Mit 41 Prozent Lufthansa steigt bei italienischer Staatsairline ITA ein
Monatelang verhandelten die Lufthansa und ITA – nun gibt es eine Einigung. Doch Investoren bezweifeln, dass die italienische Airline in absehbarer Zeit profitabel wird.
Die Lufthansa steigt nach monatelangen Verhandlungen mit zunächst 41 Prozent bei der italienischen Staatsfluglinie ITA ein. Eine Vereinbarung über den Kauf des Minderheitsanteils sei bei einem Treffen von Lufthansa-Chef Carsten Spohr mit Wirtschafts- und Finanzminister Giancarlo Giorgetti geschlossen worden, teilten die Lufthansa und die italienische Regierung am Donnerstag in Rom mit.
Vereinbart sei ein Kaufpreis von 325 Millionen Euro, erklärte die Lufthansa. Die Regierung in Rom werde 250 Millionen Euro in das Unternehmen einbringen. Es seien Optionen für eine vollständige Übernahme auf mittlere Sicht vereinbart worden, die von der Ertragslage und der Verschuldung von ITA abhängig sei.
ITA soll Aushängeschild Italiens bleiben
Die Lufthansa verhandelte seit Anfang des Jahres darüber, die Alitalia-Nachfolgerin ITA in ihr Netz von bisher neun Airline-Marken aufzunehmen und so ihre Position auf dem italienischen Markt zu stärken. Lufthansa-Chef Spohr sprach von einer "Win-win-Situation" für Italien, ITA und die Lufthansa. Die Airline könne den Wettbewerb stärken, was den Verbrauchern zugute käme. Die Integration von ITA in einen europäischen Luftfahrtkonzern markiere nach Jahrzehnten deren Ende als nationale Flaggschiff-Airline, erklärte Giorgetti. ITA bleibe aber ein Aushängeschild Italiens.
ITA Airways war aus der 2017 pleite gegangenen, chronisch defizitären Alitalia hervorgegangen. Die Lufthansa hatte die Übernahme schon seit etlichen Jahren im Blick, um auch Italien in ihr Netzwerk einzubinden, das Deutschland, Österreich, Belgien und die Schweiz umfasst. Doch Alitalia flog viele Jahre Verlust ein und musste vom Staat mit Milliarden gestützt werden.
Erst der Neustart als ITA nach Sanierung und Verkleinerung von Alitalia ließ die Lufthansa einen neuen Anlauf nehmen. Zwischenzeitlich sah es so aus, als käme eine Bietergruppe um den US-Finanzinvestor Certares mit Air France-KLM im Hintergrund zum Zug. Doch das zerschlug sich.
ITA-Flotte soll wachsen
Nach dem jetzt vereinbarten Geschäftsplan soll die Flotte der Airline von derzeit 71 auf 94 Flugzeuge wachsen. Die Zahl der Beschäftigten klettert schon in diesem Jahr dank vieler Neueinstellungen auf 4.300 und soll bis 2027 auf 5.500 wachsen, der Umsatz zugleich um vier Milliarden Euro steigen.
Derzeit befördert das Unternehmen gut zehn Millionen Passagiere im Jahr. Im vergangenen Jahr, ihrem ersten vollen Betriebsjahr, machte ITA fast eine halbe Milliarde Euro Verlust. Die Teilübernahme muss der EU-Kommission zur Genehmigung vorgelegt werden. Dabei ist mit einer monatelangen Prüfung zu rechnen.
Italien ist als drittgrößter Luftfahrtmarkt in Europa
Die Lufthansa verspricht sich von dem Kauf den nächsten großen Wachstumsschritt nach der 2017 abgeschlossenen Übernahme von Brussels Airlines. Nach der Corona-Krise versuchen die drei großen Luftfahrtkonzerne Europas, neben Lufthansa die British-Airways-Mutter IAG und Air France-KLM, ihre Marktanteile durch Übernahmen zu vergrößern.
Auf der europäischen Kurz- und Mittelstrecke will der Billigflieger Ryanair seine Dominanz noch ausbauen. Übernahmekandidaten sind auch die portugiesische Airline TAP, an der die Lufthansa ebenfalls Interesse bekundete, sowie die skandinavische SAS. ITA wäre in der Lufthansa-Gruppe, zu der neben der Hauptmarke Lufthansa auch Eurowings, die österreichische Austrian Airlines und Swiss aus der Schweiz gehören, der zwölfte Flugbetrieb.
Italien ist als drittgrößter Luftfahrtmarkt in Europa mit vielen Touristen und Geschäftsreisenden attraktiv. ITAs Drehkreuz, der Airport Rom-Fiumicino, soll vor allem bei Langstreckenflügen gestärkt werden und das Lufthansa-Netz erweitern. Der nach Umsatz größte europäische Luftfahrt-Konzern bündelt bisher an fünf Knotenpunkten – Frankfurt, München, Zürich, Wien und Brüssel – sein Langstreckengeschäft.
Während Spohr für ITA unter dem Dach der Lufthansa "gute Erfolgsaussichten" sieht, bezweifeln manche Analysten und Investoren, dass ITA nach der langen Geschichte hoher Verluste ihrer Vorgängerin Alitalia in absehbarer Zeit profitabel wird. Denn Europa-Flüge von und nach Italien sind fest in der Hand der Billigflieger Ryanair oder Easyjet. Auf der Langstrecke sind ITAs Marktanteile gering. Vermutlich werde die Lufthansa sich ein Hintertürchen offen lassen, falls ITA es nicht aus der Verlustzone herausschaffen sollte, sagte Branchenanalyst James Halstead. Sie gebe für eine nationale Airline nur soviel aus wie drei Flugzeuge kosteten. "Wenn sie in drei Jahren die Wende schaffen, könnte es interessant sein."
- Nachrichtenagentur Reuters