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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Finanzminister heiratet Journalistin Franca Lehfeldt und Christian Lindner gehen einen unüblichen Weg
Christian Lindner und Franca Lehfeldt haben geheiratet. Die Verquickung von Privatem und Beruflichem schließen sie aus – vorsichtshalber.
Es ist ein ungewöhnlicher Weg, den Christian Lindner und Franca Lehfeldt einschlagen. Die beiden sind seit 2018 offiziell ein Paar, haben nun auf Sylt geheiratet – doch sowohl der Bundesfinanzminister als auch die Chefreporterin von Welt TV wollen ihre Jobs ungestört fortführen.
Bereits in Lindners und Lehfeldts Statements anlässlich ihrer Verlobung im Oktober 2021 spielte eine mögliche Verquickung von Beziehung und Beruf eine Rolle. Es sei der Reporterin, ihrem damaligen Arbeitgeber RTL zufolge, "wichtig, zu betonen", dass sie "privat eigene Ansichten habe und auch als Journalistin unabhängig" sei. Der FDP-Chef pflichtete dem bei und erklärte: "Für mich ist völlig klar, dass Franca einen eigenen Beruf und einen eigenen Kopf unabhängig von mir hat."
Presse und Politik: Spahn, Gauck und Schröder
Ehrenhafte Bekenntnisse und erwartbare Statements. In Politiker-Journalisten-Beziehungen wurde damit in der Vergangenheit aber auch anders umgegangen. Journalisten wissen zu gut, wie schnell der Vorwurf des Interessenkonflikts im Raum steht – und gehen dem oft aus dem Weg, indem sie ihren Job quittieren.
Das wohl prominenteste Beispiel ist der Ehemann des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn, Daniel Funke. Er arbeitete jahrelang als Journalist, war bei Sat.1 tätig und Reporter bei "Bunte". Als er 2018 den umstrittenen Ex-Botschafter Richard Grenell interviewte, gab es anschließend laute Kritik: Funke hatte nämlich in einem sehr wohlgesonnenen Homestory-Beitrag mit keiner Silbe erwähnt, dass er und sein Mann auch privat mit Grenell befreundet sind.
Seit 2019 kann dem 41-Jährigen so etwas nicht mehr passieren. Denn seitdem arbeitet er nicht mehr als Journalist für Burda, sondern als Lobbyist. In die Presse gelangte Funke danach nur noch, weil Spahns Ministerium in der Corona-Krise FFP2-Masken bei der Burda GmbH kaufte – also bei seinem Arbeitgeber.
Solche Verflechtungen können unschöne Schlagzeilen nach sich ziehen – und umso mächtiger das Amt, desto größer die Fallhöhe. Christian Lindner ist nach Kanzler Olaf Scholz der zweitmächtigste Mann im Land, er ist der wichtigste Minister im Kabinett. Er und seine Gattin müssen also penibel darauf achten, dass es zwischen ihren Arbeitsbereichen keine Überschneidungen gibt. In der Vergangenheit hat das nicht immer funktioniert.
Der Medienjournalist Stefan Niggemeier widmete den Verquickungen kürzlich eine eigene Recherche auf seinem Portal "Übermedien". Schließlich hatte Lehfeldt vor Ort über die Sitzung des Verteidigungsausschusses berichtet, bei der Olaf Scholz zu Gast war und die am 13. Mai für Eilmeldungen wie diese sorgte: "Eklat bei Kanzler-Besuch: FDP-Arbeitsgruppe fühlt sich 'verarscht' und geht".
Dass sich das alles später als Sturm im Wasserglas herausstelle: geschenkt. Fakt ist, dass einige FDP-Abgeordnete, darunter der verteidigungspolitische Sprecher der Fraktion, Marcus Faber, für Wirbel sorgten. Faber stellte sein Amt zur Verfügung, ein interner FDP-Konflikt geriet damit an die Öffentlichkeit. Und keine Geringere als Franca Lehfeldt fragte in einem Welt-TV-Interview mit der Ausschussvorsitzenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann unmittelbar nach der Sitzung nach personellen Konsequenzen – und erwähnte Faber zu einem Zeitpunkt, da er selbst sein Amt noch gar nicht zur Disposition gestellt hatte.
"Wir können keinen Interessenkonflikt erkennen"
Journalistischer Instinkt, naheliegende Fragestellung oder Wissensvorsprung durch gute persönliche Kontakte? Lehfeldts Arbeitgeber will jedenfalls keinen Interessenkonflikt erkennen. Auf Nachfrage von t-online versichert eine Sprecherin des Axel-Springer-Verlages, zu dem Welt TV gehört: "Franca Lehfeldt ist insbesondere für die Union zuständig. Sie berichtet in aller Regel nicht über die FDP oder die Finanzpolitik. Auch wenn sich gelegentlich Überschneidungen nicht vermeiden lassen, können wir hier keinen Interessenkonflikt erkennen."
Die Hochzeit werde an Lehfeldts Tätigkeit nichts ändern, da ihre Beziehung zu Lindner lange vor Beginn ihres Engagements bei Welt TV bekannt gewesen sei und sie daraus nie ein Geheimnis gemacht habe. "Ganz generell entscheiden wir über journalistische Einsätze auf Grundlage der Leitlinien zur journalistischen Unabhängigkeit bei Axel Springer", heißt es in dem Statement weiter. Diese Leitlinien erlauben es offenbar, dass Lehfeldt nur wenige Tage nach dem Vorfall im Verteidigungsausschuss die FDP-Blamage bei der NRW-Landtagswahl analysiert.
Konkret heißt es in den Springer-Richtlinien: "Die Journalisten bei Axel Springer berichten grundsätzlich nicht über nahestehende Personen, insbesondere Familienangehörige, es sei denn, es liegt ein mit dem jeweiligen Vorgesetzten abgestimmter sachlicher Grund vor."
Dass sich diese Richtlinie nicht immer einhalten lässt, zeigt folgendes Beispiel: Als Christian Lindner am 21. Juni 2022 die Deutschen angesichts steigender Preise infolge des Ukraine-Krieges auf eine mehrjährige Phase der Entbehrungen eingeschworen hatte, schaltete man aus dem Studio zu Franca Lehfeldt. Sie wurde mit folgenden Worten anmoderiert: "Darüber möchten wir sprechen, mit unserer Kollegin Franca Lehfeldt. Entbehrungen heißt es jetzt, aber was genau müssen wir uns darunter vorstellen?" Lehfeldt sollte einordnen, was ihr jetziger Ehemann gemeint haben könnte. Die private Verbindung erwähnte man mit keiner Silbe.
Ex-First-Lady Daniela Schadt gab ihren Job auf
Als Chefreporterin bei einem Axel-Springer-Sender steht Franca Lehfeldt vor einer Herausforderung. Schließlich dürfte der Spartenkanal wenig Interesse an ungewohnter Aufmerksamkeit haben, weil die Beziehung seiner Journalistin Fragen aufwirft – und Welt TV damit in die Schlagzeilen katapultiert.
Für Daniela Schadt kam diese Gratwanderung offenbar nicht infrage. Die Lebensgefährtin des einstigen Bundespräsidenten Joachim Gauck hätte als politische Journalistin bei den "Nürnberger Nachrichten" in die Bredouille geraten können, die Arbeit ihres Partners kommentieren zu müssen. Sie gab ihren Job auf – und konzentrierte sich auf die zahlreichen Empfänge und Ehrenämter, die mit dem repräsentativen Job als First Lady einhergehen.
Anderes Amt, anderes Beispiel: Doris Schröder-Köpf lernte ihren späteren Mann und SPD-Kanzler Gerhard Schröder Mitte der Neunzigerjahre durch Pressetermine kennen. Sie war damals Hauptstadtkorrespondentin für den "Focus". Mit der Wahl ihres Mannes zum Bundeskanzler 1998 richtete sie ihr persönliches Engagement auf ihre Aufgaben als Schirmherrin diverser Kinder- und Jugendprojekte und machte sich für die Drogenprävention stark.
Kontroverse in Frankreich
Auch im Ausland gab es derartige Fälle schon. In Frankreich sorgte 2010 die Beziehung der Journalistin Audrey Pulvar und des damaligen sozialistischen Abgeordneten und späteren Wirtschaftsministers Arnaud Montebourg (PS) für Schlagzeilen. Pulvar verlor ihre politische Sendung bei einem französischen Sender. Auch dieses Vorgehen stieß auf Kritik.
Das "Prinzip Vorsicht" werde in diesem Fall in "exzessiver Weise" angewandt, hieß es damals von einem Sprecher der Sozialistischen Partei. Andere sahen in dem Vorgehen den Ausdruck einer reaktionär frauenfeindlichen Position, die die Frau als Anhängsel des Mannes ohne eigene Meinung und eigenen Willen betrachtet. Ein Vorwurf, auf den sich auch Lindner und Lehfeldt in den Statements zu ihrer Verlobung beriefen.
Lindner will "zwei, drei oder vier" Kinder
Lindner ist mit der Problematik bestens vertraut. Seine Ex-Frau, Dagmar Rosenfeld, ist ebenfalls Journalistin. Ende 2017 rügte sie der Deutsche Presserat wegen eines Berichts in der "Welt", in dem sie dem FDP-Politiker Stylingtipps gab – ohne ihre Beziehung zu ihm zu erwähnen.
Wie das beim Ehepaar Lindner und Lehfeldt künftig aussehen wird, bleibt abzuwarten. Als der FDP-Chef noch nicht wusste, welches Amt er nach der letzten Bundestagswahl bekleiden wird, sagte er im August 2021: "Mein größter Wunsch an das Leben ist es nicht, einmal Minister in der Regierung zu sein. Sondern bald zwei, drei oder vier Mädchen oder Jungs zu haben." Ein Statement seiner Frau zur Familienplanung gibt es bis heute nicht.
Dafür aber eines zu ihrer Karriereplanung. Als Lehfeldt im Februar 2022 ihren neuen Job antrat, führte sie für den Wechsel von RTL zu Welt TV an, sie sei motiviert, "nicht nur als Reporterin zu informieren, sondern auch als Moderatorin durch die Sendungen zu führen". Sendungen, in denen sie Sätze ihres Ehemannes als Journalistin kommentieren soll, eingeschlossen.
- Eigene Recherchen
- Anfrage an Christian Lindner und Franca Lehfeldt
- Anfrage an den Axel-Springer-Verlag
- welt.de: "Künftige First Lady gibt Journalisten-Job auf"
- t-online.de: "Spahns Ministerium kaufte Masken bei Arbeitgeber seines Mannes"
- taz.de: "Verbotene Leidenschaft"
- übermedien.de: "Und nun live zur Verlobten des FDP-Vorsitzenden"
- Bunte 35/2021