Live-Stream bei Twitch Wie sich das Video des Attentats von Halle im Netz verbreitete
Der Attentäter von Halle filmte seine Taten und übertrug sie live im Internet. Mehr als 2.000 Menschen sahen das Video auf Twitch. Doch gegen die Verbreitung im Internet ist die Plattform machtlos.
Der Attentäter von Halle hatte nicht nur geplant, möglichst viele Juden zu töten. Er wollte bei seinem Amoklauf auch vor ein großes weltweites Publikum treten. Er suchte sich für den Live-Stream die Web-Plattform Twitch aus, die zu Amazon gehört. Hier streamen vor allem Gamer ihre Computerspiele, darunter Shooter-Games wie "League of Legends", "World of Warcraft", "Fortnite", aber auch Sportsimulationen wie "Fifa 20" und andere Spiele. Es gibt auf Twitch auch eine Kategorie "In Real Life", in der Videos veröffentlicht werden, die sich mit anderen Themen beschäftigen.
Der mutmaßliche Attentäter hatte sein Twitch-Konto erst vor zwei Monaten eröffnet und in dieser Zeit nur ein Video hochgeladen. Das im Netz aufgetauchte "Manifest" des Angreifers legt nahe, dass er nicht unbedingt bei Twitch zu Hause war, sondern auf der Internet-Plattform 8chan, die bei Rassisten sehr beliebt ist. Auf dem Portal werden Anschläge und Amokläufe gefeiert und der Hass zelebriert.
Der Live-Stream als Propaganda-Instrument
Der Stil des Forums ist aber auch von vermeintlich ironischen Memes und geschmacklosen Witzen geprägt. Nach dem Amoklauf in einem Walmart-Kaufhaus in El Paso im US-Bundesstaat Texas Anfang August ging 8chan offline, auch weil technische Dienstleister wie Amazon den Stecker zogen. Deshalb musste sich der Halle-Attentäter eine neue Plattform suchen.
In dem auf Englisch geschriebenen Manifest betont der Attentäter gleich zwei Mal, wie wichtig es ihm ist, dass seine Tat live ins Internet übertragen wird. "Erhöhe die Moral von anderen unterdrückten Weißen, in dem die Aufzeichnung des Kampfeinsatzes verbreitet wird", heißt es dort. Und: "Verbreite einen erfolgreichen Live-Stream."
Verbreitung auf einschlägigen Foren
Allerdings erreichte der Angreifer im ersten Schritt sein Propaganda-Ziel kaum. Lediglich fünf Twitch-Nutzer verfolgten den Stream in Echtzeit. Immerhin 2.200 Menschen schauten sich danach die 35 Minuten lange Aufzeichnung an, bevor Twitch das Treiben mitbekam und das Video auf der Plattform sperrte.
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Die Zeit reichte aber aus, die giftige Botschaft aus Halle in andere Netzwerke überschwappen zu lassen. Megan Squire, Computer-Wissenschaftlerin an der Elon University im US-Bundesstaat North Carolina, fand in einer ersten Analyse heraus, dass das Video innerhalb von 30 Minuten über öffentliche Kanäle des Messengers Telegram rund 15.600 Nutzer erreicht hat. Das Video tauchte auch schnell im Web-Forum 4chan auf, in dem sich auch unzählige Trolle und Hassprediger versammeln.
- Nachrichtenagentur dpa