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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Michael Mittermeier "Eigentlich war es eine Schande, so viel Geld abzulehnen"
Seine schwarze Lederhose gehört nicht mehr zum Standardrepertoire, doch an Schlagfertigkeit hat Michael Mittermeier nicht eingebüßt. Im Interview zappt er mit t-online durchs deutsche Fernsehen.
Mit "Zapped!" wurde er Mitte der Neunziger zum Comedystar. Michael Mittermeier, damals noch stilsicher mit Lederhose und umgedrehter Basecap, nahm das deutsche Fernsehprogramm von A bis Z aufs Korn – und brillierte dabei mit Fachkenntnis und irrwitzigen Vergleichen. Fast 30 Jahre später urteilt er nun erneut über den Stoff aus der Flimmerkiste.
Einerseits in seinem neuen Buch "Nur noch eine Folge! – Fernsehen von A bis Zapped!" und andererseits im Interview mit t-online. Der 55-Jährige motzt über den "Tatort", lobt deutschen TV-Kult von Gottschalk bis Schweiger und erzählt, was ihn seine 14 Jahre alte Tochter gelehrt hat.
t-online: Das deutsche Fernsehen war in der Pandemie für Millionen Menschen das oft beschworene Fenster zur Welt. Haben die Sender hierzulande diese historische Chance genutzt – oder eher verspielt?
Michael Mittermeier: Das deutsche Fernsehen hat schon vor der Pandemie in den letzten zehn Jahren viele Chancen verspielt. Andere Player wie Netflix haben in der Zeit einige Dinge richtig gemacht und originelle, eigene Stoffe entwickelt. So etwas wie "Dark" wäre doch im linearen Fernsehen nie möglich gewesen. Insofern haben die deutschen Sender großen Nachholbedarf.
Woran genau krankt es beim linearen Fernsehen hierzulande?
Nehmen wir "4 Blocks", großartige deutsche Serie – davon müsste es viel mehr geben. Stattdessen schaue ich mir einen Krimi über Kabel an und frage mich, wer solche Drehbücher genehmigt? Da wird über Gangs oder Clans erzählt und man wird das Gefühl nicht los, dass die Autoren noch nie ernsthaft mit dem Thema zu tun hatten.
Welches konkrete Negativbeispiel fällt Ihnen dafür ein?
Immer wenn ich lese, irgendwer habe wieder einen Wahnsinns-"Tatort" gedreht oder irgendeinen anderen angeblich so überwältigenden Fernsehfilm, sitze ich davor und traue meinen Augen nicht. 90 Minuten schlechte Jazzmusik und nach spätestens 30 Minuten frage ich mich, ob ich der Einzige bin, der Spannung anders definiert.
Der "Tatort" ist ein gutes Stichwort. In Ihrem neuen Buch "Nur noch eine Folge! Fernsehen von A bis Zapped!" widmen Sie dem Format ein Kapitel unter der Überschrift "Tatort Til Schweiger" …
Til Schweiger kam mir sehr gelegen, weil ich damals das Gefühl hatte, Deutschland stürzt für viele in sich zusammen. Das Land der Dichter und Denker geht unter, weil Til Schweiger einen "Tatort" dreht – so lautete der Tenor.
Sie hingegen sehen das nicht so. In Ihrem Buch heißt es: "Tils erster Tatort, 'Kopfgeld', ist für mich ein Meilenstein deutscher expressionistischer Filmkunst. Schon die erste große Szene verweist Rainer Werner Fassbinder, Dominik Graf und Bully Herbig auf ihre Plätze."
Absolut! Die Devise bei Schweiger ist: Hirn ausschalten und einfach mal 90 Minuten Spaß haben. Mir ging es darum zu zeigen, dass dort wo eher nicht das Gute vermutet wird, der Spaß zu finden ist.
Wie meinen Sie das?
Deutsche Fernsehkrimis sind oft schwierig. Sie sind wie die Zeugen Jehovas: Sie wollen etwas von dir und sind wahnsinnig penetrant darin, dich bekehren zu wollen. Stichwort: "Message". Jede sozio-ökonomische Randgruppe Deutschlands kam bereits im "Tatort" vor und wurde beleuchtet. Das ist einfach anstrengend. Bei Til Schweiger weiß man hingegen, was man bekommt: Sein "Tatort" liefert 90 Minuten Action – quasi ein deutscher "Stirb langsam".
Die Metaebene der Sozialkritik stört Sie?
Nein, es ist nur schlecht gemacht. Ich kann ein Gegenbeispiel liefern: "Squid Game". Dort steckt Sozialkritik in jeder fucking Folge – und trotzdem ist es nicht eine Sekunde langweilig.
Vieles, was wir jetzt besprochen haben, fällt in den Verantwortungsbereich von ARD und ZDF. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen wird immer wieder, teils heftig, für sein Programm kritisiert. Bedeutet Ihre Kritik nun auch, dass Sie den Rundfunkbeitrag in Frage stellen?
Auf gar keinen Fall. Über den Rundfunkbeitrag sollte man, vor allem heutzutage, überhaupt nicht diskutieren. Für die Grundversorgung ist er enorm wichtig und in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Außerdem gibt es auch genügend positive Gegenbeispiele. Nehmen wir das aufrüttelnde "Das Geheimnis des Totenwaldes" mit Matthias Brandt. Das war so großartig.
Auch andere Produktionen wie "Weißensee" oder "Charité" dürften in diese Kategorie fallen, oder?
Absolut. Die waren auch sehr gut. Vielleicht haben sogar Netflix und Amazon mit ihren Produktionen den Wettbewerb wieder angekurbelt – und in Zukunft sehen wir wegen der neuen Konkurrenzsituation mehr gute Sachen bei ARD und ZDF.
Sie haben eine Lanze für den Rundfunkbeitrag gebrochen. Warum halten Sie das für eine wichtige Institution?
In Zeiten wie diesen, wo viele Menschen nicht mehr auf Realitäten schauen, sondern einfach auf gefühlte Wahrheiten und alternative Fakten, sind verlässliche Informationsquellen Gold wert. In Amerika ist das ja sogar noch extremer. Dort hat es der König der Lügner auf den Thron geschafft und ich sage es Ihnen: Dieser Nachtkönig namens Trump wird in drei Jahren zurückkommen.
Donald Trump wird wieder US-Präsident?
Ich befürchte schon. Und dass er überhaupt eine theoretische Chance hat, kann doch nur mit der verqueren Logik vieler Menschen zu tun haben, die sich ihre Meinung über Kanäle wie Telegram bilden. Auch ich kriege da manchmal Links zugeschickt. Dann soll ich mir auf YouTube einen Film anschauen, der so erschreckend hohl ist, dass ich mich echt nur wundern kann, wie Menschen auf solche Verschwörungen und Fake News hereinfallen – aber gleichzeitig die öffentlich-rechtlichen Medien anfeinden. Das ist absurd.
Harter Schnitt – und damit zum Unterhaltungsfernsehen: Dschungelcamp oder "Promi Big Brother". Was schauen Sie lieber?
Gar nichts von beiden. Ich halte das einfach nicht aus.
Wurden Sie eigentlich schon mal für solch ein Format angefragt?
Ja, tatsächlich – aber das ist Ewigkeiten her. Die wollten mich absurderweise ins Dschungelcamp schicken zu einer Zeit, in der ich gerade wahnsinnig erfolgreich war, quasi auf dem Höhepunkt meines Erfolgs. Da wurde mir eine wirklich astronomische Summe angeboten. Eigentlich war es eine Schande, so viel Geld abzulehnen.
Wie hoch war die Summe denn?
Darüber spricht man nicht. Aber es gibt ein Grundprinzip, an das ich mich in all den Jahren gehalten habe: Ich bin nie in einer Sendung gewesen, die ich nicht leiden kann.
Das heißt: Sie sind ein großer Fan von "Wetten, dass..?" und Thomas Gottschalk, so oft wie Sie schon dort waren.
Das kann man so sagen, ja. Ich bin schon stolz, dort so oft als Stand-up aufgetreten zu sein. Dass meine Karriere bei Europas größter Unterhaltungsshow dann ausgerechnet durch Tom Cruise endete: Nun ja, ich bin halt Comedian – damit muss ich rechnen.
Sie haben sich damals, kurz nachdem Tom Cruise die "Wetten, dass..?"-Couch verlassen hatte, über seine Scientology-Mitgliedschaft lustig gemacht.
Was sollte ich tun? Ich musste das machen. Dass Comedy auch mal wehtun kann, sollte jeder wissen und ich finde, das sollte man aushalten können.
Wie finden Sie es, dass dieser TV-Dino namens "Wetten, dass..?" wieder zum Leben erweckt wurde?
Das war ein schönes Revival. Wenn einer vor fünf Jahren gesagt hätte, "Wetten, dass..?" kommt zurück und Abba sitzt mit Gottschalk auf der Couch, wäre er für verrückt erklärt worden. Als Event einmal im Jahr finde ich das toll. Selbst meine Tochter war davon begeistert und schaute interessiert zu.
Ihre Tochter Lilly ist 14 Jahre alt. Was macht das Fernsehschauen mit ihr besonders?
Sie kann bei mir wieder die Lust erwecken, TV-Formate zu schauen, die ich gefühlt vor Jahrzehnten abgeschrieben habe. Wir schauen gerade mit großer Leidenschaft zusammen "Germany's Next Topmodel". Das habe ich seit der zweiten Staffel nicht mehr gesehen. Aber meine Tochter kommentiert das großartig und plötzlich habe ich auch wieder Spaß dran. Viele dieser Fernsehabende verarbeiten wir dann in unserem gemeinsamen Podcast "Synapsen Mikado", bei dem auch meine Frau mitmacht.
Es klingt so, als hätte sie Humor. Färbt es also ab, wenn man einen Comedian als Vater hat?
Das kommt von mir und meiner Frau, denn die hat auch einen tollen Humor, sonst wären wir nicht seit 32 Jahren zusammen. Da hat sie sehr viel mitgekriegt, das stimmt schon. Lilly hat einen schönen, schrägen, lustigen Blick auf die Dinge und es macht sehr viel Spaß, mit ihr zusammen Sachen neu zu entdecken: von Pippi Langstrumpf über "Tatsächlich Liebe" bis hin zu "Star Wars" oder "Stirb langsam".
- Interview mit Michael Mittermeier