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Asterix-Comics: "Nur ausnahmsweise explizit politisch"


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Comics als Spiegel der Gegenwart
"Explizit politisch wird die 'Asterix'-Reihe nur ausnahmsweise"


24.03.2020Lesedauer: 4 Min.
"Asterix der Gallier" (1967): Ab Ende der 1960er-Jahre wurde die Comic-Reihe auch als Zeichentrickfilm adaptiert. Er basiert auf dem ersten, gleichnamigen Comicband von Albert Uderzo und René Goscinny.Vergrößern des Bildes
"Asterix der Gallier" (1967): Ab Ende der 1960er-Jahre wurde die Comic-Reihe auch als Zeichentrickfilm adaptiert. Er basiert auf dem ersten, gleichnamigen Comicband von Albert Uderzo und René Goscinny. (Quelle: picture alliance/United Archives/dpa)
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Die "Asterix"-Reihe mit ihren raffinierten Anspielungen gilt als "Comic des Bildungsbürgertums". Doch wie zeitnah und kritisch waren und sind die gezeichneten Abenteuer wirklich? Ein Rück- und Ausblick.

Schon der Name des pfiffigen Kriegers Asterix gibt die Richtung vor: Denn dieser leitet sich aus dem französischen "astérisque" ab – zu Deutsch: Sternchen (*), mit dem man im Text eigentlich nur auf eine Fußnote verweist.

Von wegen Fußnote. Das ist eine ziemliche Untertreibung für einen kampflustigen Gallier, dessen Abenteuer erstmals im Herbst 1959 im französischen Jugendmagazin "Pilote" erschienen – und ab 1968 auch in deutscher Übersetzung zu haben waren.

Raffinierte Anspielungen und Querverweise

Obwohl die Handlung in einem kleinen bretonischen Dorf spielt, das um 50 v. Chr. den römischen Besatzern die Stirn bietet, boten "Asterix"-Autor René Goscinny (1926–1977) und -Zeichner Albert Uderzo (1927–2020) von Beginn an zahllose raffinierte Anspielungen.

Die gezeichneten Abenteuer um seine Hauptfiguren Asterix, Obelix, Miraculix und Co. waren dabei der Hintergrund für belustigende bis satirische Auseinandersetzungen mit der zeitgenössischen französischen Gesellschaft.

Im Gegensatz zu anderen Helden wie "Micky Maus" oder "Fix und Foxi" galt "Asterix" deshalb als Comic mit intellektuellem Anspruch. Und bildete eine Ausnahme in der Comic-Kultur der 1960er- und 1970er-Jahre, in der viele gezeichneten Abenteuer eher seichte Unterhaltung waren.

"Asterix" und sein Verhältnis zu den Deutschen

Goscinny/Uderzo widmeten sich auch Selbst- und Fremdbildern, wenn sie ihre Helden auf Reisen schickten. Im dritten Band "Asterix und die Goten" (Originaltitel: "Astérix et les Goths", 1963), der 1970 in Deutsch erschien, treffen die Gallier auf ihre Nachbarn jenseits des Rheins.

Der Literaturkritiker Klaus-Peter Walter schreibt, dass Goscinny/Uderzo damals ein "wahres Schreckensbild" der Deutschen entwarfen, das "die alten Klischees aus der Zeit der 'Erbfeindschaft' reaktivierte – preußischer Pickelhauben- und Stechschritt-Militarismus, Rohheit und Aggressivität der so bezeichneten 'Barbaren'". Ganz zu schweigen von den Kriegsgelüsten in Richtung Gallien, sprich: Frankreich, und den von Uderzo gezeichneten Bildern, die entfernt an Hitler-ähnliche Gestalten, nationalsozialistische Fahnen und Symbole, wie das Hakenkreuz, erinnerten.

Dass das französischsprachige Original ausgerechnet im Jahr 1963 erschien, als zwischen Adenauer und de Gaulle der deutsch-französische Freundschaftsvertrag (Élysée-Vertrag) unterzeichnet wurde, gefiel deshalb nicht jedem.

"Eine Graphic Novel kann Aktuelles anders aufnehmen"

"Natürlich leben Comics – wie jedes Medium und jede Kunstform – aus den Stimmungen und Fragen der Zeit, in der sie entstehen", sagt der Aachener Asterix-Experte und Althistoriker Jörg Fündling auf Anfrage von t-online.de. Nur zeige sich das auf sehr unterschiedliche Weise, je nach Format und Erzählweise. "Eine Graphic Novel kann Aktuelles ganz anders aufnehmen als eine Serie mit lauter Einzelgeschichten, die voneinander fast unabhängig sind", erklärt Fünding.

"Asterix" ist für ihn ein gutes Beispiel: "Wir wissen zu Beginn jedes Bandes, dass es am Ende ein Festmahl gibt und nicht einmal das Personal im kleinen gallischen Dorf sich verändert hat – sogar die 'Gaststars' sind in der nächsten Geschichte wieder verschwunden."

"Asterix" bietet "keine erweiterte Konfliktlösung" an

Gerade das kritisiert Christine Gundermann. Die Professorin für Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Europa-Universität Flensburg beschäftigt sich unter anderem mit populären Formen von Geschichte mit Schwerpunkt Comicforschung.

Sie sagt t-online.de, "dass 'Asterix' zwar oberflächlich moderne Probleme reflektiert, dies aber mit den Werkzeugen der 1950er- und 1960er-Jahre." Es gebe keine erweiterte Konfliktlösung, keine neuen Akteure mit neuen Handlungsmustern. "Die Wertmaßstäbe bleiben, wie sie sind – ob Fremd und Eigen oder Freund und Feind." Allerdings mit Ausnahmen, wie Gundermann einräumt.

Im 38. "Asterix"-Band aus dem Jahr 2019 sorgt eine neue Heldin bei Asterix und Obelix für Wirbel. Sie heißt Adrenaline und erinnert ein wenig an Klimaschutz-Aktivistin Greta Thunberg.

"Kein 'Asterix'-Band mit einer antiken Version der Corona-Pandemie"

Denn anders wie das Team Goscinny/Uderzo ist das aktuelle Gespann, der Autor Jean-Yves Ferri und der Zeichner Didier Conrad, durchaus offener für neue Figuren – aber auch für aktuelle Gegenwartsprobleme? Jörg Fündling winkt ab: "Die Superhelden von Marvel und DC konnten gegen die Nazis kämpfen und die Trümmer von 9/11 wegräumen, aber auch mit dem neuen Autorenteam werden wir keinen 'Asterix'-Band mit einer antiken Version der Corona-Pandemie erleben.“

Das Serienkonzept gebe das auch gar nicht her, so Fündling. "Bei 'Asterix', wo der Grundton konsequent komisch ist, stirbt niemand und muss niemand länger leiden, als die Beulen eines verprügelten Römers zum Heilen brauchen", sagt der Experte.

Französische Präsidenten, Sean Connery und die Beatles

Dennoch sind auch in dieser Erzählform Zitate aus der Gegenwart herauszulesen. "Grafisch hat 'Asterix' eine dreistellige Zahl an Prominenten gut erkennbar karikiert, darunter fast alle französischen Präsidenten, Sean Connery und die Beatles", wie Fündling erklärt.

Doch: "Explizit politisch wird die Serie nur ausnahmsweise." Zum Beispiel im Jahr 2015, als eine Figur, an den Wikileaks-Gründer Julian Assange erinnert: Die wird von den Römern gejagt, weil sie peinliche Enthüllungen über Cäsar plant.

Vielleicht lieben die Leser ihren "Asterix" ja aber gerade deshalb – weil er so ist, wie er ist: verschmitzt, unberechenbar und beileibe keine Fußnote.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Walter, Klaus-Peter: "Asterix". In: Nicole Colin u. a. (Hrsg.): Lexikon der deutsch-französischen Kulturbeziehungen nach 1945. Tübingen, 2013, S. 106f.
  • Gundermann, Christine: "50 Jahre Widerstand: Das Phänomen Asterix"
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