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Biathlon-Legende Laura Dahlmeier: Kann man auf ein Comeback hoffen?


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Laura Dahlmeier über Kletterunfall
"Man macht die Augen zu und hofft: 'Hoffentlich ist es bald vorbei'"

  • T-Online
InterviewVon Alexander Kohne

Aktualisiert am 22.02.2023Lesedauer: 6 Min.
Laura Dahlmeier ist Weltmeisterin.Vergrößern des Bildes
Laura Dahlmeier: Die ehemalige Biathletin wurde zweimal Olympiasiegerin und siebenmal Weltmeisterin. (Quelle: IMAGO / Sven Simon/imago-images-bilder)

Mit 25 Jahren beendete Laura Dahlmeier ihre Biathlonkarriere. Noch immer hoffen viele Fans insgeheim auf ein Comeback. Doch die Doppelolympiasiegerin hat andere Pläne. Ein Gespräch über Berge, Freiheit und tragische Verluste.

Seit vier Jahren ist Laura Dahlmeier keine professionelle Biathletin mehr. Damals beendete sie aus heiterem Himmel ihre Karriere – als Beste ihres Fachs. Über die Hintergründe rätseln viele Beobachter noch immer.

Mittlerweile hat sich die Bayerin andere Betätigungsfelder gesucht. Neben ihrem Sportstudium betreibt Dahlmeier leidenschaftlich gerne Bergsport: Sie nahm an der Berglauf-WM in Patagonien teil, war mit den Extrembergsteigern Thomas und Alexander Huber am Mont Blanc unterwegs und gewann den Zugspitz-Ultratrail. Dem Biathlon-Zirkus ist die 29-Jährige nur noch als TV-Expertin verbunden – so wie bei der gerade zu Ende gegangenen Weltmeisterschaft in Oberhof.

t-online: Frau Dahlmeier, Sie haben während der Biathlon-WM mehrfach von der Stimmung geschwärmt. Kribbelt es manchmal, die Skier unterzuschnallen und ein Comeback zu starten?

Laura Dahlmeier: Nein, überhaupt nicht. (lacht) Es war eine superschöne Zeit als Biathletin und die möchte ich nicht missen. Aber ich weiß, wie viel Training dahintergesteckt hat. Da bin ich lieber als Expertin dabei – selbst zu laufen, das brauche ich wirklich nicht mehr. (lacht)

Sie sind weiterhin sportlich aktiv – von Klettern über Skitouren bis zum Mountainbiken. Darüber berichten Sie in Ihrem neuen Buch "Wenn ich was mach, mach ich's gscheid". Dort heißt es: "Die Liebe zum Bergsport ist eine andere als die zum Biathlon." Warum?

(Kurze Pause) Das ist eine gute Frage. Seitdem ich ein kleines Kind war, war es mein großer Traum, im Biathlon in die Weltspitze zu kommen. Darauf habe ich alles ausgerichtet. Bergsport ist für mich viel freier, eher etwas, das ich immer schon nebenbei gemacht habe – aber bei Weitem nicht so zielorientiert.

Was bedeuten die Berge für Sie?

Sie sind ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich bin unheimlich gerne draußen unterwegs. Wichtig ist mir dabei die Freiheit – ich kann mich absolut frei bewegen. In den Bergen ist jeder Mensch gleich, da ist egal, wo man herkommt oder was man auf dem Konto hat. Es zählt der Moment, das Hier und Jetzt in der Natur. Außerdem kann man in der Natur am besten bei sich selbst ankommen, ohne vom Alltag oder anderen Dingen abgelenkt zu sein.

Apropos Freiheit. Was bedeutet das für Sie?

Es ist ein Gefühl – und damit schwer zu fassen. (überlegt) Es geht darum, keine Beschränkungen zu haben, sich ausleben zu dürfen. Ich würde es mit unbeschränkten Möglichkeiten beschreiben. Das empfinde ich in den Bergen deutlich stärker als irgendwo anders.

Hat Ihnen diese Freiheit im Biathlon gefehlt?

Im Leistungssport gibt es eine gewisse Struktur, aus der man nicht so einfach rauskommt. Das war mir immer sehr bewusst, und ich habe versucht, mich dort unterzuordnen und das Beste daraus zu machen. Aber mir war schon recht schnell klar, dass ich den Sport nicht ewig machen werde. Natürlich hatte ich einige Freiheiten, was beispielsweise die Trainingsgestaltung angeht. Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass mir diese Struktur zu viel wird und das Raster zu eng ist.

Wann haben Sie die Entscheidung getroffen, Ihre Karriere zu beenden?

Das war ein Prozess. Nach den Olympiasiegen 2018 hatte ich einen Mountainbikeunfall. Da ging es mir ziemlich schlecht und ich habe mir gesagt: "Wenn ich bei der kommenden WM eine Medaille gewinnen sollte, war's das!" Das ist dann so gekommen. Um ehrlich zu sein, habe ich in den Monaten zuvor aber schon gespürt, dass es meine letzte Saison werden wird.

Viele Fans können noch immer nicht verstehen, dass Sie mit 25 Jahren – als Doppelolympiasiegerin – Ihre Karriere beendet haben. Wie erklären Sie ihnen die Entscheidung?

Zu einem Olympiasieg gehört extrem viel. Um am entscheidenden Tag seine Bestleistung abzurufen, muss alles passen – und man muss über viele Jahre hart dafür arbeiten. Wenn man nicht mit absoluter Überzeugung dahintersteht, kann das nichts werden. Diese hundertprozentige Entschlossenheit hatte ich nicht mehr. Mein Karriereende war die klare Konsequenz.

Gab es vorher einen Moment, in dem Sie gedacht haben: "Ich schmeiße jetzt alles hin"?

Als erfolgreicher Sportler gehört es dazu, sich selbst und seine Leistung zu hinterfragen. Auch ich habe immer wieder mal gezweifelt oder sogar überlegt aufzuhören, allerdings waren das nur kurze Momente. Schließlich liebe ich diesen Sport und den Trainingsprozess. Nach dem bereits erwähnten Mountainbikeunfall war ich im Sommer 2018 beispielsweise in einer Münchner Klinik und habe es im Englischen Garten nicht mal von einer Parkbank zur nächsten geschafft. Da habe ich schon gedacht: "Du kannst nie mehr in deinem Leben Leistungssport machen. Das war's jetzt!" Ich war verzweifelt und hätte nicht gedacht, dass ich jemals wieder zurückkommen kann. Als Sportler ist aber auch die Regeneration viel schneller und ich wurde innerhalb weniger Wochen wieder fit.

Vor den Olympischen Spielen 2018 ist ein guter Freund von Ihnen beim Eisklettern verunglückt. Im Buch beschreiben Sie, wie sehr Sie das mitgenommen hat und wie Sie nach dem Gewinn der Goldmedaille in den Katakomben des Stadions gesessen und sich Sinnfragen des Lebens gestellt haben. Konnten Sie den Olympiasieg genießen?

Das ist schwer zu sagen. Auf der einen Seite schon, andererseits auch nicht. Ich war wenige Tage vor Abflug nach Südkorea auf seiner Beerdigung, habe das außer den Trainern und Teamkollegen aber niemandem erzählt. Wenn man so eine Situation hautnah miterlebt hat, fällt es schwerer, sich zu freuen. Dieses ganze Szenario in Pyeongchang war sowieso nicht, wie ich es mir erhofft hatte. Ich habe Olympia nicht so wahrgenommen, wie ich es mir als Kind erträumt hatte. Der Moment, ganz oben auf dem Treppchen zu stehen, war gar nicht so erfüllend, wie ich ihn mir vorgestellt hatte.

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Was meinen Sie genau?

In Pyeongchang war das abends um neun Uhr, es war stockfinster, saukalt, der Wind hat gepfiffen und es waren kaum Zuschauer da. Einfach harte Bedingungen. Das alles hat sich bei mir emotional widergespiegelt. Natürlich habe ich mich schon gefreut, denn der Sprint in Pyeongchang war sicher das beste Rennen, das ich in meinem Leben abgeliefert habe. Aber trotzdem war mir überhaupt nicht nach ausgelassener Feierstimmung. Ich habe eher gedacht: "Mir reicht's. Ich möchte wieder zurück in die Unterkunft."

Das hört sich nicht danach an, als hätten Sie sich in diesem Moment richtig gefreut.

Ich habe es definitiv versucht, aber es war schwer. Die Stimmung drumherum hat es nicht einfach gemacht. Aber spätestens bei der gemeinsamen Sektdusche mit Andi Wellinger im deutschen Haus merkte ich, dass es ein wirklich ganz besonderer Tag in meinem Leben war.

Video | Dahlmeier sorgt sich um Wintersport
Quelle: Glomex

Nach den beiden Goldmedaillen ist das öffentliche Interesse an Ihrer Person immens gestiegen. Sie schreiben darüber: "Ich fühlte mich schon sehr vereinnahmt und wurde auf Schritt und Tritt verfolgt." Hätten Sie auf die Bekanntheit gerne verzichtet?

Da gibt es eine Dualität. Natürlich gehört ein gewisser Bekanntheitsgrad dazu und ich kann davon auch gerade gut leben. Daher weiß ich, dass das ein Teil meines Lebens ist und weiß, damit umzugehen. Außerdem habe ich viele tolle Kontakte geknüpft und Partner gefunden, mit denen ich bis heute zusammenarbeite. Von daher hat es viele positive Seiten. Aber es ist nicht so, dass ich das Bad in der Menge brauche. Ganz im Gegenteil: Ich mag gerne ruhige und stille Orte. Ich bin niemand, dem wichtig ist, bekannt zu sein.

Noch einmal zu Ihrer Bergbegeisterung: Sie beschreiben in Ihrem Buch, dass Sie sich dort gewissen Gefahren aussetzen. Wie oft hatten Sie ernsthaft Angst um Ihr Leben?

Wenn man im Bergsport unterwegs ist, setzt man sich automatisch mit seiner eigenen Angst auseinander. Aber man versucht trotzdem, immer handlungsfähig zu sein. Angst darf nicht in Panik übergehen und lähmen. Man lernt, mit diesem emotionalen Zustand umzugehen. Es gab schon gefährliche Momente, die ich nicht unbedingt ein zweites Mal erleben möchte. Aber die kann ich an einer Hand abzählen.

In Bezug auf einen Kletterunfall 2014, nach dem Sie mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht wurden, schreiben Sie: "Ich schlage ein paar Mal auf, falle kopfüber." Hatte Sie da keine Angst?

Doch. In diesem Moment ist der Griff aus der Wand gebrochen und ich bin hinabgefallen. Da fragt man sich natürlich: "Wie weit stürze ich und dann bleibe ich endlich am Seil hängen?" Aber irgendwann macht man die Augen zu, spannt alles an und hofft: "Hoffentlich ist es bald vorbei." Natürlich hatte ich da schon Angst und Panik.

Drei Freunde aus Ihrer Kletterclique sind in den vergangenen Jahren am Berg verunglückt. Warum begeben Sie sich dennoch immer wieder in Gefahr und gehen Klettern?

Das ist einfach die Faszination, die die Berge in mir auslösen. Das sind besondere Momente, die viel stärker sind als bei anderen Ausdauersportarten. Die drei haben alle für den Bergsport gebrannt. Wenn ich sie fragen würde, bin ich mir sicher, dass sie antworten würden: "Mach unbedingt weiter!" Sie sind nicht bei den schwierigsten Aktionen ums Leben gekommen, sondern bei vermeintlich einfachen Sachen. Und passieren kann immer etwas, auch im Straßenverkehr. Ich liebe die Berge, ich liebe den Bergsport, und es wäre keine Option für mich, aufzuhören.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Laura Dahlmeier
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