Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Eva Lys Dieser Punkt schürt die Hoffnungen der Fans auf die Sensation
Für Eva Lys gab es im Spiel gegen eine übermächtige Gegnerin nichts zu holen. Dennoch gelang ihr auch an diesem Abend etwas, für das die Zuschauer sie feierten.
Aus Melbourne berichtet Christoph Cöln
Eva Lys lächelte. Dabei gab es eigentlich nicht viel zu lachen im Spiel gegen die Weltranglistenzweite Iga Świątek im Achtelfinale der Australian Open. Der erste Satz ging schon nach 24 Minuten an die Polin. Das Match war nach ziemlich genau einer Stunde vorbei. Eva Lys' Tennismärchen war damit nach zwei turbulenten Wochen in Melbourne zu Ende.
Die 23-Jährige war an diesem Tag in der Rod-Laver-Arena, dem größten Platz bei dem Grand-Slam-Turnier, wieder der "Lucky Loser". Sie hatte verloren, aber sie war glücklich. "Ich habe seit Ewigkeiten auf diesen Moment gewartet", erzählte sie hinterher. "Es gab oft Abende, da habe ich mit meinen Eltern gesprochen, mit Tränen in den Augen, wann ich endlich den Durchbruch schaffen würde." Sie habe eigentlich immer gewusst, dass sie das Potenzial habe, unter die Top 100 der Welt zu kommen. "Ich war die einzige Person, die mir dabei im Weg stand."
Eigentlich schon das Rückflugticket gebucht
Nun war es endlich so weit für Eva Lys. Sie hatte sich nicht nur unter die hundert besten Tennisdamen der Welt gespielt, sie hatte mit ihrer Geschichte auch die australischen Zuschauer verzückt. Und natürlich auch die zu Hause in Deutschland. Der Einzug in die vierte Runde, obwohl sie im Feld der Qualifikantinnen eigentlich schon ausgeschieden war und das Rückflugticket nach Hause gebucht hatte, war seit fast 40 Jahren keinem Spieler mehr gelungen. "Es ist alles auf diese Woche zugelaufen", sagte sie. "Ich habe jede Sekunde genossen, die ich hier hatte."
Das Publikum in Melbourne stand bei dem Match gegen eine übermächtige Iga Świątek. Die Tennisfans auf dem Centre Court feierten jeden Punkt, den die Deutsche sich erkämpfte. Und als Lys dann im zweiten Satz tatsächlich ein Spiel gewann, stand das Stadion Kopf. Die Menschen erhoben sich von den Sitzen und applaudierten der Herausforderin.
"Ich hatte definitiv Spaß heute, auch wenn mir die Anzeigetafel nicht so viel Spaß bereitet hat", sagte sie im Anschluss. Dort stand nach 60 Minuten ein 0:6, 1:6 aus Sicht von Lys. Klarer kann man kaum verlieren.
Dennoch zeigte die junge Deutsche auch an diesem Abend, warum sie den Sprung ins Hauptfeld der Australian Open und in die zweite Turnierwoche geschafft hatte. Vor allem im zweiten Satz lieferte sie sich mit der polnischen Seriensiegerin einige fantastische Ballwechsel, sie kämpfte unermüdlich, ballte immer wieder die Faust und steckte zu keinem Zeitpunkt des Matches auf.
Lys: "Sie hat mich überrollt wie ein D-Zug"
Lys zeigte sich hinterher als gute Verliererin. In der Pressekonferenz sprach sie bewundernd über das unglaubliche Spiel ihrer Gegnerin. "Sie hat einfach überragend gespielt, sie hat mir keine Zeit zum Atmen gelassen." Lys haderte trotz ihrer deutlichen Unterlegenheit mit den vergebenen Chancen, gleich im ersten Spiel des Matches hatte sie zwei Breakmöglichkeiten, die sie nicht nutzte. Darüber dachte sie später noch nach, wie sie zugab. Was wäre gewesen, wenn ihr das frühe Break gelungen wäre?
Doch an der Brillanz der polnischen Weltranglistenzweiten ließ auch Lys keinen Zweifel. Egal, was die Deutsche ihrer Kontrahentin entgegenschleuderte, Swiątek brachte alles zurück. "Sie hat mich überrollt wie ein D-Zug", sagte Lys. Trotzdem habe sie versucht, ihr Lächeln zu behalten und weiter auf ihre Chance zu hoffen. Das Publikum habe ihr dabei geholfen.
Das vierte Spiel im zweiten Satz war der schönste Moment an diesem Abend. Als die Fans sie nach diesem gewonnenen Ballwechsel frenetisch anfeuerten, in der Hoffnung, die sensationelle Geschichte von "Lucky Lys", wie die australischen Medien die Hamburgerin getauft hatten, da kam dieses außergewöhnliche Tennismärchen zu seinem eigentlichen Höhepunkt: Eva Lys lächelte. Sie hatte nicht nur Tennisgeschichte geschrieben, sondern die Herzen der australischen Fans erobert. Ohne Zweifel.
- Eigene Beobachtung vor Ort
- Pressekonferenz mit Eva Lys