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CDU und SPD: Kartenzahlung ruft Empörung und Schmunzeln hervor


CDU und SPD
Das treibt mir Tränen in die Augen

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

Aktualisiert am 30.04.2025 - 14:29 UhrLesedauer: 3 Min.
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Friedrich Merz (CDU): Der kommende Kanzler will die Kartenzahlung durchsetzen. (Quelle: IMAGO/FRANK TURETZEK/imago)
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CDU und SPD einigen sich auf einen bemerkenswerten Punkt im Koalitionsvertrag, der große Empörung auslöst. Dabei gehen andere Länder viel weiter.

Man kann am Koalitionsvertrag der kommenden schwarz-roten Koalition viel kritisieren – Inhaltliches, aber auch die Vermeidung von Inhalten: Themen wie Rente oder die dringend nötige Sanierung unseres lichterloh brennenden Gesundheitssystems werden feige verschoben. Man muss eine Regierung bilden, da klammert man allzu Kompliziertes und Kontroverses lieber eckig aus und verweist auf noch zu gründende Kommissionen. Als hätte die Republik zu wenige Kommissionen. Aber nein. Die Zeiten sind schon ernst und die Umfragewerte von Union und SPD schlecht genug. Man will es sich nun nicht mit noch mehr Leuten versauen, also legt man sich erst mal nicht fest.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf X – wo sie über 120.000 Fans hat. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz". Mehr

Bei einem Thema aber, bei einem Eisen, heiß wie Frittenfett – da herrscht Einigkeit bei CDU, CSU und Sozialdemokraten. Da nimmt man keine Rücksicht auf staatspolitische Verantwortung und den ja immer wegen irgendwas wütenden Mob – nein, da geht man rein, da will man durchgreifen. Was ich meine? Diese Passage hier aus den 144 Seiten, die mir als Verbraucherin Tränen in die Augen treibt. Wohlgemerkt: Es sind Tränen des Glücks. "Wir stellen sicher, dass jeder weiterhin selbst entscheiden kann, wie er bei Geschäften des Alltags bezahlt. Das Bargeld als gängige Zahlungsform erhalten wir. Wir setzen uns für echte Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr ein und wollen, dass grundsätzlich Bargeld und mindestens eine digitale Zahlungsoption schrittweise angeboten werden sollen."

Dass ich das noch erleben darf. Keine "Nur Barzahlung"-Steinzeit mehr beim Bäcker, kein passiv-aggressives Schulterzucken mehr beim Asiaten, wenn ich mein Handy zücke, um zu zahlen. Es wäre ein neues Deutschland. Ein modernes.

Wir müssen aufholen

Früher, da meckerten wir erst mal, wenn wir aus dem Urlaub zurückkamen. Weil das Trinkwasser im Hotel nicht so sauber war wie unser deutsches. Weil man jedes Mal beim Bezahlen mit der fremden Währung über den Tisch gezogen wurde. Seit mehreren Jahren aber schwärmen wir. In Schweden Bus fahren? Völlig unkompliziert dank App, und zwar gefühlt seit 1999. Als wir hier noch hektisch nach Groschen suchten, um beim Busfahrer einen Fahrschein zu erwerben.

Den neuen Perso digital beantragen? Ha! Hierzulande lässt sich das Bundesinnenministerium gerade dafür feiern, dass wir unseren eigens auf dem Amt beantragten Ausweis dann per Post zugestellt bekommen. Und nicht mehr ein zweites Mal erscheinen müssen, um ihn persönlich abzuholen. In Spanien haben Sie übrigens seit 2007 laut Gesetz ein Recht auf digitale Behördengänge.

Sind wir dem Untergang geweiht?

Nun also das Bargeld. Des Deutschen liebstes Kind. Und des Steuerhinterziehers, klaro. Ähnlich wie bei Einführung der Bonpflicht ist das Entsetzen jetzt natürlich wieder groß. Der Überwachungsstaat, ist da von Spezialverschwörungsexperten in den üblichen digitalen Kommentarspalten zu lesen, sei nur noch eine Kartenzahlung entfernt. Wer digital bezahle, sei gläsern. Wir alle, ich wiederhole, wir alle, seien dem Untergang geweiht. Weil in Läden nun NEBEN der Barzahlung auch die mit Karte verpflichtend angeboten werden soll. Weil dann ja meine Bank, meine Kreditkartenfirma sehr genau wisse, was ich wann wo bezahlt habe. Mein Konsumverhalten, mein Bewegungsprofil – all das sei daraus ablesbar.

Nicht, dass hier ein Irrtum aufkommt: Das stimmt ja alles. Und ich habe nichts gegen Barzahlung. Mehr noch; ich verstehe, dass Leute weiter darauf bestehen. Aufgrund ihres Alters, weil sie sich nicht mehr auf digital umstellen wollen. Andere haben schlicht und einfach kein Bankkonto. Klingt vielleicht auch absurd – ist aber Realität für die Ärmsten, für die ohne Zuhause.

Eine Spirale der Empörung

Wieder andere wollen nicht, dass der Partner auf den gemeinsamen Kontoauszügen sieht, was man ihm wo und für wie viel Schönes zum Geburtstag gekauft hat. Oder der Geliebten. Gibt es alles, ist alles völlig okay.

Es geht aber ja erstens gar nicht darum, Bargeld abzuschaffen. Es geht darum, auch(!) Kartenzahlung anzubieten. So steht es deutlich lesbar im Koalitionsvertrag. Und zweitens, und nun wird es lustig: Ein großer Teil der noch größeren Wut ergießt sich in die sozialen Netzwerke, die Datenkraken schlechthin. Und sich dort in eine Spirale der Empörung hineinzuschrauben über das Vorhaben der wohl kommenden Koalition – das ist schon komisch. Wenn auch unfreiwillig.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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