Corona-Krise Positiv? Negativ! - Tour droht das große Corona-Testchaos
Nizza (dpa) - Gewöhnlich wird die Tour de France an den steilen Rampen in den Bergen entschieden. Diesmal könnte aber schon eine Vorentscheidung in den medizinischen Laboren fallen.
Sicher wurde auch schon in der Vergangenheit so manche Ergebnisliste umgeschrieben, nachdem die Männer in weiß die Dopingproben ausgewertet haben. Doch diesmal droht bei der Frankreich-Rundfahrt ein Testchaos der besonderen Art.
Mehr als 2500 Abstriche auf das Coronavirus, die sogenannten PCR-Tests, werden in den dreieinhalb Wochen vorgenommen. Die Regelung sieht vor, dass bei zwei positiven Corona-Fällen innerhalb einer Mannschaft in einem Zeitraum von sieben Tagen der ganze Rennstall auszuschließen ist. Eine gute Sache, wenn die Kontrollen denn zuverlässig sind.
Beim deutschen Team Bora-hansgrohe ist es beim Eintagesrennen Bretagne Classic zu einem Fall gekommen, dass ein positiv getesteter Fahrer zwei Tage später negativ kontrolliert wurde. Entsprechend befürchtet Teamchef Ralph Denk einen "Blindflug" während der Tour. "Es ist das eingetreten, was ich befürchtet habe. Ich habe nicht nur Bauchschmerzen, bei mir geht es inzwischen in Richtung Magengeschwür. Es werden Entscheidungen anhand von solchen Testergebnissen getroffen, die massiv sind. Wir sprechen vom weltgrößten Sportereignis in diesem Jahr. Und dann verlässt man sich auf Tests ohne Gegenprobe", sagte Denk der Deutschen Presse-Agentur.
Auch beim Kanadier Hugo Houle ging es drunter und drüber. Bei der Polen-Rundfahrt war er negativ, ein paar Tage später vor der Lombardei-Rundfahrt wiederum positiv und bei weiteren Kontrollen sechs Tage später dann ohne Auffälligkeit. Houle kann sich das nicht erklären, betonte aber, dass der positive Test große Auswirkungen auf sein Leben gehabt habe. "Man muss alle Pläne stoppen."
Die PCR-Tests - eine Rachenprobe wird auf Virenerbgut getestet - gelten bei korrekter Anwendung in der Regel als sehr zuverlässig. Es ist aber nicht gänzlich ausgeschlossen, dass ein Nichtinfizierter ein positives Ergebnis vorweist. Laut der Hersteller sei die Spezifität inzwischen sehr hoch. Teils von bis zu 99,8 Prozent ist die Rede. Aber eben nicht 100 Prozent.
Die Befürchtungen von Denk teilen zahlreiche Teams. "Wir sitzen doch alle im gleichen Boot und wollen in Paris ankommen", sagte Marc Madiot, der Teamchef von Frankreichs Hoffnungsträger Thibaut Pinot und der viermalige Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin fügt im dpa-Interview hinzu: "Das ist natürlich ein Ding, wenn wir unser ganzes Vertrauen auf diese Tests stützen und dann stellen sie sich im Nachhinein als fehlerhaft raus."
Es ist bereits zu einem Krisentreffen mit dem Veranstalter ASO gekommen. Denn die Crux ist: Zu einem Team gehören nicht nur die acht Fahrer, sondern auch Physiotherapeuten, Offizielle und gar der Busfahrer - also insgesamt 30 Personen. So könnten an den Ruhetagen plötzlich ganze Teams ausgeschlossen werden, ohne dass die Fahrer positiv getestet wurden.
Denk beanstandet, dass Entscheidungen ohne Rechtsgrundlage getroffen werden. "Bei einer Dopingkontrolle habe ich immer die Möglichkeit, mich mit einer B-Probe zu entlasten. Wenn ich alkoholisiert Auto fahre und der Atemalkohol schlägt an, habe ich immer noch die Möglichkeit einer Blutentnahme. Das habe ich beim Corona-Test nicht. Ich habe für eine Zweitprobe plädiert, aber man hat mir kein Gehör geschenkt." Auch Martin fordert, dass bei zwei Positiv-Tests zwar "die Alarmglocken angehen" sollten. Trotzdem sollten die Maßnahmen "nicht so streng und so gravierend sein."
Denk stellt eine einfache mathematische Gleichung auf. "Wenn 99 Tests korrekt sind und einer ist falsch-positiv, dann kann man sich bei der Testerei ausrechnen, wie viele Personen zu Unrecht nach Hause geschickt werden", sagt der Bayer. Übrigens: Dopingkontrollen werden bei der Tour de France auch noch entnommen.