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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zum Tod von Sidney Poitier Der Mann, der weiße Rassisten ins Leere laufen ließ
Sidney Poitier war schön, cool und elegant. Hollywood dachte ihm Rollen zu, in denen er ressentimentgeladene Weiße zur Besinnung brachte. Eine schöne Utopie für eine unschöne Wirklichkeit.
Für mich wird Sidney Poitier immer dieser unfassbar gut aussehende Detective bleiben, der tief unten in Mississippi stoisch für Gerechtigkeit sorgt, an der Rod Steiger, der weiße Rassisten-Sheriff, überhaupt nicht interessiert ist. Im Film war es damals, wie es heute noch in der Wirklichkeit ist: Der weiße Polizist verhaftet einen Schwarzen, der schon mal deshalb verdächtig ist, weil er schwarz ist, und es ist ihm ziemlich egal, ob der Mann schuldig ist oder nicht. Die Hauptsache bleibt doch, dass der gewaltsame Tod des reichen Weißen ganz schnell aufgeklärt wird.
"In the Heat of the Night" – "In der Hitze der Nacht" heißt der Film. 1967 kam er in die Kinos. Zum ersten Mal sah ich, wie es in einer kleinen Stadt wie Sparta zugeht. Die Hitze, das Fiebrige des Rassismus, die tiefe Ungerechtigkeit der Spaltung Amerikas in Schwarz und Weiß, die Wunde der Rassentrennung, die sich bis heute nicht geschlossen hat: Der Film als Spiegelbild der Verhältnisse. Poitier überlebt den Irrsinn nur deshalb, weil er in Wahrheit ein Detective aus dem Norden ist und nicht das ohnmächtige Opfer, das Steiger aus ihm machen will.
Im Film gibt es einen kleinen beispielhaften Dialog zwischen Steiger und Poitier, den ich heute noch aufsagen kann. Steiger fragt: "Wie nennt man dich, Boy?" Poitier antwortet: "Man nennt mich Mr. Tibbs!" Ja, so kann man Rassisten ins Leere laufen lassen.
Sidney Poitier war ein Pionier
Hollywood schrieb auf Poitier Filme zu, in denen sich Schwarz und Weiß am Ende versöhnen. Der Weiße lernt, dass der Schwarze auch ein Mensch ist, so einfach kann das sein. Schön wäre es, Amerika hätte daraus fürs vorurteilsfreie Zusammenleben der Rassen gelernt, was ihm die Fiktion zu bedenken gab. So bleibt es die Tragik dieser Nation, dass sie sich nicht mit sich selber versöhnen kann.
Hollywood kalkulierte damals schon zynisch, was denn sonst. Dieser schöne Schwarze war dem weißen Publikum zumutbar, so dachten die Mogule des Filmgeschäfts. So dachten sie ihm Rollen zu, in denen er der den Weißen den Hass nahm. Rod Steiger, der Rassist, bringt am Ende Sidney Poitier zum Zug. Tony Curtis, der in "Flucht in Ketten" den Rassisten spielt, lernt Sidney Poitier schätzen, als er auf ihn angewiesen ist.
Sidney Poitier war ein Pionier. Er war der erste schwarze Schauspieler, der richtig gute Rollen erhielt. Er war der erste schwarze Schauspieler, der einen Oscar bekam. Das war 1964 für eine alberne Komödie namens "Lilien auf dem Felde", in der er einen Gelegenheitsarbeiter spielt, der auf fünf Nonnen trifft, die aus der DDR geflüchtet sind. Aber egal wie töricht das Drehbuch auch ausfiel: Hollywood setzte mit diesem Oscar ein Zeichen mitten im Rassenkrieg, und darauf kam es an.
Mit seinem Ruhm bahnte Poitier Jüngeren wie Denzel Washington, Morgan Freeman, Whoopi Goldberg oder auch Idris Elba den Weg. Nach seinem Tod werden sie ihn dafür rühmen, zurecht.
Er kannte seinen Stellenwert
Zeitweise war Sidney Poitier der bestbezahlte Schauspieler Amerikas. Klugerweise lehnte er bald klischeebeladene Rollen ab. Er kannte seinen Stellenwert, er wusste sehr wohl, was ihm Hollywood zudachte, und ging behutsam mit seinen Möglichkeiten um. Persönlich war er schüchtern, musste sich erst seinen karibischen Dialekt abtrainieren, weil er auf den Bahamas aufgewachsen war. Er besaß kaum Schulbildung und war als Schauspieler ein bestaunenswertes Naturtalent. Ihm war diese coole Eleganz eigen, die ihn in den Sechzigerjahren zum Star machte. Von ihm sagten seine Verächter, die es auch unter Schwarzen gab, er sei der Traum der Weißen von einem Schwarzen.
So kann man das sehen, und auch von Michael Jordan, dem besten Basketballspieler aller Zeiten sagte man, bei ihm vergäßen die weißen Zuschauer seine Hautfarbe. Aber Jordan wie Poitier suchen es sich nicht aus, sie gehen ihrem Beruf nach, in dem sie Ausnahmekönner sind. Deshalb werden aus ihnen große Stars und damit gewaltige Projektionsflächen. Was andere in ihnen sehen, Schwarze wie Weiße, dafür sind sie jedoch nicht verantwortlich. Verantwortlich sind die gesellschaftlichen Verhältnisse.
Zugleich aber verkörpern herausragenden Menschen wie Sidney Poitier die beste Hoffnung darauf, dass Amerika dereinst seinen Rassismus hinter sich lassen könnte.