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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Rund 100 Mitarbeiter rebellieren NDR-Intendant gerät nach Brandbrief weiter unter Druck
Fast 100 Mitarbeiter des NDR konfrontieren Intendant Joachim Knuth mit einem Brandbrief. Darin fordern sie personelle Konsequenzen. Die Antwort bleibt vage.
Krisenmodus beim NDR: Nach dem Wirbel der letzten Wochen kommt die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt nicht zur Ruhe. Wie t-online aus Senderkreisen erfuhr, liegt der Intendanz ein Brandbrief von rund 100 Mitarbeitern vor. Darin heißt es unter anderem, eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit den Führungskräften des NDR-Landesrundfunkhauses Schleswig-Holstein sei nicht mehr vorstellbar.
Das Schreiben an NDR-Intendant Joachim Knuth wurde nach t-online-Informationen am vergangenen Freitag verschickt. Es beginnt mit den Worten: "Sehr geehrter Herr Knuth, diese Wochen sind für uns, feste und freie Mitarbeiter*innen des NDR-Landesfunkhauses Schleswig-Holstein und den dazugehörigen Außenstudios Flensburg, Lübeck, Heide und Norderstedt, eine bis an die Grenze der Belastbarkeit fordernde Zeit." Anschließend fordert die Belegschaft personelle Konsequenzen.
Mitarbeiter des NDR sprechen von "Angst"
"Einzelne Führungskräfte haben über Jahre einen Führungsstil geprägt und gelebt, der zu viele Kolleg*innen in Angst versetzt, zu oft Wertschätzung, Fehlerkultur und schließlich inhaltliche Auseinandersetzung hat vermissen lassen", skizzieren die Unterschreiber des Briefes die aus ihrer Sicht desaströse Situation. Trotz der eingeleiteten Untersuchungen bestehe weiterhin der Eindruck, "dass es bei den involvierten Führungskräften keinen wirklichen Willen zu Aufklärung und Verständigung" gebe.
Hintergrund ist eine NDR-Affäre, die am 27. August mit einer Veröffentlichung von "Business Insider" ins Rollen gebracht wurde. Der Vorwurf: Führungskräfte beim Sender hätten Einfluss auf die kritische und unabhängige Berichterstattung einzelner Journalisten der ARD-Anstalt genommen – und damit die CDU-geführte Landesregierung geschont. Mehr dazu lesen Sie hier. Im Zuge der Enthüllungen ließen Norbert Lorentzen und Julia Stein ihre Ämter ruhen. Lorentzen war Chefredakteur des NDR für Schleswig-Holstein, Stein dort für die Politikberichterstattung verantwortlich.
Knuth nimmt zum Brandbrief Stellung
Außerdem befindet sich Landesfunkhausdirektor Volker Thormählen im unbezahlten Urlaub. Das hatte Joachim Knuth am 1. September mitgeteilt. Demnach habe ihn Thormählen darum gebeten, "um Abstand zu gewinnen, und um im Sinne des NDR sicherzustellen, dass der Aufklärungsprozess von Personen verantwortet werden kann, die nicht persönlich betroffen sind".
Doch die Auseinandersetzung um angebliche CDU-Nähe und politische Willfährigkeit im NDR Schleswig-Holstein scheint damit nicht beendet zu sein. Der neue Brief wirkt wie ein Signal: Die Mitarbeiter entziehen der Führungsspitze das Vertrauen. Joachim Knuth hat das zur Kenntnis genommen. t-online liegt ein Schreiben des Intendanten vor, das am Dienstag als Antwort an die Belegschaft verschickt worden sein soll.
Darin heißt es unter anderem: "Ich kann gut verstehen, dass Sie die Aufarbeitung der Geschehnisse der vergangenen Wochen und die Zeit davor beschäftigt und belastet." Der Senderchef betont, der Aufklärungsprozess laufe weiterhin. Vom Ziel einer "besseren Unternehmenskultur" ist die Rede. Knuth schließt seine Antwort mit den Sätzen: "Vertrauen Sie bitte darauf, dass ich an einem Neuanfang in Ihrem Landesfunkhaus Interesse habe. Ich bin sicher, dass wir diesen Weg gemeinsam schaffen, auch wenn ein solcher Neustart nicht über Nacht zu erreichen ist."
t-online hat den NDR mit den Vorgängen konfrontiert. Ein Sendersprecher ließ dazu mitteilen: "Ein offener Brief liegt uns nicht vor. Etwaige interne Korrespondenz unterliegt im NDR der Vertraulichkeit und wird dementsprechend behandelt."
- Eigene Recherchen
- Mailaustausch mit dem NDR