Schnieke Serien-Schurken Außen hui: Arschgeigen in Armani-Anzügen
Dass hinter feiner Fassade das Grauen lauert, ist seit jeher ein gern genutzter Topos der Geschichtenerzähler. Denn eine gute Story steht und fällt mit ihrem Schurken. Darum schicken Serienmacher gegen die Guten immer wieder Antagonisten in den Ring, die im Maßanzug fiese Machenschaften aushecken.
Psychologen nennen es den "Halo-Effekt" (Halo = englisch: Heiligenschein). Er besagt, dass unsere Wahrnehmung ein dominantes Attribut einer Person unwillkürlich auf andere Wesensbereiche überträgt. Sieht einer also gut aus, kommt blankpoliert und gestriegelt daher, schreiben wir ihm unbewusst auch andere positive Eigenschaften zu, wie Intelligenz, Freundlichkeit oder einen lauteren Charakter.
Genau das machen sich Serien-Schaffende zu nutzen, wenn sie uns Staffel um Staffel einen Fiesling im feinen Zwirn vorführen, der uns trotz aller charakterlicher Verderbtheit irgendwie ans Herz wächst. Wir haben einige zusammengetragen, bei denen es besonders gut funktioniert hat.
Wilson Fisk (Serie: "Daredevil"; Darsteller: Vincent D’Onofrio)
Als Unternehmer und heimlicher Herrscher des New Yorker Stadtteils "Hell's Kitchen" legt der Gangsterboss Wilson Fisk viel Wert auf Stil und Etikette. Er ist Kunstliebhaber, hört klassische Musik, speist in Nobelrestaurants und gönnt sich auch in Sachen Garderobe nur das Erlesenste. Besonders wichtig ist ihm die Auswahl der richtigen Manschettenknöpfe. Das kultivierte Äußere ist freilich nur Fassade: In seinem Machtstreben ist Fisk gewissenlos und berechnend. Außerdem neigt er zu Ausbrüchen extremer Gewalt, bei denen er schon mal persönlich den Schädel eines Kontrahenten mit einer Autotür zertrümmert.
Hannibal Lecter (Serie: "Hannibal"; Darsteller: Mads Mikkelsen)
Hannibal Lecter tötet Menschen, schneidet ihnen die Eingeweide raus und bereitet daraus kulinarisch ansprechende Gerichte. Für den Psychopathen allerdings kein Grund, sich nicht anständig zu kleiden. Trafen wir den kultivierten Kannibalen in "Das Schweigen der Lämmer" zumeist noch in Sträflingskluft, hüllt er sich in seiner eigenen TV-Serie in schnieke Outfits. Als Psychiater ist er angesehenes Mitglieder der High Society von Baltimore, bei seinen regelmäßigen Festessen bekocht er seine Nobelgäste persönlich. Dass er die Zutaten für seine makaberen Mahlzeiten als der gesuchte Serienmörder "Chesapeake Ripper" erbeutet, ist seinen Tischgästen natürlich nicht klar.
Der Raucher (Serie: "Akte X"; Darsteller: William B. Davis)
Glimmstängel, dunkle Krawatte, knittriges weißes Hemd und ein Sakko, in dem er wahrscheinlich die letzten drei Nächte geschlafen hat. Das sind die unverkennbaren Insignien des geheimnisvollen Intriganten, der bei "Akte X" nur "Der Raucher" oder "Der Krebskandidat" genannt wird. Sein richtiger Name lautet C.G.B. Spender, was Mulder und Scully aber erst etwa sechs Jahre nach dem ersten Treffen erfahren. Der Raucher ist Mitglied der Geheimorganisation "Das Syndikat" und widmet sich der Aufgabe, die Existenz von Außerirdischen und damit zusammenhängende Verschwörungen geheim zu halten.
Jim Moriarty (Serie: "Sherlock"; Darsteller: Andrew Scott)
In Jim Moriarty findet Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) einen Widersacher auf Augenhöhe. Als eine Art Geschäftsmann kommt er im sportlichen Business-Look daher und trägt bevorzugt Anzüge von Vivienne Westwood. Er betreibt "kriminelles Consulting", lässt sich also für ausgetüftelte schurkische Pläne bezahlen. Um die Tat selbst geht es ihm dabei allerdings nicht. Wie bei Sherlock ist es Moriartys wichtigstes Anliegen, seine überlegene Intelligenz unter Beweis zu stellen. In dem Meisterdetektiv sieht er den einzigen Menschen, dessen geistige Fähigkeiten den seinen ebenbürtig sind.
Gustavo Fring (Serie: "Breaking Bad;" Darsteller: Giancarlo Esposito)
Auf seinem Weg vom eingeschüchterten Chemielehrer zum Drogenmogul hatte es Walter White (Bryan Cranston) mit kleinkriminellen Dealern, abgebrühten Kartell-Killern und gewissenlosen Neo-Nazis zu tun. Doch keiner von ihnen hatte so viel Klasse wie Gustavo "Gus" Fring. Unter dem Deckmantel der Fast-Food-Kette "Los Pollos Hermanos" leitet er den größten Methamphetamin-Ring im Südwesten der USA und geht dabei extrem kaltschnäuzig und manipulativ vor. Seine beherrschte Art, sein gepflegtes Äußeres und sein freundschaftliches Verhältnis zur Drogenbehörde DEA halten ihm die Ermittler vom Hals.
Frank Underwood (Serie: "House of Cards"; Darsteller: Kevin Spacey)
Bei ihm ist der Anzug eindeutig Berufskleidung: Durch Intrigen und mehrfachen Mord steigt Meister-Machiavellist Francis J. Underwood in kürzester Zeit vom einfachen Kongressabgeordneten zum Präsidenten der Vereinigten Staaten auf. Schon in der allerersten Episode erwürgt Frank einen angefahrenen Hund und belehrt dabei das Publikum, dass es in der Politik Menschen wie ihn brauche, die in den entscheidenden Momenten die Initiative ergreifen. Ab dieser Einführung ist klar, dass man es hier nicht mit einem Blümchen-Streichler zu tun hat.
Tony Soprano (Serie: "Die Sopranos"; Darsteller: James Gandolfini)
Ob er der Böse oder der Gute ist, lässt sich im Fall von Anthony "Tony" Soprano nur schwer sagen. Natürlich hegt man Sympathien für den psychisch zerrütteten Mobster, unangenehmerweise ist er aber als Oberhaupt der DiMeo-Familie zu Skrupellosigkeit und Machismo verdammt - auch Morde kommen berufsbedingt immer wieder vor. Er wird von Panikattacken geplagt und konsultiert daher die Psychotherapeutin Dr. Jennifer Melfi. Um vor seinen Gangsterkollegen keine Schwäche zu offenbaren versucht er allerdings, seine Psychoprobleme geheim zu halten.
J.R. Ewing (Serie: "Dallas"; Darsteller: Larry Hagman)
Unten hui, oben Hut: Als waschechter Texaner verschattet der Öl-Magnat J.R. Ewing sein sardonisches Grinsen gerne mit einem Stetson. Bis heute ist das "Dallas"-Publikum dem Chef von Ewing Oil in inniger Hassliebe verbunden: Man liebt ihn einfach dafür, dass er so schön fies ist. Außer zu Mord greift er zu jedem Mittel, um seine privaten und geschäftlichen Ziele zu erreichen, nicht selten zum Leidwesen seiner Familie. Dabei macht er sich natürlich allerhand Feinde, von denen ihn schließlich einer hinterrücks über den Haufen schießt. Die Folge, in der die Identität des Schützen gelüftet wurde, brach in den 1980er Jahren sämtliche Zuschauerrekorde.
Mr. Burns (Serie: Die Simpsons)
Er trägt nicht nur immer Anzug, sondern sogar immer denselben: Auf den blaugrünen Zweiteiler zu weißem Hemd und Krawatte ist bei Charles Montgomery Burns ebenso Verlass wie auf seinen Charakter, der stets Schurkisches ausheckt. In Sachen Schlechtigkeit sucht der milliardenschwere Atomkraftwerk-Betreiber Im Simpson-Städchen Springfield seinesgleichen. Glücklicherweise machen Senilität und schiere Schusseligkeit viele seiner düsteren Vorhaben im entscheidenden Augenblick zunichte.
Thomas Barrow (Serie: Downton Abbey; Darsteller: Rob James-Collier)
Dass er immer superschnieke daherkommt, liegt an Thomas Barrows Job: Er ist der Kammerdiener des Grafen von Grantham. In dieser Funktion spinnt er Intrigen am laufenden Band und ist sich für keine Fieselei zu fein. Seinem Kollegen empfiehlt er eine starke Säure als Fleckenenferner für einen besudelten Frack, dem gehbehinderten Mr. Bates hängt er einen Diebstahl an, dem armen Dienstmädchen Daisy macht er unbegründete Hoffung auf eine gemeinsame Zukunft. Dass Thomas zu Beginn des 20. Jahrhunderts seine Homosexualität verheimlichen muss, trägt ihm zwar bisweilen das Mitleid der Zuschauer ein, täuscht aber nicht über seinen hinterhältigen Charakter hinweg.
Der Joker (Serie: "Batman", Darsteller: Cesar Romero)
Er darf natürlich nicht fehlen: Der Clownprinz des Verbrechens. Wann immer der Joker Batman das Leben zur Hölle macht, trägt er dabei Maßanzug. Jackett und Hose sind stets lila, in der Regel wahlweise kontrastiert mit grüner oder gelber Weste auf grünem oder gelbem Hemd. Seinen ersten Auftritt als Real-Figur hatte der psychopathische Harlekin in der "Batman"-Fernsehserie aus dem Jahr 1966. In 18 Episoden wurde der Joker von Cesar Romero verkörpert, der den clownenden Schurken passend zum Gesamtkonzept der Serie als ziemlich alberne Figur porträtierte.
Russell Edgington (Serie: True Blood; Darsteller: Denis O’Hare)
Mit seinen 2900 Jahren hat Russell Edgington manche Mode kommen und gehen sehen und weiß daher, wie man sich angemessen herausputzt. Was wäre auch ein düsterer Dracula-Abklatsch ohne elegante Robe? Als König herrscht Edgington über die Vampire von Mississippi. Nach außen gibt er sich gerne elegant und charmant, verfolgt aber nichts weniger, als die Menschheit unter das Joch der Vampirherrschaft zu zwingen.