"Was wären wir ohne ihn?" Brasiliens Presse huldigt dem neuen Superstar Neymar
Ganz Brasilien feierte nach dem 4:1-Sieg der Selecao gegen Kamerun ihren Superstar Neymar. Zehntausende gingen auf die Straße. "Wenn er es auf dem Platz regnen lässt, wundert sich keiner", sagte Teamkollege David Luiz nach Abpfiff. Und auch die brasilianische Presse ergoss sich in Lobeshymnen auf den 22-jährigen Wunderknaben. Im anstehenden WM-Achtelfinale werden dem vierfachen WM-Torschützen allerdings kämpferisch starke Chilenen auf die Zauberfüße steigen (Samstag, ab 17.45 Uhr im t-online.de Live-Ticker).
Das WM-Gastgeberland sieht den Ausnahmekünstler schon seit Monaten als den großen Protagonisten des Turniers und hofft, dass "Neymar da Silva Santos Júnior" die Selecao bei seiner ersten Weltmeisterschaf gleich zum sechsten Triumph schießt.
"Er war kein Spieler. Er war Brasilien"
Die Medien überschlagen sich derweil mit Lob für Neymar - auch weil die Selecao gegen einen schwachen Gegner wieder nicht restlos überzeugen konnte. "Neymar spielt für elf", schrieb die "Folha de Sao Paulo". "Wir brauchten erneut das ungezügelte Talent Neymars", hieß es bei "Zero Hora".
"O Globo" titelte nach dem am Ende aber durchaus souveränen Achtelfinal-Einzug treffend: "Gegen Kamerun gab es Augenblicke, in denen Neymar nicht ein Spieler Brasiliens war. Er war Brasilien." Das Portal "UOL" sah einen Neymar, der seit Turnierbeginn bereits viel gefährlicher und besser sei als Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo.
Neymar mit 22 Jahren erfolgreicher als Ronaldo
Die Zeitung "Lance" fragte unterdessen: "Was wären wir ohne ihn?" Eine berechtigte Frage, denn mit 35 Toren in 52 Länderspielen hat Neymar inzwischen mehr Tore für die Selecao erzielt als Ronaldo im gleichen Alter. "Il Fenomeno" schaffte das bis zu diesem Zeitpunkt nur 29 Mal. Der dreifache Weltmeister Pelé steht allerdings über beiden: Mit 22 Jahren hatte er 40 Treffer auf seinem Konto.
In der ewigen Torschützenliste Brasiliens steht Neymar gemeinsam mit Bebeto und Jairzinho auf Rang sieben. Pelé führt mit 77 Toren vor Ronaldo (67), Romário (57), Zico (52), Ronaldinho (45) und Rivaldo (36).
Dani Alves: "Er ist geboren, um Fußball zu spielen"
Auch Brasiliens Außenverteidiger Dani Alves schwelgte über seinen genialen Kollegen im Nationalteam. "Er ist geboren, um Fußball zu spielen. Er denkt nicht darüber nach, wo er ist. Er will nur glücklich sein auf dem Platz und es genießen", sagte der Abwehrstar vom FC Barcelona. Neymar wirbelt bei dieser WM so lässig und leichtfüßig über den Rasen, als wäre die Bühne des Weltfußballs wie für ihn geschaffen.
Neymar spürt "keinen Druck"
Druck? "Da ist kein Druck, wenn du einen Traum wahr machen kannst. Heute spiele ich die Spiele, von denen ich geträumt habe", sagt Brasiliens neuer "Heilsbringer". "Neymar", erklärte auch der ARD-Experte und frühere Bundesliga-Torjäger Giovane Elber, "ist der einzige Brasilianer, der locker ist". Denn locker waren seine Kollegen nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich gegen Kamerun ganz und gar nicht.
"Wir waren ein bisschen nervös. Wir haben es zu eilig, etwas zu zeigen", sagte auch Trainer Luiz Felipe Scolari später. Am Ende feierte seine Mannschaft den Gruppensieg wie einen Befreiungsschlag. "Spieler wie Neymar machen den ganz großen Unterschied aus", so Scolari weiter. Ob Brasilien völlig von Neymar abhängig ist? "So wie Argentinien von Messi abhängt, aber das ist okay", fügte Scolari an. "High level player" würden eben den Unterschied ausmachen, erklärte er und lobte sein Toptalent: "Er antizipiert immer besser."
Neymar ist "bereit für Chile"
Dem nächsten Gegner Chile zollte der Coach der Selecao bereits im Vorfeld großen Respekt: "Wir dürfen uns nicht viele Fehler erlauben. Chile ist ein großartiges Team. Sie haben viel Qualität und sind sehr gut organisiert", sagte er.
Mit der bisherigen Gesamtleistung seines Teams ist Scolari bislang nicht zufrieden, bleibt aber optimistisch. "Es gibt ein Sprichwort: Die Natur macht keine Sprünge. Wir entwickeln uns langsam, von Tag zu Tag, von Spiel zu Spiel. Und das müssen wir auch gegen Chile tun." Neymar plant unterdessen seine nächste Gala: "Chile ist ein starker Gegner. Aber wir sind auf dem richtigen Weg und unserem Traum wieder ein Stück näher gekommen. Ich bin bereit."
Scolari: Neymar so wichtig wie Messi für Argentinien
Derweil wissen die Chilenen längst, was auf da auf sie zustürmt - dennoch geben sie sich vor dem Duell kämpferisch. Superstar Arturo Vidal wählte bereits im Vorfeld martialische Worte und sprach von Chiles "Selbstmord-Kommando" gegen Brasilien. Jeder einzelne im Team würde sein Leben für diese WM geben, sagte er.
Vor dem Rest des Brasilien-Angriffs braucht der südamerikanische Rivale ohnehin nicht zu zittern: Kraftpaket Hulk blieb bislang ebenso blass wie Chelsea-Mann Oscar. Der zuletzt hart kritisierte Fred brach zumindest gegen Kamerun den Bann und feierte seinen ersten WM-Treffer. Nur einer stach bisher noch positiv heraus, Luiz Gustavo.
Luiz Gustavo, der "Unsichtbare"
Im Gegensatz zu seiner Popularität im Land des WM-Gastgebers hat Gustavo bei Scolari einen sehr hohen Stellenwert. "Luiz ist einer der wichtigsten Spieler der brasilianischen Mannschaft - und niemand sieht das", klagt Scolari. Aus seinem Team sei der 26-Jährige jedenfalls nicht mehr wegzudenken.
Dieser Tage widmete das Fußball-Fachblatt "Lance" Gustavo, dem "Unsichtbaren", eine große Story. "Er rennt mehr als die Außenverteidiger Alves und Marcelo, hat mehr Zweikämpfe als die Innenverteidiger Thiago Silva und David Luiz und wird öfter gefoult als Neymar", schrieb die Zeitung.