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Rechte Kommentare im Netz: "Es gibt eine Tendenz zu älteren Männern"


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Rechte Kommentare im Netz
Staatsanwalt: "Es gibt eine Tendenz zu älteren Männern"

InterviewVon Ali Vahid Roodsari

Aktualisiert am 25.02.2020Lesedauer: 6 Min.
Gestellte Aufnahme eines Hasskommentars: In Sozialen Netzwerken verlieren viele Anhänger von AfD und Pegida ihre Hemmungen.Vergrößern des Bildes
Gestellte Aufnahme eines Hasskommentars: In Sozialen Netzwerken verlieren viele Anhänger von AfD und Pegida ihre Hemmungen. (Quelle: Thomas Trutschel/photothek.de/imago-images-bilder)
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Nach dem Anschlag in Hanau steht Hass im Netz erneut im Fokus. Staatsanwalt Christoph Hebbecker beschäftigt sich seit 2018 mit dem Thema. Im Interview spricht er über die Urheber und darüber, wie die Justiz gegen Hasspostings vorgeht.

Am 19. Februar erschoss ein Attentäter im hessischen Hanau neun Menschen. Ein Bekennerschreiben und ein Video deuten auf ein rassistisches Motiv hin. Nach dem Anschlag kritisierten Politiker daher die AfD, aber auch rechte Onlinehetze stand erneut im Fokus. So fordert Thüringens Ex-Innenminister Georg Maier etwa, rechte Onlinehetze stärker zu beobachten.

Die nordrhein-westfälische Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) beschäftigt sich schon seit 2017 mit sogenannten Hasspostings. Seit Februar 2018 können Medienpartner solche Beiträge bei der Stelle melden. Ziel ist es, Täter von strafrechtlich relevanten Postings vor Gericht zu bringen. Einer der beiden für das Projekt verantwortlichen Staatsanwälte ist Christoph Hebbecker. Im Interview erklärt er, warum seine Arbeit nicht die Meinungsfreiheit gefährdet, wer hinter Hasspostings steckt und warum eine Klarnamenpflicht nicht die Lösung ist.

t-online.de: Herr Hebbecker, mit dem Projekt "Verfolgen statt Löschen" arbeiten Sie daran, dass Urheber von Hasspostings im Netz gerichtlich verfolgt werden. So mancher würde sagen, dass Sie die Meinungsfreiheit einschränken. Was antworten Sie solchen Leuten?

Christoph Hebbecker: Den Vorwurf hören wir öfter. Aber wir sind keine Zensurbehörde, wir verfolgen Straftaten. Und wir sehen unser Projekt eher als Beitrag zur Gewährleistung der Meinungsfreiheit im Internet. Denn eine Gefahr für die Meinungsfreiheit besteht auch dort, wo Kommentarspalten wegen zu viel Hetze gelöscht werden müssen. Oder wenn Journalisten bestimmte Inhalte Freitagnachmittag nicht mehr veröffentlichen können, da die Kommentarspalten nicht zu moderieren wären. Wenn wir Straftaten im Internet konsequent verfolgen, kann das eher dazu führen, dass Straftäter aus dem digitalen Raum verdrängt werden. So trauen sich auch wieder mehr Leute in die Diskussionsräume, die sich dort legal bewegen möchten.

Inwiefern sind Hasspostings eine Straftat?

Einen Strafbestand Hassposting gibt es nicht. Wenn wir von Hasspostings sprechen, reden wir von Inhalten, die wir unter klassischen Strafbeständen subsumieren. Das kann eine Beleidigung, Bedrohung oder Volksverhetzung sein. Wir müssen da genau schauen: Was begründet den Anfangsverdacht einer Straftat und was ist einfach nur moralisch verwerflich.

Haben Sie ein konkretes Beispiel für einen Fall?

Bei einem Fall hatte ein Nutzer einen Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg gepostet, der ein Maschinengewehr trug. Darunter der Text: "Das schnellste deutsche Asylverfahren, lehnt bis zu 1.400 Asylanträge in der Minute ab." Dazu noch Kommentare wie: "Lass die Räder wieder rollen, macht die Öfen wieder an." So ein Posting steht stellvertretend für vieles, was wir in der täglichen Arbeit sehen. In diesem Fall konnten wir den Nutzer auch ermitteln, er erhielt eine Bewährungsstrafe.

Und wurde er dann einsichtig?

Ich habe keine Einsicht gesehen. Er schien eher beeindruckt vom Ermittlungsverfahren.

Nach dem Anschlag in Hanau forderte Thüringens Ex-Innenminister Georg Maier, rechte Onlinehetze mehr zu beobachten. Wie schätzen Sie das ein?

Christoph Hebbecker: Wir sollten jedenfalls konsequenter dagegen vorgehen. Denn unseren Auswertungen zufolge ist eine überwiegende Anzahl der Postings dem rechten und teilweise auch dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. Und wir identifizieren mehr Männer als Frauen – es gibt besonders eine Tendenz zu älteren Männern. Das heißt aber nicht zwingend, dass mehr ältere Männer Verfasser von Hasspostings sind. Es kann auch einfach sein, dass sie weniger netzaffin sind und deswegen einfacher zu ermitteln.

Das Netz ist ja voll von solchen Hasspostings. Wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit vor, um entsprechende Inhalte zu finden?

Wir arbeiten mit Medienpartnern und der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen zusammen und haben auch Schulungen mit den Redakteuren durchgeführt. Die können uns dann über eine Plattform verdächtige Inhalte in ihren Kommentarspalten, beispielsweise in den sozialen Medien, melden. Wir schauen uns die Postings an, bei einem Anfangsverdacht leiten wir ein Ermittlungsverfahren ein. Wenn der Beschuldigte außerhalb von NRW sitzt, dann geben wir das an die jeweilige Staatsanwaltschaft weiter.

Wie viele Verfahren haben Sie seit Beginn Ihrer Arbeit eingeleitet?

Seit wir das Projekt "Verfolgen statt Löschen" gestartet haben, haben wir etwa Tausend Strafanzeigen bekommen. Und in etwas mehr als der Hälfte der Fälle haben wir auch ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

In einem Artikel in der "Welt" von August 2019 sprachen Sie auch über Hasspostings. Hier sagen Sie, dass Sie sich Sorgen machen, dass "Worten durchaus auch Taten folgen können". Sehen Sie Ihre Sorgen mit den Ereignissen der vergangenen Monate, wie Hanau, Halle oder dem Mord an Politiker Walter Lübcke, bestätigt?

Ich bin grundsätzlich der Ansicht, dass jetzt nicht der Zeitpunkt ist, sich irgendwie bestätigt zu fühlen. Stattdessen sollten wir an Lösungsansätzen arbeiten, wie wir die Arbeit der Justiz im Bereich Hasskriminalität verbessern können.

Haben Sie ein Thema, das für das Digital-Ressort interessant sein könnte? Oder wünschen Sie sich ein Ratgeberstück mit Digitalbezug? Schreiben Sie uns eine Mail an "leseraufruf@t-online.de"

Haben Sie da Ideen?

Wir sollten uns überlegen: Wie schaffen wir es, effektivere Strafverfolgung im Bereich der Hasskriminalität zu betreiben? Wie schaffen wir es, mehr Verfasser von strafbarer Hassrede im Internet aus der Anonymität zu holen? Und wie schaffen wir es, als Justiz ein deutliches Zeichen zu setzen, dass die Regeln aus der analogen Welt auch in der digitalen Welt gelten?

Das Netzwerkdurchsuchungsgesetz (NetzDG) soll ja entsprechend erweitert werden. Beispielsweise sollen soziale Medien verpflichtet werden, Hasspostings nicht nur zu löschen, sondern auch anzuzeigen. Was halten Sie von der Idee?

Die Reform des NetzDG ist grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung. Das wird sicherlich dazu führen, dass wir eine größere Zahl an Ermittlungsverfahren in diesem Bereich haben werden. Aber hier kommen die Probleme.

Die wären?

Zum einen werden wir mehr Personal brauchen. Wir sind in Nordrhein-Westfalen jetzt zwei Staatsanwälte, die sich ausschließlich mit der Thematik beschäftigen. Das wird dauerhaft sicherlich nicht reichen. Zum anderen muss man die Meldepflicht so gestalten, dass der Meinungsfreiheit und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung getragen wird. Wir müssen Mechanismen entwickeln, die sicherstellen, dass nur Daten von Betreibern der sozialen Netzwerke an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden, wenn tatsächlich ein Anfangsverdacht im Hinblick auf die Begehung einer Straftat vorliegt. Denn nur dann können solche Maßnahmen verhältnismäßig sein. Und nur dann haben wir auch eine Chance, dass so etwas auf die Akzeptanz bei der Netzgemeinde stößt.

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Viele Nutzer würden in der Realität ja niemals menschenverachtende Kommentare in der Öffentlichkeit ablassen. Im Netz scheint die Hemmschwelle geringer. Wir erklären Sie sich das?

Ich denke, dass manche Menschen meinen, die Regeln der analogen Welt würden in der digitalen Welt nicht gelten. Und der andere Teil der Nutzer weiß wohl, dass solche Hasskomentare strafrechtlich relevant sein könnten. Aber die gehen davon aus, dass keine Strafverfolgung stattfindet.

So mancher Politiker fordert ja gern eine Klarnamenpflicht. Das soll bei Nutzern die Hemmschwelle steigern, dass sie Hasspostings veröffentlichen. Befürworten Sie die Klarnamenpflicht?

Wir sind gegen eine Klarnamenpflicht. Die würde eine Vielzahl von Möglichkeiten beschneiden, mit der Nutzer das Netz legal verwenden können. Es ist nachvollziehbar und auch rechtskonform, dass die Leute beispielsweise bei politisch heiklen oder sexuellen Themen anonym diskutieren möchten. Ganz abgesehen davon kann ich mir nicht vorstellen, wie eine solche Klarnamenpflicht technisch umzusetzen wäre. Wir würden uns eher wünschen, dass Betreiber sozialer Plattformen verpflichtet werden, auf Anfrage von uns auch die gewünschten Daten liefern zu müssen. Das ist derzeit nämlich nicht so.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den sozialen Netzwerken denn generell ab?

Durchwachsen: Mit Google klappt es ganz gut. Mit Facebook eher schlecht und mit Twitter sehr schlecht. Extrem schlecht ist die Zusammenarbeit mit russischen Plattformen. Viele Leute gehen ja von Facebook zu solchen Seiten. Und da ist die Zusammenarbeit desaströs.

Ein Argument ist auch, dass Täter sich durch solche ungehemmte Hetze im Netz selbst radikalisieren können. Beim Attentäter von Christchurch war das ja beispielsweise der Fall. Wie sehen Sie das?

Aus unserer Sicht liegt es auf der Hand, dass eine Verrohung der Sprache zu einer Enthemmung führen kann. Und so eine Enthemmung kann zu einer konkreten Straftat in der realen Welt führen. Das überrascht mich ehrlich gesagt nicht. Aber wir werden dieses Problem niemals mit dem Strafrecht allein in den Griff bekommen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Im Optimalfall bestrafen wir ja nicht nur, sondern sorgen auch für eine veränderte Geisteshaltung.

Wie können Bürger denn helfen?

Niemand sollte mit der Haltung im Netz unterwegs sein: Das ist das Internet, damit muss man leben. Wer im Netz Straftaten sieht, sollte sie anzeigen – so wie man es in der analogen Welt auch machen würde. Wir können ja nur etwas verfolgen, wenn wir davon wissen. Darum sind wir auf Mithilfe von Bürgern angewiesen.

Macht es eigentlich etwas mit Ihnen, wenn Sie sich den ganzen Tag mit Hass und Hetze abgeben müssen?

Als Staatsanwalt gehört es zum Berufsbild, dass man mit den schlechten Seiten der Menschheit konfrontiert ist. Ich glaube aber, dass beispielsweise die Kollegen in den Sexualabteilungen deutlich größeren Belastungen ausgesetzt sind. Die müssen sich etwa kinderpornografische Inhalte angucken. Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich mit solchen Hasspostings ganz gut umgehen kann.

Herr Hebbecker, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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