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WM 2014: Löw kann endlich Geschichte schreiben


Weg zur Krönung
Löw kann endlich Geschichte schreiben

Von t-online, dpa
12.07.2014Lesedauer: 4 Min.
Joachim Löw ist kurz vor dem Abflug nach Rio de Janeiro zuversichtlich.Vergrößern des Bildes
Joachim Löw ist kurz vor dem Abflug nach Rio de Janeiro zuversichtlich. (Quelle: reuters)

Die internationale Turnierbilanz von Bundestrainer Joachim Löw ist beachtlich: Zweiter bei der EM 2008, Dritter bei der WM 2010, Dritter auch bei der EM vor zwei Jahren in Polen und der Ukraine. Für diese Leistungen wurde er 2008 respektiert und 2010 gefeiert, nachdem die deutsche Elf den schönsten Fußball des WM-Turniers zelebrierte. Doch seit 2012 nach dem EM-Aus im Halbfinale gegen Italien, bröckelte Löws Rückhalt in der Öffentlichkeit. Taktische Fehler wurden ihm vorgeworfen, die Medien machten ihn für die Niederlage verantwortlich.

So sah sich der Bundestrainer in den vergangenen zwei Jahren und zu Beginn des WM-Turniers in Brasilien immer wieder harscher Kritik ausgesetzt: die Ausbootung von Torjäger Stefan Kießling, die "falsche Neun", die Auswahl des WM-Kaders, die Diskussion um Philipp Lahms Position, dem Festhalten am Ballbesitz-Fußball und der Herabsetzung der Bedeutung von Standard-Situationen. Sogar sein Styling wurde oft verachtungsvoll beäugt.

Deutschland liegt Löw zu Füßen

Um so beachtlicher ist der Wandel des Images, des als Sturkopf geltenden 54-Jährigen. All diese negative behafteten Themen waren nach dem Einzug ins WM-Halbfinale und dem historischen 7:1-Sieg über Brasilien ausradiert.

Löw hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und Fußball-Deutschland liegt ihm erneut zu Füßen.

Nun steht der DFB-Chefcoach vor einer Partie, deren Bedeutung die aller vorherigen 111 Spiele seit 2006 übertrifft. WM-Finale 2014 gegen Argentinien im Tempel Maracana - mit dem ersten Triumph eines europäischen Teams in Südamerika kann sich Löw einen herausragenden Platz in den Fußball-Geschichtsbüchern sichern.

"Jogi wird nicht wild über den Platz rennen"

Wie der Chef der Titelmission einen Erfolg in Rio feiern würde, können sich auch seine engsten Vertrauten noch nicht vorstellen. "Jogi ist so, wie er ist. Es ist schwer zu bewerten, was in dem Moment passiert", bemerkte Teammanager Oliver Bierhoff vor der Abreise aus dem DFB-Quartier Santo André. "Ich gehe nicht davon aus, dass Jogi da wild über den Platz rennt. Er wird sich freuen und zufrieden sein."

"Ich hoffe, dass wir Vier uns kurz umarmen können nach dem unglaublich weiten Weg, den wir gemeinsam gegangen sind", ergänzte Bierhoff mit Blick auf den möglichen Moment des Triumphes. Löw, seine Assistenten Hansi Flick und Andreas Köpke sowie Bierhoff sind seit 2006 das Führungsquartett des DFB-Teams.

24 Jahre warten auf den WM-Pokal

"Für mich ist er ein fantastischer Trainer", urteilte Rekordtorjäger Miroslav Klose vor Löws wichtigstem Match als Bundestrainer. "Er hat immer eine klare Linie, das ist wichtig für die Spieler", ergänzte Kapitän Philipp Lahm. Gegen Argentinien kann sich die Generation Klose, Lahm und Schweinsteiger nicht nur selbst krönen, sondern zugleich auch die mittlerweile achtjährige Amtszeit ihres Trainers. "Er hat klare Vorstellungen", sagte Bierhoff: "Wir nehmen die Spieler mit."

Bis zur "WM der Strapazen", wie Löw treffend vorausgeschaut hatte, konnte sich der ehemalige Profi weitgehend freimachen von allen Meinungen, Wünschen und Forderungen, nach 24 Jahren endlich wieder einmal die wertvollste Fußballtrophäe der Welt nach Deutschland zu holen. "Wenn man sagt, Deutschland ist jetzt mal wieder dran, damit kann ich nichts anfangen", bemerkte Löw. Doch natürlich ist ein Titel auch für ihn "etwas Besonderes", wie er jüngst zugab. Mindestens ein Tor mehr zu schießen als zu bekommen, diese alte Fußballweisheit, bestimmte in Brasilien mehr als zuvor Löws Konzept.

Erfolgreiche Vorgänger

Die Hälfte von Löws Vorgängern als Bundestrainer hat Titel gewonnen: Sepp Herberger (WM 1954), Helmut Schön (EM 1972, WM 1974), Jupp Derwall (EM 1980), Franz Beckenbauer (WM 1990) und Berti Vogts (EM 1996). Danach blieben Erich Ribbeck, Rudi Völler, Jürgen Klinsmann und bisher auch Löw titellos. Für den ersten DFB-Trainer Otto Nerz steht der dritte Platz bei der WM 1934 als bestes Ergebnis. "Bei den letzten vier Weltmeisterschaften stand die deutsche Nationalmannschaft jeweils mindestens im Halbfinale. Das spricht für Konstanz und Kontinuität", betonte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der 1990 in Rom den WM-Endspielsieg gegen Argentinien als Pressechef erlebt hatte.

24 Jahre später sieht der zum Verbandsboss aufgestiegene Niersbach Löw als Glücksfall, verlängerte den Kontrakt mit dem punktbesten aller Bundestrainer lange vor der WM bis nach der EM 2016 in Frankreich. "Ich würde ihm diesen Titelgewinn gönnen", sagte der DFB-Präsident in Brasilien zu seinem wichtigsten Mitarbeiter. "Schon deshalb, dass das blöde Gerede aufhört, mit ihm wäre der Sprung auf das oberste Podest nicht möglich. Das stimmt ganz einfach nicht." Gerade nach dem schwierigen Achtelfinale gegen Algerien habe Löw auf alle Kritik professionell, ruhig, entspannt und souverän reagiert. "Das überträgt sich sofort auf die Mannschaft", sagte Niersbach.

Kloses zweites WM-Endspiel

Die Mannschaft folgt Löw. "Das Schöne ist, dass sich kaum etwas verändert hat seit 2006, als er noch Zweiter war hinter Klinsmann", skizzierte Routinier Klose die Rolle des Bundestrainers. "Er hat schon immer mit den Spielern viel geredet. Er hat taktische Dinge reingebracht", sagte der Stürmer vor seinem zweiten WM-Endspiel nach 2002. Dazu kämen Löws Qualitäten, "dass er das ganze Team sieht, dass er immer wieder neue Sachen ins Training einbringt. Das hat er bisher immer sehr gut gemacht", betonte Klose.

"Es ist einfach klasse", bemerkte Flick, der gegen Argentinien letztmals als Assistenztrainer auf der Bank sitzen wird und nach dem Turnier DFB-Sportdirektor wird, zum Zusammenwirken im engsten Führungszirkel der Nationalmannschaft. Löw ist bei einem Turnier im Tunnel, sein Weg erschließt sich nicht jedem. "Jeder soll seine eigene Meinung haben, es macht doch auch Spaß, über Fußball zu reden", sagte der Bundestrainer zu konträren Diskussionen. "Wir machen das intern nicht anders. Ich verfolge eine klare Linie und werde diese nicht der öffentlichen Meinung anpassen, nur um dieser Meinung zu entsprechen."

In der Weltspitze etabliert

Ohne Frage hat Klinsmann ehemaliger Assistent das deutsche Nationalteam wieder fest und kontinuierlich in der Weltspitze etabliert. Löw sieht die Chance zum ganz großen Coup 2014 vor allem auch als Erfolg seiner beharrlich verfolgten Linie. "Irgendwie haben wir es uns erarbeitet, dass wir immer drangeblieben sind, dass wir eine gute Vorbereitung hatten, dass wir viel investiert haben. Und dass wir natürlich auch sehr gute Spieler haben", sagte der zehnte Bundestrainer der DFB-Historie.

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