Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Micky Beisenherz Zu Xavier Naidoo: "Da steckt ein krudes Weltbild dahinter"
Er ist Autor, Moderator und vor allem: Comedian. In aufgewühlten Zeiten sorgt Micky Beisenherz für humoristische Töne. Wie er zur AfD oder dem Skandal um Xavier Naidoo steht, erzählt er t-online.de im Interview.
Wer Micky Beisenherz auf Twitter oder Instagram folgt, kennt seine klare Haltung zu politischen Themen. Auf beiden Kanälen zusammengenommen folgen dem Comedian mehr als 270.000 Menschen. Er belustigt sie mal mit Tweets zur Bundesliga, mal mit Beobachtungen zu gesellschaftlichen Brandherden wie den immer stärker werdenden rechten Tendenzen.
In seiner Late-Night-Show "Artikel 5", die wöchentlich am Donnerstag auf MagentaTV zu sehen ist, sucht er einen humoristischen Zugang zu diesen Themen. Diese Woche im Fokus: das Coronavirus. "Da reicht ein kleines Virus namens Corona und ganz Deutschland knipst Teile der Vernunftbegabung aus", beginnt Beisenherz seine neueste Sendung. Dass nun Menschen vom "Recht des Stärkeren" sprechen oder "Klorollen-Darwinismus" üben, kritisiert er mit humoristischer Note.
Im Interview mit t-online.de erklärt er zur Rolle der Comedy im Umgang mit dem Virus: "Unsere Verantwortung ist es, die Hysterischen zu entspannen und die Gleichgültigen zu sensibilisieren." Auch zum Skandal rund um die Entgleisungen von Xavier Naidoo oder den Entwicklungen am rechten Rand unserer Gesellschaft bezieht er Stellung – und spricht scharfzüngig, aber auch differenziert über die relevanten Themen unserer Zeit.
t-online.de: Hass und Gewalt aus der rechten Ecke setzen einen radikalen Ton in der Gesellschaft und verhärten die Fronten. Wie gehen Sie als Comedian damit um?
Micky Beisenherz: Es werden Themen wie die Entwicklungen an der türkisch-griechischen Grenze von den Rechten gekapert und natürlich ist es daher für uns auch ein Thema. Die Rechten und ihr Vokabular und die Vereinnahmung von Themen für ihre politischen Ambitionen – das ist mit einer Sendung nicht getan. Diese Methoden der Rechten begleiten uns als Satiresendung dauerhaft.
Welche Rolle spielt dabei die AfD?
Der Umgang mit der AfD ist eine komplizierte Angelegenheit, das fängt schon mit der alten Talkshow-Debatte an. Lädt man sie ein, behaupten viele, man würde den Rechten den roten Teppich ausrollen und ihnen eine Plattform für ihre fragwürdigen Botschaften bieten. Lädt man sie nicht ein, bedient man wieder das Opfer-Narrativ. Diesen schwierigen Balanceakt gilt es, gelöst zu bekommen."
Eine rechtsextreme Gewalttat wie in Hanau ist aus Sicht eines Unterhaltungskünstlers sicherlich eine heikle Angelegenheit...
Bei Hanau hatte man das Gefühl, dass die AfD nur darauf wartet, dass sich die Angehörigen der Opfer dafür entschuldigen, was die AfD im Zuge der Diskussionen alles erdulden musste. Das ist auch aus Sicht eines Unterhaltungskünstlers sehr schwierig, damit umzugehen. Auch aus Sicht eines Unterhaltungskünstlers, der mal ein etwas verpeilter Sänger war und nun in Homevideos das Grundsatzprogramm von Pegida rappt.
Sie meinen Xavier Naidoo, der durch jüngst veröffentlichte Videos, in denen er Zeilen singt wie "Eure Töchter, eure Kinder sollen leiden, sollen sich mit Wölfen in der Sporthalle umkleiden" und damit diffuse Ängste gegen Flüchtlinge schürt, massiv Kritik auf sich zog und deshalb als DSDS-Juror bei RTL rausflog.
Klar. RTL hat richtig gehandelt, ihn zu suspendieren. Bis vor kurzem war ich ja noch Willens zu glauben, er wäre nur mal versehentlich mit dem Fahrrad bei der Reichsbürger-Demo vorbeigeradelt, jetzt aber muss man sagen: da steckt offenbar ein ziemlich krudes Weltbild dahinter. Ich bin nicht unbedingt ein Riesenfan von Symbolik, aber hier ist ein Zeichen angebracht. Ich würde in einer der populärsten Shows Deutschlands keinen sitzen haben wollen, bei dem ich nicht weiß, ob er zu Hause schon an seinem Manifest tippt.
Zurück zur Rolle der AfD. Was ist wichtig im satirischen Umgang mit der Partei?
Es gilt, fair und ohne Schaum vor dem Mund die AfD und ihre Rolle bei rechten Gewalttaten zu thematisieren. Wenn man immer direkt die Keule rausholt, dann stärkt man sie nur, anstatt ihre Rolle in den aktuellen Entwicklungen zu entlarven.
Wie genau kann das gelingen?
Es ist wichtig, ganz klar und differenziert Verantwortlichkeiten herauszuarbeiten und offenzulegen. Was wenig zielführend ist: Die AfD mit einem Zwei-Satz-Tweet für alles verantwortlich zu machen. Das ist zu plump und spielt denen zu viel in die Karten.
Der geistige Nährboden für rechte Gewalttaten wurde auch und vor allem durch eine Partei gesetzt, die nun mit ihren Sitzen im Deutschen Bundestag ein stimmgewaltiges Sprachrohr besitzt.
Den geistigen Nährboden für Gewalt gegen Menschen anderer Herkunft gab es vorher auch schon. Aber jetzt gibt es eine Partei, die ungleich heftiger als Verstärker dieser Stimmungen funktioniert. Dass ein Mann in Hanau gezielt in Shishabars rennt und das auch noch in einem Bundesland wie Hessen, in dem die AfD massiv Stimmung gegen Shishabars gemacht hat, zeigt die Zusammenhänge recht deutlich. Verrückt war der Mann natürlich vorher schon, aber den Ton einer Gesellschaft, der der Irre einen Gefallen zu tun glaubte, hat diese Partei mit gesetzt. Und diese Verbindungen dann herauszustellen, ist nicht unfair gegenüber der AfD – es ist nötig, um die Auswirkungen von Stimmungsmache aufzuzeigen.
Ihre Sendung trägt nicht umsonst den Titel "Artikel 5": Es geht darum, die Meinungsfreiheit zu garantieren. Das gilt auch für Satire, doch diese gerät immer wieder in die Schusslinie. Als Vorwurf, aber auch als Vorwand wird oft gesagt "Satire darf alles". Was darf denn Satire nun?
Momentan wird der arme Kurt Tucholsky mit seinem Satz 'Satire darf alles' überall am Nasenring durch die Arena gezogen. Sagen wir es so: Satire darf alles, sie muss aber nicht alles. Satire als überspitzte Form der Wirklichkeit ist super, aber wenn Satire darin mündet, vermeintlich Andersdenkende oder gesellschaftliche Feindbilder nur noch zu beleidigen, dann hat Satire nichts gewonnen. Je heftiger die Beleidigung, desto geringer die Bereitschaft des Adressaten, sich damit auseinanderzusetzen. Satire sollte einen gewissen Grad an Feinheit besitzen, damit sie auch die Leute erreicht, die tatsächlich angesprochen sind. Und auch bei Beleidigungen gibt es ein Fairnessgebot.
Wie schwer ist es denn, die angesprochenen Menschen zu erreichen?
Sehr schwer, denn was man bei Twitter heutzutage erlebt, ist Volksmusik. Was ich meine: Man erreicht nur noch die Menschen, die ohnehin die gleiche Gesinnung haben. Das wird dann in entsprechender Lautstärke von denen verbreitet, die das gleiche denken und fühlen, aber das bringt doch nichts. Wenn man ernsthaft den Auftrag empfindet, Menschen zum Nachdenken zu bringen, wirst du das nicht erreichen, wenn du jeden sofort in eine Nazi-Uniform steckst oder zum Trottel erklärst. Menschen anzusprechen, als wären sie Zweijährige, wird nichts bringen!
Stichwort: Mit feiner Klinge zur guten Satire. Wie erreicht man eine nötige Schöpfungshöhe, um den Kern seiner Botschaft legitimieren zu können?
Ich bin ja auch ein Freund der stumpfen Pointe und ich finde, die muss ihre Daseinsberechtigung haben. Aber sinnvoll ist es bei der Comedy-Arbeit immer, die ersten drei Pointen, die einem zum Thema einfallen, wegzulassen. Mein humoristisches Ziel ist es, dass sowohl mein Stammpublikum lacht, aber auch diejenigen zerknirscht da sitzen, die ich kritisiere. Sie sollen sich nicht unbedingt totlachen, aber zumindest sollen sie sich ein wenig schämen und denken: 'Okay, da hat er einen Punkt.' Wenn die Leute nicht komplett verbohrt sind, sind sie durchaus zur Reflektion in der Lage und wenn die sich mit einem bitteren Lächeln ertappt fühlen, dann ist schon eine Menge gewonnen.
Die Causa Umweltsau beim WDR zeigt: Humor wird Grenzen gesetzt. War das ein Paradebeispiel dafür, dass Redaktionen den Umgang mit Satire lernen müssen und Kontroversen auch aushalten sollten?
Man muss sich bewusst darüber sein, dass Satire gewisse Leute – ich sage es mal vorsichtig – erregt. Wenn es das nicht tut, braucht man es auch gar nicht erst zu senden. Wenn man humoristische Beiträge dann zurückzieht, vor welcher Interessensgemeinschaft auch immer, dann ist man immer schlecht beraten. Ich verstehe grundsätzlich den Ansatz, dass man die Gesellschaft versöhnen und nicht spalten möchte. Aber unter der Prämisse kann man besser nur noch den Wetterbericht senden. Irgendwer wird immer anrufen und sich beschweren.
Wie schwer ist es als Unterhaltungskünstler, den sehr schnelllebigen Entwicklungen beim Coronavirus gerecht zu werden? Wie fassen Sie das Thema mit satirischen Mitteln an?
Puh. Natürlich muss man nicht die Opfer verhöhnen. Aber sowohl die Rolle der Medien als auch unser eigenes – im Zweifel hysterisches Opfer, gar komplett entgrenzt-rücksichtsloses Verhalten – zu reflektieren, das wiederum darf Satire schon leisten. Ein wenig Selbsterkenntnis des Einzelnen kann uns helfen, ohne Bürgerkrieg durch die Krise zu kommen.
Besteht die Gefahr bei einem Virus, welches in ein paar Wochen auch viele deutsche Todesopfer hervorbringen könnte, die Grenzen des guten Geschmacks zu überziehen? Welche Verantwortung hat Satire in diesem Zusammenhang?
Kein Todesfall ist lustig. Jedes Opfer, jeder Angehörige verdient unser Beileid und Mitgefühl. Unsere Aufgabe ist es, den Einzelnen zur Reflexion zu erziehen, Panikmache zu vermeiden. Unsere Verantwortung ist es, die Hysterischen zu entspannen und die Gleichgültigen zu sensibilisieren. Wenn am Ende jeder weiß, wie lange beim Händewaschen zweimal Happy Birthday singen dauert, ist schon viel getan.
Vielen Dank für das Gespräch Herr Beisenherz.
Ausschnitte aus der Satiresendung "Artikel 5", die beim Bezahldienst MagentaTV zu sehen ist, werden von der Redaktion auch auf Youtube veröffentlicht. Wer die Show komplett sehen will, muss ein Abo ab 24 Euro aufwärts über die Telekom abschließen. Die Sendung gibt es hier: "Artikel 5" auf MagentaTV.