Vertragsstrafe in Millionenhöhe Russischer Autobauer verklagt Volkswagen
Autobauer VW wollte das Kapitel Russland hinter sich lassen. Doch nun könnte der endgültige Rückzug sich ziehen: Grund ist die Klage eines früheren Partners.
Ein Gericht in Nischni Nowgorod an der Wolga hat auf eine Klage des früheren VW-Partners Gaz hin das Vermögen des Wolfsburger Autokonzerns in Russland beschlagnahmt. Gaz habe demnach beantragt, die Kündigung des Montagevertrags im dortigen Gemeinschaftswerk für nichtig zu erklären und Volkswagen zu einer Vertragsstrafe von 15,6 Milliarden Rubel (rund 190 Millionen Euro) zu verurteilen, berichtete die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf die Gerichtsakte.
Bei Europas größtem Autobauer hieß es dazu: "Wir sind uns der Forderung von Gaz bewusst und prüfen derzeit die Materialien zu diesem Fall." Man gab sich gleichzeitig "überrascht, die Forderungen genau zu diesem Zeitpunkt zu erhalten".
Eigentlich galt die Trennung der beiden früheren Partner längst als beschlossene Sache – jedenfalls aus Sicht der Deutschen. In der Fabrik in Nischni Nowgorod waren mehrere Modelle der VW-Kernmarke sowie der tschechischen Tochter Skoda zusammengebaut worden. Nachdem im Mai 2022 Sanktionen der USA gegen Gaz wegen des russischen Krieges in der Ukraine in Kraft getreten waren, zog sich Volkswagen aus der Co-Fertigung zurück und bot den Angestellten eine Abfindung.
Die Produktion war – wie im VW-eigenen Werk in Kaluga 150 Kilometer südwestlich von Moskau – bereits zuvor eingestellt worden. Der Konzern verhandelt inzwischen über einen Verkauf seiner Anteile an der Landesgesellschaft Volkswagen Group Rus, die außerdem Büros in der Hauptstadt Moskau betreibt. Findet sich ein Abnehmer, wäre es de facto der Komplettrückzug des umsatzstärksten deutschen Unternehmens vom russischen Markt. Die VW-Importe sind schon länger ausgesetzt. Die Lkw-Marke MAN produziert ebenfalls nicht mehr in dem Land.
Fällt bald eine Entscheidung?
Ein Kaufinteressent für die Firmenteile mit rund 4.000 Beschäftigten in Kaluga und weiteren etwa 300 in Moskau soll die Autohandelsgruppe Avilon sein. Allerdings müssen solche Geschäfte erst von den russischen Behörden abgesegnet werden. Volkswagen konnte hier bisher keinen Vollzug melden. Nach Informationen aus Unternehmenskreisen wurde jüngst noch mit einer baldigen Entscheidung gerechnet.
Zu näheren Details um die Vorgänge wollte sich der Konzern am Montag nicht offiziell äußern. Er zeigte sich jedoch verwundert über die Entwicklung im Fall Nischni Nowgorod: "Wir hoffen, dass die Klage nicht zu einer Verzögerung der Transaktion führt, die auch darauf abzielt, Beschäftigung und Arbeit für die betroffenen Mitarbeiter zu sichern." Die Geschäftsbeziehungen mit Gaz seien über viele Jahre gut, die Beendigung im vorigen Jahr sei "einvernehmlich" gewesen.
Volkswagen hatte die Russische Föderation lange als einen hoffnungsvollen Wachstumsmarkt betrachtet. Der Kriegsbeginn Ende Februar 2022 bedeutete dann aber für die gesamte Autoindustrie und für zahlreiche andere Branchen eine tiefe Zäsur. In Nischni Nowgorod bestand kein Komplettbau von Autos – stattdessen wurden fertige Teilegruppen und Systeme zugeliefert und zu Fahrzeugen endmontiert. Zu Sowjetzeiten war die Fabrik bekannt für die Wolga-Limousinen.
- Nachrichtenagentur dpa