Auch das ist Social Media Die schönste Liebesgeschichte des Jahres
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.In sozialen Medien werden viele falsche und grauenhafte Dinge verbreitet – manchmal aber auch wunderschöne und rührende Geschichten. Von einer erzählt unsere Kolumnistin.
Ist das nicht tragisch? Es gibt Geschichten, wahre Geschichten, die sind so schön, dass kein Mensch sie einem glaubt. Weil unsere Hoffnung auf das Wahre und Schöne vom Alltag so oft durchkreuzt wird. Heute habe ich so eine Geschichte für Sie – und jetzt kommt's: Ich kann sogar belegen, dass sie stimmt! Und es kommt noch besser: Social Media spielt nicht nur eine Rolle – nein, Social Media spielt sogar die Schlüsselrolle im Ganzen. Ich verspreche also nicht zu viel, wenn ich schreibe: Diese Kolumne könnte Ihren Glauben an die Menschheit in weiten Teilen wiederherstellen. In meinem Fall jedenfalls ist das gelungen.
Zur Person
Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf der Plattform X – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. In ihrem Podcast "Hopeful News" spricht Diekmann jede Woche mit einem Gast über die schönen, hoffnungsvollen – einfach GUTEN Nachrichten. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz".
Nun aber geht es los. Hanne, 20 Jahre alt, lebt in Berlin und geht am 1. Mai wie so viele andere los und feiert ein bisschen mit Freunden in einem Park. Dort lernt sie einen jungen Mann kennen. Hannes. Nein, das ist nicht ausgedacht, ich schwöre. Hanne und Hannes. Die beiden kommen miteinander ins Gespräch und finden sich sympathisch. Wollen sich wiedersehen. Hanne gibt Hannes ihre Adresse. Er verspricht, ihr eine Postkarte zu schreiben. Im Gegenzug drückt er ihr seine Sonnenbrille als Pfand in die Hand.
Warum die beiden nicht einfach ihre Telefonnummern austauschten? Das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich könnte es mir so erklären, dass die Stimmung zu romantisch für so einen gewöhnlichen Schritt war. Dass der Zauber des Augenblicks die beiden dazu verleitete, das Schicksal ein bisschen herauszufordern, um sich ganz sicher sein zu können, füreinander bestimmt zu sein. Wenn der Plan aufgeht.
Der aber droht zu scheitern. Vier Wochen später nämlich postet Hannes Mutter auf Instagram zwei Fotos. Ich verbürge mich für die Echtheit der Geschichte, denn ich kenne Hanne und ihre Mutter seit vielen Jahren persönlich.
Hannes' verlorener Liebesbrief
Das erste Foto zeigt die Sonnenbrille von Hannes. Das andere eine junge Frau, die vor einer umgekippten Papiertonne kniet, halb drin steckt, davor Papierberge. Darunter, in der sogenannten Caption, bittet Hannes Mutter um Hilfe. Sie erzählt vom Kennenlernen der beiden jungen Leute, von der Verabredung – und vom weiteren Verlauf: "Jeden Tag ging mein Kind an den Postkasten. Keine Karte, sie konnte sich das nicht erklären. Und trug täglich seine Sonnenbrille. Vor drei Tagen dann sprach eine Nachbarin sie an. 'Hey, bist du Hanne?', fragte sie, 'hast du den Brief bekommen? Von dem jungen Mann, der hier war und nach dir gesucht hat?' Es stellte sich heraus, dass Hannes vor Hannes Haus war, sich offenbar nicht genau an den Nachnamen erinnern konnte und sich auf den Weg gemacht hatte, um nach ihr zu suchen. Er klebte einen Brief an die Hauseingangstür, schrieb 'Für Hanne' darauf. Der Brief muss einige Tage an der Tür gehangen haben. Aber meine Tochter hat ihn nie gesehen. Das Haus hat zwei Eingänge, und sie nutzt stets den anderen. Irgendwann war der Brief weg. Das Kind ist so traurig. Bitte helft mit, den jungen Mann zu finden!"
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Was folgte, kennt man unter "Welle der Hilfsbereitschaft". Eine feststehende Wendung, die wie alles, was man oft liest, zur Floskel geworden ist. Die Geschichte von Hanne und Hannes aber füllt sie mit Leben. Denn der Post von Hannes Mutter wurde auf Instagram und Facebook tausendfach geteilt, so sehr rührte die Geschichte viele Menschen an, so doll hofften völlig Unbeteiligte auf ein Happy End für Hanne und Hannes. Derart große Kreise zog die Geschichte rund um den Hashtag #HanneSuchtHannes, dass sie rüberschwappte in die sogenannten etablierten Medien. Berliner Radiosender berichteten. Der "Tagesspiegel" beteiligte sich. Mindestens die halbe Hauptstadt, so wirkte es nach wenigen Tagen, drückte Hanne und Hannes nicht nur die Daumen, sondern packte tatkräftig mit an, um die beiden zueinander zu bringen.
Erfolgreiche Suche auf Instagram
Und, Sie ahnen es bereits: Mit vereinten Kräften fanden die beiden tatsächlich zueinander. Ich zitiere erneut Hannes Mutter auf Instagram, nur zwei Tage nach ihrem Hilferuf: "An alle lieben Menschen da draußen: Kaum zu glauben, aber wahr – Hannes ist gefunden! Gestern Abend stand er bei meiner Tochter erneut vor der Tür. Durch den Vater eines Freundes hat er von Hannes Suche erfahren und sich noch einmal auf den Weg zu ihr gemacht. Weitere Einzelheiten entziehen sich meiner mütterlichen Kenntnis. Nur so viel: Auch beim zweiten Treffen war man sich sympathisch."
Ein Happy End ist das natürlich noch nicht – aber ein very happy Etappenerfolg. Vor allem für Hanne und Hannes, logisch. Aber auch für uns alle. Denn sie ist real: die Hilfsbereitschaft vieler Menschen. Und die Magie, die die sozialen Netzwerke neben allem Schlechten ja zu leisten imstande sind. Hanne und Hannes wünschen wir natürlich, dass es so schön für sie weitergeht – und dass nicht alle, die sich beteiligt haben, im Falle des Falles zur Hochzeit eingeladen werden wollen. Das dürfte sehr ins Geld gehen. Wobei – wenn die Geschichte konsequent so weitergeht, könnte dann ja per Crowdfunding eine Riesenhochzeit zustande kommen. Ich halte Sie auf dem Laufenden!
- Eigene Meinung