schulhof oder unausgesprochen im Beruf", so Ahmad. Mit ihrem Unternehmen möchte sie einen Teil dazu beitragen, einen Wandel anzustoßen.
Die GgG setzt sich dafür ein, einen wirksamen Schutz vor Gewichtsdiskriminierung in privatrechtlichen Verhältnissen gesetzlich zu verankern: EinePetitionim Portal des Petitionsausschusses des Bundestages zur Erweiterung von Paragraf 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) um den Diskriminierungstatbestand "Gewicht" ist bereits gestartet.