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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Oscars und #MeToo Zeit für ein neues Hollywood
Die erste Oscar-Verleihung im Zeitalter von #MeToo macht klar: Hollywood weiß, dass es ein Riesenproblem hat – aber davon will sich niemand die Stimmung verderben lassen.
Einen Oprah-Moment gab es nicht. Keine Ekstase, wie vor zwei Monaten, als Oprah Winfrey bei den Golden Globes eine wuchtige Rede hielt, die den neuen Zeitgeist in Sachen Sexismus und Rassismus so geschickt auf den Punkt brachte, dass sie danach als mögliche Präsidentschaftskandidatin galt.
Oprah hielt keine Rede bei den Oscars, und es hielt auch sonst niemand eine Oprah-Rede. Und doch war unübersehbar, dass der Zeitgeist, den sie kürzlich thematisierte, auch diese Oscar-Verleihung dominierte: Es ging um #MeToo und Macht, um Frauen und Gleichberechtigung, und darum, den weißen heterosexuellen Platzhirschen ihre Macht streitig zu machen.
Wie politisch würden die Oscars werden? Das war die Frage vor der 90. Verleihung der Preise. Im Vorfeld ging es weniger um das schöne Jubiläum, als um die gesellschaftliche Revolution, die unter dem Schlagwort #MeToo vor fünf Monaten ihren Anfang eben genau in Hollywood nahm und die Filmbranche kräftig durchschüttelt.
Ein Umsturz, der auch eine Doppelmoral Hollywoods enthüllt hat: Dass sich in der progressiven heilen Welt eben Machtmissbrauch insbesondere auf Kosten von Frauen und Minderheiten vollzieht. #MeToo begann mit der Enthüllung, dass einer der mächtigsten Filmproduzenten Hollywoods, Harvey Weinstein, reihenweise und jahrelang Schauspielerinnen begrapscht, belästigt, missbraucht haben soll.
Ein "Abend der Positivität"
Oscar-Moderator Jimmy Kimmel erwähnte den Namen Weinstein bereits nach drei Minuten seiner Eingangsrede – auf keinen Fall durfte der Eindruck entstehen, man feiere sich hier lediglich selbst und stehle sich aus der Verantwortung. Stattdessen machte Kimmel klar, mit welchem Ton die Krisenlage #MeToo an dem Abend gewürdigt werden sollte: Der im Zuge der Debatte eingetretene Wandel sei positiv und dies solle ein "Abend der Positivität" werden.
So konnte Kimmel vermelden, dass mit Greta Gerwig zum ersten Mal seit acht Jahren wieder eine Frau unter den Nominierten für die beste Regie sei. Und dass das große Problem ungleicher Bezahlung zumindest im Fall von Mark Wahlberg und Michelle Williams (hier mehr dazu) durch eine Spende des Mannes an den Hollywood-Fonds "Time's up" für Opfer sexueller Belästigung gelöst werden konnte.
Das passte zur allgemeinen Stimmung: Einen Grund, wie bei den Golden Globes in Schwarz zu kommen, sahen die Gäste offenbar nicht. Auf dem roten Teppich war es bunt wie eh und je. Die Oscars sind eben zum Feiern da. Und so wurde eher mit viel Pathos gefeiert, dass Frauen und Minderheiten nun selbstverständlich ihren Anteil einfordern.
Ein starker Moment der besten Schauspielerin
Die Schauspielerinnen Ashley Judd, Salma Hayek und Annabella Sciorra, die allesamt Weinstein sexueller Übergriffe beschuldigt hatten, moderierten einen Einspieler an, der die wirklich vielen Filme und Filmemacher würdigte, die sich zuletzt für Diversität in Hollywood eingesetzt haben. Mehrere kurze Auftritte feiern dieses neue Selbstbewusstsein. Alles nach dem Motto: Toll, was hier passiert.
Den stärksten Moment, weil er nicht so perfekt choreografiert wirkte wie viele andere, lieferte dabei Frances McDormand, die den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle gewann: Sie forderte alle Künstlerinnen im Saal auf, sich zu erheben. "Schaut euch um – wir alle haben Geschichten, die erzählt und Projekte, die finanziert werden wollen", rief sie den anwesenden Studiobossen entgegen. Gleichberechtigung geht halt in Hollywood vor allem über das Geld.
Die Filmstars waren sich mit ihrem Fokus auf Diversität an diesem Abend so einig, dass es keiner Angriffe auf den von Hollywood verschmähten Donald Trump brauchte, um die Gemeinsamkeiten zu stärken. Sein Name fiel nur in Nebensätzen. Eigentlich gibt es in den USA kein größeres Thema als Trump, doch an diesem besonderen Oscar-Abend war Hollywood ganz mit sich selbst beschäftigt.