TV-Tipp Wozu Menschen imstande sind: "Die Wannseekonferenz"
Berlin (dpa) - Das Grauen verbirgt sich hinter Worthülsen. Die 15 Männer am blankgewienerten Konferenztisch sprechen von "Evakuierung" und "Sonderbehandlung", von optimierten Abläufen und einzigartigen Organisationsaufgaben, von "natürlicher Verminderung" und "rassischer Flurbereinigung".
Gemeint ist die systematische Ermordung von Millionen europäischer Juden.
Der ZDF-Film "Die Wannseekonferenz" (24. Januar, 20.15 Uhr) wirft zum 80. Jahrestag noch einmal den Blick zurück auf jene "Besprechung mit anschließendem Frühstück", bei der hohe NS-Funktionäre am 20. Januar 1942 die von ihnen sogenannte Endlösung der Judenfrage besprachen. Regisseur Matti Geschonneck zeigt das historische Ereignis als unterkühltes Kammerspiel, als bürokratisches Aktenschieben und eitles Kompetenzgerangel. Es wird um Details gefeilscht, doch niemand hat offenbar grundsätzliche Zweifel. Es macht unruhig, das mit anzusehen.
Zehntausende Menschen nach Osteuropa verschleppt
Das ZDF stellt dem Film eine Dokumentation zur Seite, was hilfreich ist, die komplexen historischen Zusammenhänge zu verstehen. Zum Zeitpunkt der Wannseekonferenz - benannt nach dem Tagungsort in einer zum SS-Gästehaus umfunktionierten Villa am Großen Wannsee in Berlin - ist die systematische Ermordung der Juden Europas durch die deutschen Nationalsozialisten bereits im Gange. Zehntausende sind aus dem Deutschen Reich in besetzte Gebiete Osteuropas verschleppt, dort ansässige Juden sind massenhaft erschossen worden. Jetzt geht es darum, die Deportationen und das Morden zu beschleunigen.
Damit beauftragt ist der SS-Offizier Reinhard Heydrich. Der wiederum lädt die Funktionäre ein, deren Unterstützung er für sein schreckliches Werk benötigt. Dazu zählen Offiziere wie der NS-Cheflogistiker Adolf Eichmann, Vertreter aus den besetzten Ostgebieten, aber auch Beamte aus Berliner Ministerien.
Gestützt auf Eichmann-Protokoll
Das Filmskript von Magnus Vattrodt stützt sich auf das von Eichmann angefertigte Protokoll der Besprechung, das akribisch die bis dahin schon vollzogene Repression gegen die jüdische Bevölkerung beschreibt, die Zahlen des geplanten Völkermords und die Definition jener, die davon betroffen sein sollten - sogenannte Volljuden, sogenannte Halbjuden, sogenannte Mischlinge ersten und zweiten Grades.
Wie stellt man sich als Schauspieler diesem Wahnsinn, dieser Sprache, diesen Charakteren? "Zu wissen, das war so, das ist unsere Geschichte, das ist sehr belastend", sagt der Österreicher Philipp Hochmair, der im Film Reinhard Heydrich verkörpert. "Es ist ganz anders, als im 'Tatort' am Sonntag einen Psychopathen zu spielen, denn der ist erfunden. Aber hier fragt man sich, wie kam es zu sowas? Wie ist sowas überhaupt möglich, wie können Menschen sowas machen?" Das sei letztlich nicht zu beantworten.
Sein Kollege Frederic Linkemann stellt den in Lettland für Massenerschießungen verantwortlichen Kommandeur Rudolf Lange dar und damit den wohl düstersten Charakter am Konferenztisch. Linkemann erzählt, Regisseur Geschonneck habe den Schauspielern eher abgeraten, sich intensiv über ihre historischen Figuren zu informieren. "Er wollte nicht, dass ich diesen "Metzger" spiele. Deshalb habe ich mich fast nicht vorbereitet auf diese Rolle. Ich habe versucht, so normal wie möglich zu spielen. Das war sehr viel schlimmer. Der nette Typ von nebenan: Das kann doch gar nicht sein."
Geschonneck selbst sagt: "Wir wollen vor Augen führen, wozu Menschen imstande sind." Er führt es vor Augen. Zuschauer müssen es aushalten.