107. Frankreich-Rundfahrt Tour: Kwiatkowski letzter Alpen-Sieger - Roglic fast am Ziel
La Roche-sur-Foron (dpa) - Kaum war Ex-Weltmeister Michal Kwiatkowski Arm in Arm mit seinem Teamkollegen Richard Carapaz jubelnd über den Zielstrich gerollt, richtete er emotionale Worte an den entthronten Titelverteidiger Egan Bernal.
"Ich hoffe, dass es ihm gut geht und er heute ein bisschen Spaß hatte. Er war so traurig, als er die Rundfahrt verlassen hatte. Wir wünschen ihm viel Glück", sagte der Pole und sprach von einem "Gänsehaut"-Moment. Mit deutlichem Vorsprung hatte das Duo auf der letzten Alpen-Etappe über 175 Kilometern von Méribel nach La Roche-sur-Foron den Doppelsieg herausgefahren und die britische Super-Mannschaft Ineos nach einer Tour de France zum Vergessen doch noch jubeln lassen.
Aus den Worten Kwiatkowskis war herauszuhören, wie viel Druck auf die Mannschaft gelastet hatte, nachdem die Tour-Mission des Kolumbianers jäh gescheitert war - begleitet von harscher Kritik. "Es gibt schöne Momente im Radsport, aber das ist eine neue Erfahrung für mich. Wir haben es richtig genossen. Das werden wir richtig feiern", betonte der 30-jährige Kwiatkowski nach dem erlösenden Sieg am Donnerstag.
Vernichtende Worte hatte es in den vergangenen Tagen von Ex-Toursieger Bradley Wiggins gegen sein Ex-Team gegeben, hatte sich doch die Nichtnominierung der beiden Champions Chris Froome und Geraint Thomas als Fehler erwiesen. So dürfte auch der unter Druck stehende Teamchef Dave Brailsford aufgeatmet haben. Und es gab noch mehr zu bejubeln: Carapaz, der Mann aus Ecuador, schlüpfte ins Bergtrikot.
Das eigentliche Trikot der Begehrlichkeiten ist indes fest im Besitz von Primoz Roglic. Der Vuelta-Sieger fegte im Eiltempo über die staubigen Schotterpisten und schmiss sich gekonnt in die rasende Abfahrt. Der Tour-Patron bestand auch die letzte Alpen-Prüfung. Damit ist die Metamorphose vom Skispringer zum Gewinner der Tour de France so gut wie abgeschlossen. Roglic steuert mit einem beruhigenden Vorsprung in Richtung Paris, nachdem er zusammen mit seinen größten Rivalen das Ziel erreichte. "Es hat gut geklappt. Ich will fokussiert bleiben", sagte Roglic.
Er liegt vor den letzten 325,2 Kilometern bis Paris weiter 57 Sekunden vor seinem slowenischen Landsmann Tadej Pogacar. Das Polster ist beruhigender als es auf den ersten Blick aussieht, denn im Bergzeitfahren am Samstag nach La Planche des Belles Filles ist Roglic der klare Favorit. Das Gelbe Trikot liegt quasi in der französischen Hauptstadt zur Abholung bereit.
Der deutsche Altstar André Greipel wird Paris dagegen nicht erreichen. Der 38 Jahre alte Sprinter fiel bereits am ersten Anstieg des Tages aus dem Hauptfeld und beendete danach das Rennen. "Mir geht es nicht gut. Jeder mit gesundem Menschenverstand legt sich ins Bett", sagte Greipel der ARD und beendete sein wohl letztes Tour-Abenteuer. "Ich gehe davon aus, dass das meine letzte Tour ist", erklärte der 38-Jährige im dpa-Interview. Am Vortag war der gebürtige Rostocker auf der Königsetappe gerade noch im Zeitlimit geblieben.
Die Vorentscheidung im Kampf um den Tagessieg fiel am letzten Anstieg, als das Ineos-Duo den Spanier Pello Bilbao abhängte. Zuvor profitierte das Spitzenduo von einem Sturz des jungen Schweizers Marc Hirschi, der auf der Abfahrt des Col des Saisies bei Tempo 68 stürzte und nicht mehr an die Spitzengruppe herankam.
Pogacar startete am letzten Anstieg mal kurz eine Attacke, sah aber schnell die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens. Die Favoriten waren alle beisammen und kamen auch heil über die zwei Kilometer lange Schotterpiste auf dem Plateau des Glières.
In die Ausreißergruppe wollten auch Lennard Kämna und Maximilian Schachmann. "Es ist der letzte Bergtag. Man muss sich nicht mehr schonen", sagte Kämna und war zunächst mit einigen Fahrern aus dem Feld gefahren. Das Unterfangen endete aber nach wenigen Kilometern.
Auf der 19. Etappe könnten noch einmal die Sprinter zum Zug kommen. Das 166,5 Kilometer lange Teilstück von Bourg-en-Bresse nach Champagnole weist lediglich einen Berg der vierten Kategorie auf, allerdings geht es häufig auf und ab. Die Sprinter-Teams müssen sich anstrengen.