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Conrad Schumanns "Sprung in die Freiheit": Das Bild wird zum Leben erweckt


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"Sprung in die Freiheit"
Wie dieses Bild jetzt zum Leben erweckt wird


14.03.2021Lesedauer: 4 Min.
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"Der Sprung": So wird dem historischen Bild Leben eingehaucht – und so sieht es hinter den Kulissen der Macher aus. (Quelle: t-online)
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Am 15. August 1961 sprang der DDR-Grenzpolizist Conrad Schumann über eine Stacheldrahtbarriere in den Westen – und wurde weltberühmt. Die Geschichte hinter dem Foto wird nun mittels modernster Technik erlebbar.

Biegt man heute in Berlin von der Bernauer in die Ruppiner Straße, dann fällt als Erstes ein Stück Brachland ins Auge. Neubauten mit Balkonen aus gusseisernen Stäbchen-Geländern ragen dahinter in die Höhe. Auf der anderen Straßenseite firmiert eine Bäckerei und ein Immobilienbüro. Eine unauffällige Ecke in dieser oft so aufsehenerregenden Stadt. Nur Gedenktafeln entlang eines schmalen Spazierpfads deuten hier auf eine historische Besonderheit hin. Sie erzählen von der Trennung Berlins und der Mauer, die an diesem Ort die DDR vom französischen Sektor trennte. Sie erzählen die Geschichte vom "Sprung in die Freiheit".

Im Mittelpunkt: Conrad Schumann. Eine Audiotafel zitiert den ehemaligen Grenzpolizist der DDR aus einem alten ZDF-Interview. Er erzählt, wie er am 15. August 1961, zwei Tage nach Beginn des Mauerbaus in Berlin, kurzentschlossen aus der DDR in den Westen floh – mit dem ikonischen "Sprung in die Freiheit". Der Hamburger Fotograf Peter Leibing hält den Moment für die Ewigkeit fest. Das Foto des fliehenden DDR-Bewachers geht um die Welt. Das Bild gehört heute zum deutschen UNESCO-Weltdokumentenerbe und zählt laut "Time"-Magazin zu den 100 Fotografien, welche die Welt verändert haben.

"Mich interessieren die Menschen hinter den Geschichten"

Doch es bleibt eine Fotografie, mit einem 200-mm-Teleobjektiv geschossen, schwarz-weiß in Geschichtsbüchern und auf Gedenktafeln. Jetzt hat der Filmemacher Boris Hars-Tschachotin buchstäblich Bewegung in die Sache gebracht – und aus dem Foto ein Erlebnis gemacht. In einer technisch hochaufwändigen 360-Grad-Installation wird der Sprung von Conrad Schumann rekonstruiert, aus drei Perspektiven. Vom 15. März bis zum 5. April sind die drei Kurzfilme à fünf Minuten im Deutschen Historischen Museum zu sehen. Eine VR-Brille verwandelt die unauffällige Ecke Bernauer Straße/Ruppiner Straße in den geschichtsträchtigen Moment am 15. August 1961.

"Mich interessieren immer die Menschen hinter den Geschichten", erzählt Hars-Tschachotin in dem Raum seiner Kunstinstallation, der mit den Originalkulissen des Filmdrehs ausstaffiert wurde. 2018 habe er die Idee gehabt, den Sprung des Grenzflüchtlings mittels neuester Technik nachzuerzählen. Finanzielle Probleme haben das Projekt letztlich erst im Juli 2020 Realität werden lassen: 84 Leute waren an den drei Drehtagen beteiligt. Weil es plötzlich regnete, das Budget aber bereits aufgebraucht war, versammelte sich die gesamte Crew unentgeltlich an einem Sonntag erneut – und brachte die multiperspektivische Erzählung schließlich in den Kasten.

Der größte Aufwand entstand ohnehin erst nach den Dreharbeiten, bei denen die Schauspieler Kamera-bestückte Helme trugen und insgesamt 14 Kameras gleichzeitig im Einsatz waren. Denn die historische Rekonstruktion des Mauerabschnitts wurde mit einem 3D-Modell realisiert und musste am Computer mit den Kameraaufnahmen zusammengefügt werden – im Video oben oder direkt hier können Sie hinter die Kulissen der Produktion blicken. Eine in dieser Form einzigartige Leistung im Virtual-Reality-Bereich, die nun die Zuschauer zu Zeitzeugen macht.

Setzt man die Brille auf, wird man 60 Jahre zurückversetzt und landet in einem Erlebnisraum, der aus den Augen dreier Protagonisten betrachtet werden kann. Denen des fliehenden Conrad Schumanns, des Fotografen Peter Leibings und des West-Berliner Polizisten Manfred Klumms, der in dieser Reihe die einzige fiktionalisierte Figur darstellt. Boris Hars-Tschachotin hat auch andere Nebenfiguren erfunden, Dialoge und Begegnungen erdacht. Nicht alles ist zu hundertprozent historisch belegt. "Es gibt nicht die eine Wahrheit", meint der in Stuttgart geborene Installationskünstler und Regisseur. Ihm sei es wichtig gewesen, "die Widersprüche und Unterschiede persönlicher Erfahrungen für das Publikum erlebbar" zu machen.

Historie und Fiktion: "Nieder mit Ulbrichts KZ"

Studierende versammeln sich in "DER SPRUNG – 1961" kurz vor dem historischen Sprung Schumanns vor dem Stacheldrahtzaun und skandieren: "Nieder mit Ulbrichts KZ". Zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort gab es die nicht, doch an vielen anderen Stellen wurden in der Zeit des Mauerbaus immer wieder Proteste laut – und darum geht es Hars-Tschachotin. Er will den Moment mit Leben anreichern, eine Dramaturgie aufbauen. Die Zuschauer hören die Gedanken der drei Protagonisten, fühlen mit dem Grenzflüchtling, der hadert und von Ängsten geplagt ist, er könne den Sprung nicht überleben. Wir erleben mit, wie der Fotograf über seine Erfahrungen beim Spring- und Dressurderby spricht und damit erklärt, warum er bestens geeignet ist, den perfekten Moment des Sprungs auf Kamera festzuhalten.

Insgesamt 15 Minuten ermöglicht die virtuelle Realität ein immersives Erleben. Die Teilung der Stadt, der Mauerbau und die menschlichen Tragödien rütteln auf und gehen in der Unmittelbarkeit des 3D-Abenteuers unter die Haut. Am Ende sind es dabei vor allem die kleinen Geschichten, die im Gedächtnis bleiben. Dass der 19-jährige Conrad Schumann den Beruf des Schäfers gelernt hatte und auch deshalb derart kräftig abspringen konnte. Oder dass eine DDR-Bürgerin ihm kurz vor seiner Flucht beim Blumengießen mit einem Schwall Wasser die Zigarette löscht – und wir Zuschauer für einen Moment mit ihm fühlen und denken: Komm Conrad, schnell weg hier, Zeit abzuhauen.

Verwendete Quellen
  • Deutsches Historisches Museum: "DER SPRUNG – 1961"
  • Eigene Eindrücke vor Ort
  • Interview mit Boris Hars-Tschachotin
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