Ein Experiment Westernhagen: "Pfefferminz-Prinz" goes Blues
Berlin/Woodstock (dpa) - Es sind Ikonen deutscher Rock- und Popgeschichte. Bei Songs wie "Mit 18" oder "Johnny Walker" sind Fans von Marius Müller-Westernhagen auch gut 40 Jahre nach der Veröffentlichung noch erstaunlich textsicher.
Ganz zu schweigen von "Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz" vom gleichnamigen Kult-Album, das 1978 zum ersten großen Kassenerfolg des damals noch recht jungen Musikers wurde.
Eingefleischte Anhänger der überwiegend rockigen Stücke können sich auf eine musikalische Überraschung vorbereiten. Der inzwischen 70-jährige Müller-Westernhagen hat sich das Album noch mal vorgenommen. In einer alten Holzkirche bei Woodstock im US-Bundesstaat New York hat er den zehn Songs neue Arrangements und Instrumentalisierung verpasst.
"Das Pfefferminz-Experiment - Woodstock Recordings Vol. 1" ist geprägt von einer Art Blues und Country, wie sie den "America Recordings" des späten Johnny Cash zu großem Erfolg verhalfen.
Die Idee für eine Neueinspielung fand Müller-Westernhagen zunächst "vollkommen idiotisch", wie er der Deutschen Presse-Agantur in Berlin sagt. Er hatte zwei Drittel der Stücke seit Jahrzehnten nicht mehr gespielt. Als junger Mann habe er selbst nicht erklären können, warum er die Songs so geschrieben habe. Es sei damit recht naiv umgegangen. "Das war jetzt für mich der Reiz." Ein zweiter Anlauf sollte her, "wenn ich die richtigen Musiker dazu finde, das richtige Studio, den richtigen Raum für einen neuen Versuch".
Das Risiko suchte Müller-Westernhagen ohne seine Plattenfirma. "Ihr habt damit gar nichts zu tun, ihr kriegt das Album, wenn es rauskommt", habe er dem Label gesagt. Dort sei dann auch der Name für das Album auf Skepsis gestoßen. "Experiment bedeutet doch: das kann schief gehen." Dann denken die Menschen, du bist dir nicht sicher, habe es geheißen. Bei einem war sich der erfolgsverwöhnte Sänger sicher: "Das ist mir doch scheißegal!"
Mit Larry Campbell fand Müller-Westernhagen einen musikalischen Bruder im Geiste für sein Projekt. Der mit einem Grammy dekorierte Produzent und Multiinstrumentalist hat lange Jahre mit Bob Dylan gespielt. "Das war ein Rock'n'Roll-Album", erzählt Campbell über das erste Album in einer Dokumentation zu den Arbeiten. "Nichts war in Stein gemeißelt, als wir anfingen."
Rund ein Jahr hat Müller-Westernhagen mit dem Projekt verbracht. Am Ende steht ein völlig neues Album mit vermeintlich altbekannten Songs. "Mit 18" ist jetzt ein von Campbells Violine begleitetes Country-Stück. "Zieh' dir bloß die Schuhe aus" kommt im Rumba-Takt daher. Der halbseidene Allesdealer "Willi Wucher" scheint nun in einem Western sein Geld zu machen. Der Zuhälter-Song "Oh, Margarethe" wird fast zum Bittgesang. Den "Pfefferminz-Prinz" und "Johnny Walker" begleiten eine Slide Gitarre, "Dicke" entführt in eine Hispano-Bar.
Die zurückhaltenden Arrangements lassen Müller-Westernhagen nun viel Platz im musikalischen Zentrum, das er mit den teils schrägen Farben seiner Stimme nutzt. So braucht nun mancher schon längst verinnerlichte Song mitunter zwei, drei Anläufe, um ohne Verwunderung gehört werden zu können.
Wie Müller-Westernhagen ist auch Campbell von der Wirkung des hölzernen Kirchenbaus bei den Aufnahmen überzeugt. "Dieser Raum hat tolle Vibes", sagt Campbell. Die Umgebung schränke die Kreativität nicht ein. Das Projekt sei riskant zwar gewesen. Aber: "Du bist kein Künstler, wenn du kein Risiko übernimmst."
Im kommenden Sommer geht es auf Deutschlandtour, dem Charakter des Albums entsprechend durch Opernhäuser, Theatersäle, Philharmonien. Auch ein neues Studioabenteuer scheint schon geplant. Das Album trägt den Untertitel "Woodstock Recordings Vol. 1". Müller-Westernhagen ist offen für weitere Experimente, es gebe da "noch etliche Alben".