104. Italien-Rundfahrt Buchmanns zerplatzter Giro-Traum
Cortina d'Ampezzo (dpa) - Emanuel Buchmanns Traum vom ersten Podiumsplatz bei einer großen Rundfahrt zerplatzte auf einer tristen Brücke im Nordosten Italiens.
Mit stark blutendem Gesicht hockte die deutsche Radsport-Hoffnung nach einem Massensturz am Pfingstsonntag auf einer hölzernen Leitplanke und ahnte wohl schon, dass der Giro d'Italia für ihn beendet ist. "Es ist das Schlimmste, was uns passieren konnte. Es war unser großes Ziel, Emu auf das Podium zu bringen. Er hatte die Form dazu, war gut im Klassement platziert, und alle haben auf dieses Ziel hingearbeitet", sagte Jens Zemke, sportlicher Leiter beim Team Bora-hansgrohe, der Deutschen Presse-Agentur.
Als der Giro-Tross die 15. Etappe fortsetzte, war Buchmann schon auf dem Weg ins Krankenhaus. Dort wurden eine Gehirnerschütterung, Schnitt- und Risswunden sowie Prellungen im Gesicht diagnostiziert. Die Schnittwunden im Mund mussten genäht werden. "Wir haben dazu einen Spezialisten, einen Gesichtschirurgen, hinzugezogen", sagte Bora-Teamarzt Christopher Edler. Am Sonntagabend kehrte Buchmann spät ins Teamhotel zurück, am Dienstag steht die Rückreise nach Deutschland auf dem Programm. Die wegen schlechten Wetters drastisch verkürzte Königsetappe mit dem überlegenen Sieg von Top-Favorit Egan Bernal aus Kolumbien verfolgte Buchmann am Montag aus der Ferne.
Für den 28-Jährigen, aber auch für den gesamten Rennstall ist das Ausscheiden eine bittere Nachricht. Buchmann selbst war guten Mutes. Bei der Etappe zum Monte Zoncolan hatte er mit den Besten mitgehalten und seinen sechsten Platz im Gesamtrang verteidigt. Nur 45 Sekunden Rückstand auf Platz drei hatte er da noch. "Es war ein guter Tag. Ich bin zufrieden. Ich weiß, dass die Form stimmt und freue mich auf die Berge, die noch kommen", hatte Buchmann weniger als eine halbe Stunde vor dem Sturz noch der dpa gesagt.
Doch dann kam der Schreck, die schmerzhafte Bodenberührung, das Aus. "Es war ein Massensturz, wie er immer mal wieder passieren kann. Emu war leider zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort", sagte Teamkollege Felix Großschartner. Statt auf dem Podium in Mailand endete der Giro für Buchmann nun etwas außerhalb der Lagunenstadt Grado eine Woche zu früh.
Bei der sportlichen Leitung waren zunächst die Fähigkeiten in Psychologie gefragt. "Im Team sind jetzt natürlich alle betrübt. Ich habe eine Runde durch die Hotelzimmer gemacht und versucht, die Fahrer aufzurichten. Sie müssen jetzt den Schalter umlegen und statt zu helfen, selbst auf Resultate fahren", berichtete Zemke. Er kündigte an, dass die Mannschaft jetzt verstärkt Fluchtgruppen besetzen und um Tagessiege kämpfen will.
"Wir haben natürlich noch ein zweites großes Ziel, das Punktetrikot mit Peter Sagan. Das wollen wir verteidigen. Wir wollen aber auch in die Fluchtgruppen gehen und um Etappensiege mitfahren", sagte Zemke. Sagan hatte auf der zehnten Etappe für den bisher einzigen Tagessieg der Mannschaft Bora-hansgrohe gesorgt.
Für eine weitere Planung von Buchmanns Saison ist es momentan noch zu früh. "Wir müssen zunächst abwarten, wie sich die Gehirnerschütterung auswirkt. Der Schmerz bei den Prellungen kommt auch erst später. Und natürlich müssen die genähten Stellen im Mundraum verheilen", sagte Teamarzt Edler. Eine Teilnahme an der Tour de France, die ursprünglich nicht geplant war, rückt auf einmal in Reichweite.
Wahrscheinlich ist aber, dass Buchmann sich darauf konzentriert, bis zu den Olympischen Spielen, bei denen er im Straßenrennen teilnehmen will, wieder fit zu werden. Sie beginnen unmittelbar nach dem Ende der Tour de France. Vorrang hat jetzt erst einmal die Gesundheit.