Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Putin-Clique bangt um Vermögen Die bislang unberührten Oligarchenfamilien
Viel war in den letzten Wochen von russischen Oligarchen die Rede, die um ihre Milliarden fürchten müssen. Doch die Kriegssanktionen trafen längst nicht alle aus Putins Geldelite.
Schon jetzt ist klar: Die Gräueltaten von Butscha markieren einen Wendepunkt im Kampf gegen Putins Angriffskrieg. Zwar ging der Westen auch schon vorher mit vereinten Kräften gegen Russland vor, doch alle Sanktionsmöglichkeiten schöpften EU und Co. nicht aus. Am Dienstag dann die Nachricht: Die Ermordungen und Schändungen von Zivilisten in dem ukrainischen Vorort von Kiew müssen Konsequenzen haben.
Ein Vorschlag liegt seitdem auf dem Tisch: Importverbot für Kohle und Hafensperren für russische Schiffe. Ein weiterer folgte bereits am Mittwoch: Die USA gaben bekannt, unter anderem die Vermögenswerte von Wladimir Putins Töchtern einzufrieren – mehr dazu lesen Sie hier.
Doch reicht das? Was ist mit den Oligarchen und ihren breit verstreuten Besitztümern? Immer mehr Stimmen werden laut, wonach viel zu viele der reichen Russenfamilien bisher unbescholten davongekommen sind. Und tatsächlich: Von den 20 reichsten russischen Oligarchen wurde die Hälfte bislang nicht sanktioniert. Eine einfache Zahl verdeutlicht den Reichtum, der noch unberührt in Jachten, Luxusvillen, Devisenkonten und seltenem Diamantenschmuck schlummert: 170 Milliarden US-Dollar.
Potanin, Michelson und Co.: Superreiche kommen davon
Zehn Oligarchen aus Russlands Top-20 der Geldelite verfügen über diese gigantische Summe. Dies geht aus einer Analyse der US-Nachrichtenagentur "Bloomberg" hervor. Darunter sind so illustre Namen wie Wladimir Potanin, der mit der Herstellung und des Verkaufs von Nickel zum offiziell reichsten Russen der Welt wurde. Auch der Zweitplatzierte aus dem Luxus-Kreis ist von Sanktionen bisher nicht getroffen worden: Leonid Michelson, ein Öl- und Erdgasunternehmer.
Hievt die Schande von Butscha sie nun auch auf die Sanktionslisten von USA, EU und Co.? Ein Problem bei all den Versuchen, die vermögenden Freunde Wladimir Putins in die Knie zu zwingen, sind die Schlupflöcher, durch die sie entkommen. Und eine dieser Methoden scheint ganz simpel: Die Frauen und Familien der Oligarchen können durch oft undurchsichtige Kontengeflechte weiter Rubel verprassen und ihrem Luxus frönen. Zeit, einige von ihnen genauer unter die Lupe zu nehmen.
Familie Potanin
Er ist mit mehr als 30 Milliarden Dollar der reichste Mann Russlands, spielt mit Putin Eishockey und wurde bisher nicht sanktioniert. Sein Metallkombinat Norilsk Nickel liefert Nickel, Palladium, Platin, Kupfer, Silber, Gold, Kobalt und andere Metalle in den Westen. Würde man ihn ins Visier nehmen, so offenbar das Kalkül, träfe es die eigenen Lieferketten härter als die russische Wirtschaft.
So lebt Wladimir Potanin weiter in Saus und Braus. 30 Jahre lang war er mit Natalia Potanina verheiratet. Im November 2013 folgte die Trennung. Doch seine Ex kämpft seither vor einem Moskauer Amtsgericht um die gleichmäßige Verteilung des milliardenschweren Vermögens. Es wäre nach der Scheidung von Jeff Bezos und seiner Frau die zweitteuerste Scheidung in der Geschichte. Seit 2014 ist er mit Ekaterina Potanina verheiratet. Er hat drei Kinder: Anastasiya, Ivan und Vasily.
Familie Michelson
29,2 Milliarden Dollar Vermögen machen Leonid Wiktorowitsch Michelson zum zweitreichsten Mann Russlands. Doch Bilder von ihm existieren nur mit Politgrößen wie Wladimir Putin höchstpersönlich. Seine Frau Ljudmila und seine Tochter Viktoria hält er strikt aus der Öffentlichkeit heraus. Der CEO des Energieunternehmens Nowatek hat zwar enge Kontakte zu Putin und tauchte prominent in den Paradise-Papers-Enthüllungen im November 2017 auf, befindet sich aber bis jetzt nicht auf den Sanktionslisten des Westens.
Familie Lissin
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Instagram-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Instagram-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Wladimir Lissin, 65 Jahre alt und Vorsitzender von Novolipetsk Steel, dem größten Stahlproduzenten Russlands, ist den Sanktionen bisher entkommen. Er besitzt eines der größten Logistikunternehmen Russlands, den Hafenbetreiber UCL Port und die Reederei VBTH. Sein Vermögen wird auf 28 Milliarden Dollar geschätzt. Mit seiner Ehefrau Lyudmila Lisina hat er drei gemeinsame Kinder. Warum die Familie unbestraft bleibt? Eine Vermutung lautet: Es träfe die europäischen Industrien hart, auf den Stahl zu verzichten, den er kontrolliert.
Familie Alekperow
Etwas komplizierter gestaltet es sich offenbar bei Wagit Alekperow. Zwar befindet er sich bislang nicht namentlich auf den Sanktionslisten, doch sein Vermögen hat dennoch in den letzten Wochen seit Kriegsbeginn stark gelitten.
Der Gründer, Chef und größte Aktionär des Mineralölkonzerns Lukoil sieht sein Geld schwinden, weil der Aktienkurs seines Unternehmens fällt. Vielleicht auch deshalb hat Alekperow die vorgeschriebenen AIS-Trackingsysteme seiner 70-Meter-Jacht Galactica Super Nova abgeschaltet. Am 2. März verließ das 80 Millionen Dollar schwere Schiff Tivat in Montenegro – und ist seitdem von der Bildfläche verschwunden.
Der 71-Jährige ist mit Larisa Alekperova verheiratet und hat mit ihr ein Kind. Der inzwischen erwachsene Yusuf Alekperov machte 2012 seinen Abschluss an der Gubkin-Universität für Erdöl und Gas.
Familie Fedun
Ebenfalls verschont geblieben: Leonid Fedun. Der russische Manager ist im Mineralölbereich tätig. Geschätztes Vermögen: 8,5 Milliarden Dollar. Er gilt als engster Vertrauter von Wagit Alekperow, in dessen Ölfirma Lukoil er arbeitet und von der er zehn Prozent Anteile hält.
Außerdem ist Fedun zweitgrößter Anteilseigner von Spartak Moskau, Russlands erfolgreichstem Fußballverein. Dem 66-Jährigen wurde von Putin der Orden für Verdienste um das Vaterland verliehen. Fedun war bereits zweimal verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Frau Marina soll mit ihm nicht nur leidenschaftlich gern Spiele von Spartak Moskau besuchen, sondern sich auch immer wieder in die Belange des Klubs einmischen.
Familie Rybolowlewa
Mit Düngemitteln begann seine Milliardärskarriere. Doch bekannt wurde Dmitri Rybolowlew der breiten Öffentlichkeit vor allem ab dem Jahr 2011 als Besitzer des französischen Fußballklubs AS Monaco. 2012 erkaufte er sich die Staatsbürgerschaft Zyperns und ist damit EU-Bürger. Besondere Putin-Nähe wird ihm nicht unterstellt. Mit 10,8 Milliarden Dollar Vermögen rangiert der 55-Jährige aber auf Platz 15 der reichsten Russen.
Der als medienscheu geltende Rybolowlew heiratete 1987 und hat zwei Kinder. Von seiner Frau Elena lebt er allerdings getrennt. Sie soll im Jahr 2014 nach sechs Jahren Rosenkrieg 3,3 Milliarden Euro aus der Scheidung kassiert haben.
- Eigene Recherchen
- Bloomberg: "Half of Russia’s 20 Richest Billionaires Are Not Sanctioned" (englisch)
- Forbes: "Biden And Allies Are Coming For Russian Billionaires’ Yachts: Forbes Tracked Down 46. Here’s Where To Find Them" (englisch)
- Marine Traffic: "GALACTICA SUPER NOVA" (englisch)
- GQ Magazin: "Ирина Винер-Усманова: 'Женщины уже освободились так, что тошнит смотреть'" (russisch)