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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Ich habe schon früh Geld verdient" Wie gehen Sie mit Ihren Finanzen um, Herr Schilling?
Über Geld spricht man nicht. Oder doch? t-online hat Schauspieler Tom Schilling aus der Reserve gelockt: Schon mal einen Film nur wegen des Honorars gedreht? Und wie hält es der Star aus "Crazy" sonst mit seinen Finanzen?
Tom Schilling gilt als einer der besten deutschen Schauspieler. Schon mit sechs Jahren spielte er in einem vom Fernsehen der DDR produzierten Spielfilm mit.
Als 18-Jähriger war er im Kult-Teenie-Streifen "Crazy" zu sehen, als 23-Jähriger war er bereits dreimal im "Tatort" dabei und vor drei Jahren spielte er die Hauptrolle im zweifach für den Oscar nominierten Drama "Werk ohne Autor". Wenn Schillings Name auf der Besetzungsliste steht, dann kann man sich sicher sein, dass der Film Klasse hat.
In seinem neuesten Werk "Fabian oder der Gang vor die Hunde" nach dem Roman von Erich Kästner spielt der 39-Jährige den titelgebenden tragischen Helden, dem eben genau das liebe Geld einige Sorgen bereitet. Er fällt der großen Entlassungswelle der Nachkriegszeit zum Opfer.
Arbeitslos, aber frisch verliebt, schafft es Fabian, seinem eigenen Pessimismus beinah zu entkommen. Doch die gesellschaftlichen Missstände zu Beginn der Weimarer Republik machen eine glückliche Liebe fast unmöglich. Warum sich Schilling gerade diesen Film ausgesucht hat und wie wir im Interview über unterschiedliche Definitionen von Luxus diskutieren, lesen Sie im Folgenden.
t-online: Wonach suchen Sie sich Ihre Filme aus?
Tom Schilling: Dabei spielen ganz viele Dinge eine Rolle. Es kommt darauf an, wie ich mich persönlich gerade fühle in meinem Leben, was ich lustig finde, wie ich mit mir selbst gerade klarkomme.
Und? Kommen Sie gerade mit sich selbst klar?
Ja.
Spielt auch Geld eine Rolle bei der Auswahl Ihrer Filme?
Nein. Was für mich bei der Filmauswahl absolut keine Rolle spielt, ist: Wo wird der Film gedreht und wie viel Geld bekomme ich dafür. Es geht bei mir eher um das Inhaltliche. Ich gucke danach, ob ich so was schon einmal gespielt habe. Gibt es eine Wahrheit, die ich zum Leben erwecken will und die ich gern spielen will? Finde ich es spannend oder berührend? Geht es mir ans Herz? Es geht um das Drehbuch, um die Rolle und um die Regie. Danach entscheide ich.
Damit befinden Sie sich in einer ganz schönen Luxusposition, oder?
Nein. Finde ich eigentlich nicht.
Wenn Ort und Geld keine Rolle spielen, das ist für Sie kein Luxus?
Vielleicht muss man dazu auch meine Geschichte verstehen.
Inwiefern?
Ich war ein Kinderschauspieler und habe schon relativ früh Geld damit verdient. Bestimmt nicht viel Geld. Aber mir war das, was ich gespielt habe, schon immer heilig. Ich wusste, dass ich als Schauspieler verbrennen würde, wenn ich schlechte Filme machen müsste. Also wollte ich niemals in die Situation kommen, dass ich schlechte Filme drehen muss.
Also haben Sie gespart?
Ich habe nie dem Impuls nachgegeben, mein Geld auszugeben. Ich habe immer so sparsam gehaushaltet, dass ich wusste, dass ich damit eine sehr lange Zeit auskommen würde. Als Schauspieler arbeitest du eh nicht so viel. Du hangelst dich von Projekt zu Projekt. Das heißt, du musst an die Zukunft denken. Die Pandemie, in der ich gar nicht gedreht habe, war für mich deswegen auch gar nicht so ungewöhnlich.
Sie haben also Geld zurückbehalten?
Ich lege immer sehr viel Geld zurück. Ich gehe sparsam und konservativ mit meinem Haushaltsbüchlein um. Das garantiert mir Unabhängigkeit. Ich würde eher andere Jobs machen und damit Geld verdienen, als etwas zu drehen, für das ich mich schämen würde.
Sie sagen, Sie haben früh angefangen. Vor 21 Jahren kam zum Beispiel der Kultfilm "Crazy" in die Kinos. Ist das ein Film, der Sie heute noch bewegt?
Der Film hat mich geprägt. Ich hatte da das Glück, mit wirklich guten Filmemachern zusammenzuarbeiten. Es ist toll, wenn man so eine Erfahrung gemacht hat, weil man dann weiß, wie es auch geht. Mir hat der Film viel geschenkt.
Jetzt sind Sie in der Verfilmung von Erich Kästners Roman "Fabian" zu sehen. Das Buch erschien Anfang der Dreißigerjahre. Warum hat diese Geschichte heute überhaupt noch eine Relevanz?
Es ist ein Roman, der in einer Zeit der Umwälzung und der großen Unsicherheit spielt. In einer Zeit, in der irgendwas in der Luft liegt und eine Blase zu platzen droht. Es ist ein Gefühl, das wir alle in uns tragen, schon seit längerer Zeit. Ich hatte bei der ersten Finanzkrise 2008/2009 gespürt, dass es soziale und wirtschaftliche Spannungen gibt, die etwas verändern. Dann kam die Pandemie und auch die Trump-Zeit hat uns alle ganz schön durcheinandergerüttelt. Die Wichtigkeit von Social Media und wie sie uns verändert haben, tut ihr Übriges. Die Parallele zu dem Film sehe ich darin, dass alles überhitzt und überreizt ist. Die Lagerbildung und Auseinandersetzung mit dem (politischen) Gegner nimmt ungesunde Züge an und lässt uns vergessen, dass wir alle das Gleiche wollen ganz tief drinnen im Herzen.
Es gibt in der Geschichte viele Punkte, die heute noch aktuell sind: Der schwierige Ausweg aus der Arbeitslosigkeit, Fremdenfeindlichkeit, der Umgang mit Frauen, Stichwort MeToo. Wie bewerten Sie es, dass diese Dinge schon vor 90 Jahren aktuell waren und wir heute immer noch damit zu kämpfen haben?
Das bewerte ich gar nicht, das nehme ich zur Kenntnis. Ich glaube, viele Sachen kommen in Wellen. Das ist ja in der Wirtschaft genauso. Da kann man beobachten, dass viele Krisen in sehr regelmäßigen Abständen wiederkommen. Es gehört offenbar zum Lauf der Zeit, dass wir Probleme haben, uns zufriedenzugeben.
Alles muss immer wachsen. Aber manchmal kann es nicht mehr wachsen, dann muss es erst einmal zerstört werden, um wieder von klein auf zu wachsen. Das scheint fast wie ein Naturgesetz zu sein, dem wir uns unterwerfen müssen. Man kann das beobachten, aber dem nicht entkommen. Der Einzelne hat einfach zu wenig Einfluss darauf. Wir sind wahnsinnig viele Menschen auf der Welt, die alle verschiedenen Kräften unterworfen sind.
Was macht für Sie den Reiz des Films aus?
Ich habe am meisten angedockt an dieser Liebesgeschichte. Ich wollte schon immer einen sehr melodramatischen Liebesfilm drehen, das hat mich schon immer interessiert. Das Verhältnis von Mann und Frau, wie sie versuchen, es besser zu machen, dabei trotzdem in gewisse Fallen tappen und sich selbst belügen. Die Sehnsucht nach dem Ankommen und zu zweit glücklich zu sein, die hat mich fasziniert.
Was macht Sie glücklich?
Wenn ich ganz im Moment bin und inneren Frieden habe. Manchmal macht mich auch meine Arbeit sehr glücklich.
"Fabian" ist ein politisch motivierter Film. Wir dürfen im September wählen. Freuen Sie sich darauf und wissen Sie, wo Sie Ihr Kreuz machen? Oder verursacht Ihnen die Wahl eher Bauchschmerzen?
Ich muss jetzt nicht lange überlegen, wen ich wählen werde. Bauchschmerzen macht die Wahl mir nicht.
Wählen Sie immer die gleiche Partei?
Über die Jahre? Nein.
Würden Sie sich denn jetzt einen Wechsel wünschen?
Ich glaube, der wird kommen.
Und wäre das in Ihrem Interesse?
Ich denke schon.
Sind Sie ein politischer Mensch?
Ich bin interessiert und beobachte. Aber ich bin niemand, der leidenschaftlich Tagespolitik diskutiert oder für eine Partei kämpft.
Vielen Dank für das Interview, Tom Schilling.
"Fabian oder der Gang vor die Hunde" wird ab dem 5. August 2021 im Kino zu sehen sein.
- Interview mit Tom Schilling