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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Geh aufs Ganze!"-Star Jörg Draeger: "Altern ist ohne Frage scheiße"
Er ging gern aufs Ganze, trug stets einen flotten Schnurrbart und knallige Jacketts. Jörg Draeger war eine Zeit lang aus dem Fernsehen nicht wegzudenken. Nun ist es ruhig um ihn geworden. t-online hat er verraten, was er jetzt treibt, wie ihm das Alter zu schaffen macht und welche Kollegen er vermisst.
Jörg Draeger wird am Montag 75 Jahre alt. Während andere Prominente die Vorzüge des Alterns betonen, von einer Gelassenheit sprechen, verzichtet der Entertainer auf Schönungen: "Altern ist ohne Frage scheiße!", sagt er. Der einzige Vorteil: "Es ist noch genug Luft im Kessel, aber kein Druck mehr."
Druck scheint sich Draeger, der ab seinem vierten Lebensjahr in Spanien aufwuchs, sowieso ungern zu machen. Er schaue immer nach vorne, nie zurück, würde ohnehin nichts ändern wollen, "auch wenn mir vieles missfällt". Seinen Geburtstag feiere er allein mit seiner Familie, eine große Party gibt es nicht. Vielleicht ja auch, weil dem Moderator noch viele Geburtstage bevorstehen. Jedenfalls, wenn es nach ihm geht: "Auf dem 14. Jakobsweg habe ich mit IHM den Big Deal abgeschlossen", erzählt er. "Ich werde 112 Jahre alt, ohne ins Heim zu kommen." Bei der Zahl 75 bleibe er aus diesem Grund ziemlich gelassen.
Ein Träumer ist Draeger aber nicht. Fast zehn Jahre lang hat er die Show "Geh aufs Ganze!" moderiert. Er und der Zonk, sie waren ein tolles Team. Auch heute noch ist die Sendung, bei der sich die Kandidaten zwischen Tor eins, Tor zwei oder Umschlägen entscheiden mussten und durch ein kleines fieses rotes Plüschtier alles verlieren konnten, tief in seinem Herzen. Es ist das Format, das er am liebsten moderiert hat und das er auch heute noch gerne den Zuschauern präsentieren würde.
Fernsehen von heute? "Schlechter geht es nicht"
Vom heutigen Fernsehen hält er nämlich nicht viel. "Schlechter geht es nicht", findet er. Richtig gute Entertainer gebe es mittlerweile keine mehr: "Mit Juhnke ging der letzte Große." Seiner Meinung nach bräuchte es eine Show wie "Geh aufs Ganze!". "Allerdings nur als 1:1-Format und nicht aus der Mülltonne zusammengeklaubt, wie andere Remakes der Vergangenheit."
Damit kennt sich der Familienvater nämlich aus. 2016 moderierte er ein Reboot von "Tutti Frutti", allerdings ohne Erfolg. Noch heute ärgert er sich darüber: "Hier kocht es in mir hoch und ich sage eindeutig: Total von der Produktion versaut. Alles, aber auch alles falsch gemacht. Es hat eine Hommage werden sollen, es wurde ein 'Arme Leute'- Paket." Man hätte besser "Wiederholungen von Hugo Egon" zeigen können, so Draeger. "Schade, hätte schön werden können. Passiert, wenn schnell, schnell und billig, billig sowie null Empathie die Wegweiser sind."
Doch Misserfolge seien für ihn "die Würze zum Erfolg, man lernt aus ihnen". Die TV-Sender würden seiner Meinung nach allerdings nichts dazulernen: "Das Ergebnis sehen wir täglich."
"Sexismus ist eines der Themen, die ab 75 nicht mehr wahrgenommen werden"
Der große Sexismus-Aufschrei in der TV-Branche hat Draeger nicht mehr bewegt. "Sexismus ist ja eines der Themen, die ab 75 nicht mehr wirklich wahrgenommen werden", sagt er. An Situationen, die heute sicherlich nicht mehr so hingenommen werden würden, kann aber auch er sich erinnern: "Ja, die Zeiten waren damals anders. Was zum Teil zum guten Ton gehörte, ist heute nicht mehr sagbar und das ist gut so."
Die große Bühne, auf der Draeger bei "Geh aufs Ganze!" stand, heute fehlt sie ihm. Auch Kollegen wie Harald Schmidt oder Stefan Raab vermisst er. Deswegen erinnert er sich in einem Buch an Begegnungen in seiner Karriere, schreibt seine Biographie, für die er aktuell noch einen Verlag sucht. Als großen Entertainer sah sich Draeger selbst übrigens nie. "Die Kunst des Entertainments war leider nie mein Talent, obgleich ich solche Kollegen bis heute bewundere. Meine Gabe ist Spaß an der Freude und Faszination am Spiel." Mit seiner Familie habe er sich gerne zurückgezogen: "Wir waren immer unsere eigene Keimzelle und duckten uns vor allzu viel Öffentlichkeit", so Draeger.
Jörg Draeger mit seiner Frau
Trotzdem freut es ihn, auf der Straße erkannt zu werden und das würde auch heute noch gelegentlich passieren. "Warum auch immer, sind es auch junge Menschen", die ihn ansprechen. Alle grüßten ihnen, "wie einen netten Nachbarn, froh, herzlich und mit Respekt". Das schönste Kompliment, das er einst bekam, sei gewesen: "Jörg, du bist ein absolutes Schlitzohr und haust jeden in die Pfanne, wenn du willst. Aber du haust nie unter den Gürtel, lässt uns die Kamera vergessen und wir spielen mit dir, als wären wir Freunde in einer Kneipe. Du bist ne total authentische Socke."
"Dschungelcamp" oder "Promi Big Brother"?
Authentizität, das ist für Jörg Draeger ein großes und wichtiges Thema. 2017 war er bei "Let's Dance", schaffte es leider nur auf den letzten Platz. Doch abgeneigt sei er nicht von der Teilnahme in einer anderen Show. "Dschungelcamp" oder "Promi Big Brother", er würde im Einzelfall abwägen. Wichtig sei ihm, dass die Formate "tatsächlich auf die Wirklichkeit träfen".
Für die Zukunft hat der studierte Germanist und Theaterwissenschaftler ganz konkrete Pläne. Mit seiner Tochter will er auf ein Rammstein-Konzert, die Goldene Hochzeit mit seiner Frau steht an und da ist ja auch noch das eigene Buch, das ihm als Projekt am Herzen liegt. Einer hilft ihm bestimmt bei allem: sein einstiger Gefährte, der Zonk. Denn der ist "vom kleinen Mini-Zonk bis zum Giganten" in seinem Haus vertreten.
- Eigene Recherche
- Instagram: Profil von Jörg Draeger