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Pascal Hens über DHB-Team bei Handball-WM: "Sie werden Rachegelüste haben"


Handball-Weltmeister Pascal Hens
"Sie werden Rachegelüste haben"

InterviewVon Nils Kögler

21.01.2025 - 10:32 UhrLesedauer: 8 Min.
Pascal Hens: Er wurde 2007 mit der deutschen Handball-Nationalmannschaft Weltmeister.Vergrößern des Bildes
Pascal Hens: Er wurde 2007 mit der deutschen Handball-Nationalmannschaft Weltmeister. (Quelle: Eibner-Pressefoto/Marcel von Fehrn/imago-images-bilder)
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Ex-Handballer Pascal Hens weiß, wie es sich anfühlt, Weltmeister zu werden. Ob das DHB-Team das nun auch wieder schaffen kann, ordnet er im Gespräch mit t-online ein.

Im dänischen Herning kennt sich Pascal Hens ein wenig aus. Während seiner Profikarriere als Handballer lief er im Jahr 2016 zumindest wenige Monate lang für den HC Midtjylland in dem kleinen Städtchen auf.

In Herning muss sich aktuell auch die deutsche Handball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft beweisen. Nach drei Siegen in der Vorrunde gegen Polen, die Schweiz und Tschechien schaffte das DHB-Team zwar als Gruppensieger den Einzug in die Hauptrunde, konnte jedoch nicht immer überzeugen.

Für den TV-Sender Eurosport begleitet Hens das Turnier als Experte. Mit t-online hat er über die bisherige Leistung der deutschen Mannschaft, das anstehende Duell gegen Titelverteidiger und Olympiasieger Dänemark sowie seine Bewertung der Arbeit von Bundestrainer Alfred Gislason gesprochen.

t-online: Herr Hens, zum Start in die WM-Hauptrunde geht es für die deutsche Mannschaft heute gegen Dänemark, einen schier übermächtigen Gegner. Wie groß sind Ihre persönlichen Rachegefühle für die deutliche Pleite bei den letzten Olympischen Spielen von Paris?

Pascal Hens: Die sind überhaupt gar nicht da, wenn ich ehrlich bin. Ich habe es mir ja nur angucken müssen. Aber: Es war nicht so ein tolles Spiel von uns.

Wehgetan hat es trotzdem?

Ja, aber meine Güte. Dänemark ist das Nonplusultra im Welt-Handball. Das wissen wir alle. Jetzt spielen wir in Herning und damit auch gegen die heimischen Zuschauer. Da bin ich froh, dass es erst mal nur ein Hauptrundenspiel ist und wir nichts zu verlieren haben. Vier Punkte stehen schon auf unserem Konto, und nach Dänemark hat Deutschland machbare Gegner. Ob du dann als Erster oder Zweiter weiterkommst, ist egal. In der anderen Hauptrundengruppe, aus der der deutsche Viertelfinalgegner kommt, sind alle Mannschaften auf einem ähnlichen Niveau – und sie sind schlagbar.

Sie sind also ganz entspannt.

Ja, und das können die Jungs auch sein. Klar, sie werden ein wenig Rachegelüste haben, weil das Olympiafinale zumindest noch im Hinterkopf spukt, aber sie haben zum ersten Mal im Turnier keinen Druck. In der Vorrunde waren sie immer Favorit, jetzt sind wir klarer Außenseiter. Ich hoffe, die Jungs genießen es und machen ein geiles Spiel. Wie es dann am Ende ausgeht, werden wir sehen.

Hat das dänische Team überhaupt eine Schwäche?

Nein, eigentlich nicht. Im Tor ist es fast unmenschlich, was Emil Nielsen alles hält. Sie haben Rückraum-Power, viel Bewegung und sind super eingespielt. Es ist eine unglaublich stabile und starke Mannschaft, die natürlich viel über ihr Tempo macht.

Und dann wäre da noch Mathias Gidsel, der wahrscheinlich aktuell beste Handballer der Welt.

Es ist ein Phänomen, wie geil er darauf ist, Handball zu spielen. Er will immer den Ball, bewegt sich immer auch weg von seiner Position. Als Gegenspieler kriegt man ihn nie zu fassen, weil man überhaupt nicht weiß, wo er sich im nächsten Moment hinbewegt.

Wie kann Deutschland ihnen trotzdem wehtun?

Bei der Europameisterschaft im letzten Jahr haben wir es zumindest eine Halbzeit lang geschafft, sie mit einer überragenden Abwehr etwas auszubremsen. Am Ende haben sie trotzdem gewonnen, aber wir konnten sagen: Wir haben das echt geil gemacht. Ich hoffe, dass wir das genauso wieder schaffen und den Dänen zumindest ein paar Denkaufgaben stellen.

Wie groß ist die Chance auf eine Überraschung?

Die ist gering, da müssen wir ehrlich sein, aber das gilt für jede andere Mannschaft, die gegen Dänemark spielt, auch. Außer vielleicht für Frankreich.

Ist es ein Vor- oder ein Nachteil, dass die Dänen gleich der erste Gegner der Hauptrunde sind?

Ich glaube, es ist ein Vorteil. Wenn wir erst kurz vor dem Viertelfinale gegen die Dänen spielen und uns eine Klatsche abholen würden, dann gingen wir wohl mit keinem guten Gefühl in die K.-o.-Runde. Jetzt ist der Druck nicht so hoch, weil danach die leichteren Gegner kommen.

Sie sprechen es an: Die anderen Hauptrundengegner Italien und Tunesien stellen das Team vor machbare Aufgaben. Ist der Viertelfinaleinzug also Pflicht?

Ja! Als Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele muss das Viertelfinale der Anspruch sein. Das habe ich auch vor dem Turnier schon gesagt. Jetzt, wo wir vier Punkte mitgenommen haben, gilt das umso mehr. Vor den Gegnern in der Hauptrunde müssen wir uns auch nicht in die Hose machen. Da müssen wir gewinnen.

Spielerisch war die Leistung, trotz der drei Siege bisher, dennoch teils sehr durchwachsen. Wie fällt Ihr bisheriges WM-Zwischenfazit aus?

Ich glaube, dass wir als Zuschauer ein bisschen mehr erwartet haben, aufgrund der Leistungen bei Olympia und auch danach noch in der EM-Qualifikation, wo wir unter anderem die Schweiz dominant geschlagen haben. Da denkst du, es wird ganz einfach, aber es ist immer noch eine WM, und die anderen Mannschaften haben auch starke Spiele gemacht. Am Ende haben wir aber immer gewonnen und ziehen mit vier Punkten in die Hauptrunde ein. Das ist das, was zählt. Steigern können wir uns immer noch.

Was lief bei Deutschland noch nicht rund?

Die Abwehr war nicht immer ganz stabil. Zum Glück hatten wir aber überragende Torhüterleistungen sowohl von Andi Wolff als auch von David Späth. Es ist noch nicht das Bollwerk, das wir kennen, aber auch da sage ich: Wir dürfen jetzt nicht alles zerreden. Ich bin überzeugt, dass sich die Abwehr noch steigern wird im Laufe des Turniers.

 
 
 
 
 
 
 

Offensiv war vor allem die Chancenverwertung schlecht. Es ist nicht das erste Turnier, bei dem das auffällt. Liegt die Verantwortung dafür allein bei den Spielern oder muss man so langsam auch die Trainer in die Pflicht nehmen?

Was willst du als Trainer machen? Du kannst ja die Dinger nicht selbst reinwerfen. Im Gegenteil: Wir sollten die Torwarttrainer loben, denn die Torhüter werden immer stärker und stärker. Nicht nur wir lassen Chancen aus, das passiert auch anderen Mannschaften.

Trotzdem muss Deutschland einen Weg finden, sich zu verbessern.

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Es stimmt schon, im Abschluss muss die Mannschaft etwas konzentrierter sein. Wichtig ist aber, dass sie sich die Chancen erst mal gut herausspielt. Da machen sie schon viel richtig. Reinwerfen solltest du den Ball am Ende jedoch auch noch. Als Trainer kannst du da aber nichts machen.

Teil der Chancenverwertung sind auch die Siebenmeter, da steht die deutsche Mannschaft gerade einmal bei zwei Treffern in sieben Versuchen.

Ausbaufähig!

Wie wichtig sind solche Basics bei einem Turnier?

Sie sind sehr wichtig für die ganze Mannschaft. Wenn du dich irgendwann nicht mal mehr über Siebenmeter freust, weil du weißt, dass die Quote schlecht ist, dann ist das natürlich schwierig. Es ist jetzt wichtig, dass wir einen Spieler in der Mannschaft finden, der die Dinger regelmäßig reinwirft. Die Quote muss nach oben gehen.

Aber wie wird das besser? Wie kann man das schaffen?

Trainer und Spieler müssen geistig jetzt noch mal auf null stellen. Die Vorrunde ist geschafft. Was bisher war, ist also egal. Sie müssen einfach noch mal von vorn anfangen und nun die Hauptrunde nutzen. Spätestens in den K.-o.-Spielen sollte es dann jemanden geben, der sagt: Gib mir die Pille, ich werf‘ euch die Siebenmeter rein.

Kommen wir zu den positiven Dingen bei dieser WM. Vor allem in der entscheidenden Spielphase in den letzten 10 bis 15 Minuten konnte sich die deutsche Mannschaft immer steigern. Erkennen Sie darin schon eine Mentalität, die ein Topteam ausmacht?

Ich habe schon das Gefühl, dass sich die Jungs nicht mehr so leicht aus der Ruhe bringen lassen. Das haben sie sich unter anderem bei den Olympischen Spielen mit den Siegen gegen Topmannschaften wie Schweden oder Frankreich erarbeitet.

Welche Rolle spielt dabei die größere Qualität in der Breite des Kaders?

Das spielt natürlich eine Rolle. Der Bundestrainer vertraut mittlerweile viel mehr Spielern und gibt ihnen Einsatzzeiten. Wir sind nicht mehr auf nur zwei bis drei Leute angewiesen. Wenn du dann immer neue Spieler auf die Platte bringen kannst, die Druck auf die Abwehr des Gegners machen, dann wird die irgendwann auch müde und du findest als Mannschaft Lösungen.

Kommen wir noch auf einige Einzelspieler zu sprechen. Juri Knorr ist der Schlüsselspieler im deutschen Spiel, hat aber auch zugegeben, dass ihn das Scheinwerferlicht belastet. Können Sie mit ihm mitfühlen oder muss er das aushalten?

Ich finde, dass er gar nicht mehr so sehr im Scheinwerferlicht steht wie noch vor ein paar Jahren. Damals war es tatsächlich zu viel. Das hat er dann auch gesagt und das ist auch in Ordnung gewesen. Momentan habe ich aber nicht den Eindruck, dass er in der Öffentlichkeit als der Messias hingestellt wird, sondern dass wir momentan als gute Einheit dastehen und auch über andere Leute reden. Juri ist aber ein sehr wichtiger Spieler für das Team und ich finde, dass er bislang ein überragendes Turnier spielt.

Als Weltmeister von 2007 mussten auch Sie mit hohen Erwartungen umgehen. Wie haben Sie das erlebt?

Hat mich nicht interessiert. (lacht)

Wirklich nicht?

Wir fanden es geil, was damals passiert ist. Es war bei mir persönlich aber auch nicht so extrem wie bei Juri zeitweise. Bei uns war es auf mehrere Schultern verteilt. Deshalb haben wir uns da nicht so einen großen Druck gemacht.

Mit Renārs Uščins hat das deutsche Team einen neuen Jungstar dazubekommen. Er hatte ein starkes letztes Jahr, in den ersten WM-Spielen war seine Wurfquote aber nicht die beste. Will er manchmal zu viel oder braucht ihn Deutschland auch so risikofreudig?

Beides ist richtig. Er weiß selbst, dass er sich in den ersten Spielen vielleicht den einen oder anderen Wurf zu viel genommen hat, aber die Mannschaft nimmt ihm das nicht übel. Warum auch? Am Ende macht er ja seine Tore.

Er hat im Schnitt acht Tore pro Spiel erzielt.

Genau! Klar war nicht jeder Abschluss richtig, aber man wächst auch an seinen Fehlern. Wie viele Würfe habe ich mir in meiner Karriere genommen, die dumm waren? Jeder macht das mal. Aber so wie er im Moment spielt und auch vorneweg geht, brauchen wir uns überhaupt keine Gedanken zu machen. Er wird seinen Weg gehen und uns bei diesem Turnier noch viel Freude bereiten. Dass er Verantwortung übernehmen will, ist mir jedenfalls deutlich lieber, als nur die anderen machen zu lassen.

Sprechen wir zum Schluss noch über den Bundestrainer der Deutschen. Alfred Gislason ist jetzt fünf Jahre im Amt und hat einen Umbruch gestaltet. Wie bewerten Sie seine bisherige Amtszeit?

Er ist ein sehr erfahrener Trainer und hat mit einer sehr jungen deutschen Mannschaft bei den Olympischen Spielen die Silbermedaille gewonnen. Er ist taktisch super clever und hat eine junge Mannschaft geformt, die auch in der Breite stark aufgestellt ist. Es macht den Eindruck, dass das gerade alles gut passt. Dass wir jetzt gerade da sind, wo wir sind, und so gut über die deutsche Mannschaft reden, ist ein ganz großes Verdienst von Alfred.

Trauen Sie ihm deshalb auch zu, einen großen Titel zu gewinnen?

Wenn die Dänen mal nicht alle gesund sind. (lacht) Doch, natürlich traue ich ihm das zu. Wir waren ja gerade erst in einem Finale. Wir brauchen jetzt aber auch nicht zu denken, dass wir es immer ins Finale schaffen. Die Weltspitze ist eng beieinander. Bei Olympia konnten wir Frankreich mal schlagen, das muss aber nicht immer so sein.

Wir werden also nicht immer vorn dabei sein.

Nein, das können nur die Dänen von sich behaupten, und so weit sind wir bei Weitem noch nicht. Wir haben aber eine Mannschaft, die immer dazu in der Lage ist, die noch jung ist und auch in den nächsten Jahren noch reifen kann.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Pascal Hens am 19.01.2025
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