"Der Welt zum Fraß vorgeworfen" Fall Walijewa: Katarina Witt bricht im TV in Tränen aus
Das olympische Eiskunstlauf-Finale nahm für die junge Russin
Kamila Walijewa hat eine olympische Medaille knapp verpasst. Die erst 15-jährige Eiskunstläuferin, die in den vergangenen Tagen Doping-Vorwürfen ausgesetzt war und der mit dem Start bei der Kür eine immense Verantwortung aufgelastet worden war, konnte dem Druck nicht standhalten. Nachdem sie mehrfach gestürzt und gestrauchelt war, erreichte sie im Finale nur den undankbaren vierten Platz.
Walijewa weinte nach ihrem Auftritt, war sichtlich betroffen und aufgelöst – ebenso wie ARD-Expertin Katarina Witt, die Walijewas Kür zusammen mit Moderatorin Jessy Wellmer aus dem Studio in Mainz verfolgte. Witt kämpfte um ihre Fassung und brach live im TV in Tränen aus.
Witt: "Könnt ihr bitte wegschalten?"
"Das ist nicht zu ertragen. Man guckt gar nicht mehr, wer Erste, Zweite oder Dritte ist. Sie ist Vierte, es ist wirklich egal. Es ist genau das eingetreten, wovor man sie hätte schützen müssen. Sie ist 15, sie ist noch ein Kind. Es tut mir leid. Du siehst sie da sitzen, wie sie zusammenbricht", weinte eine völlig aufgelöste Witt in der ARD, ehe sie kurz stockte. "Könnt ihr bitte wegschalten?", drehte sie sich im Gespräch mit Wellmer von der Kamera weg, ehe sie dann doch fortsetzte.
"Sie war ein Schatten ihrer selbst, als sie da rausgegangen ist. Sie konnte hier nicht gewinnen in diesem ganzen Spiel. Hätte sie gewonnen und wäre Olympiasiegerin geworden, hätte es Getuschel gegeben. Das, was jetzt passiert ist, ist das Allerschlimmste. Sie ist daran zerbrochen. Man hat sie der Welt zum Fraß vorgeworfen."
"Ich finde keine Worte"
Witt hatte noch vor der Kür gehofft, "dass sie es schafft. Dass sie mit ihren 15 Jahren sagt: 'Ich krieg das hin.' Aber man hat einen politischen Druck auf sie ausgeübt, ich finde fast keine Worte. Irgendeine Mama hätte sie rausnehmen und in den Flieger (nach Hause, Anm. d. Red.) setzen müssen. Drei Monate weg. Weg von diesem ganzen Trubel, bevor dieser ganze Tsunami über sie einbrach. (...) Ich weiß nicht, ob wir dieses Talent, dieses 15-jährige Mädchen, jemals wiedersehen. Ich könnte verrückt werden. Das ist so verantwortungslos, was hier gemacht wurde."
Der Fall Walijewa müsse ein Signal für die Zukunft sein: "Alles stürzt sich nun auf sie. Sie hat das Talent. Es ist unglaublich, was sie für eine Ausstrahlung hat. Ich hoffe, dass sie das übersteht und dass sie wiederkommt. Aber ich habe fast die Angst, dass sie das nicht schafft. Es ist Zeit für diesen Sport zu überlegen, ob es nicht eine Altersgrenze geben muss."
"Man hätte viel verantwortungsvoller handeln müssen"
Dabei nahm sie auch ihr Trainerteam in die Pflicht: "Als Athletin muss man erst einmal reinwachsen in diese Wettkampfschlacht. Als erwachsene Person kann man selbst Entscheidungen treffen – sie ist 15. Es gibt moralische, ethische und emotionale Rechte. Auf die hätte man in ihrem Fall zurückgreifen müssen." Man hätte viel "verantwortungsvoller Handeln müssen. Wenn man sieht, wie sie da unter den erwachsenen Menschen bei der Punktevergabe wie ein Häufchen Elend saß."
Witt war völlig aufgelöst – konnte sich nicht einmal an die Medaillengewinnerinnen erinnern: "Wer ist jetzt eigentlich Olympiasiegerin geworden? Das habe ich ehrlich gesagt gar nicht mitgekriegt, muss ich gestehen."
Walijewas Landsfrauen Anna Schtscherbakowa (Gold) und Alexandra Trussowa (Silber) sowie Kaori Sakamoto aus Japan (Bronze) hatten die Podestplätze belegt. Walijewa blieb nur Rang vier und tiefe Trauer.
Expertin Witt, die sich final ein "Umdenken in Richtung Langfristigkeit und Nachhaltigkeit" in ihrem Sport wünschte, entschuldigte sich am Ende für ihren emotionalen Ausbruch. Doch Moderatorin Wellmer schritt ein.
"Nein, du musst dich überhaupt nicht entschuldigen", so Wellmer zu Witt. "Man sollte zwei Dinge getrennt betrachten: Zum einen eine menschliche Tragödie, und zum anderen auch einen Fall, einen Dopingfall, der weiterhin läuft. Das getrennt voneinander zu betrachten, ist nach dieser Kür extrem schwierig. Aber das werden wir auch tun."
- Olympia in der ARD
- Eigene Recherche