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WM 2014: Gastgeber Brasilien hat ein akutes Rassismus-Problem


Botschaft auf Schiri-Trikots
Brasilianischer Verband setzt Zeichen gegen aufkeimenden Rassismus

t-online, sid, RDSC

Aktualisiert am 28.03.2014Lesedauer: 3 Min.
So sehen die brasilianischen Schiedsrichter-Trikots mit dem Aufnäher "Somos iguais" (zu Deutsch: "Wir sind alle gleich") beim aktuellen Pokalwettbewerb aus.Vergrößern des Bildes
So sehen die brasilianischen Schiedsrichter-Trikots mit dem Aufnäher "Somos iguais" (zu Deutsch: "Wir sind alle gleich") beim aktuellen Pokalwettbewerb aus. (Quelle: twitter.com/@CBF Futebol)

Knapp zweieinhalb Monate vor Beginn der WM 2014 hat das Gastgeberland Brasilien ein akutes Rassismus-Problem. Nach drei schweren Fällen von Schmähungen und Diskriminierungen in örtlichen Fußballstadien rief mittlerweile sogar Staatspräsidentin Dilma Rousseff die gesamte Bevölkerung zur Besinnung auf. Der brasilianische Fußball-Verband CBF reagierte ebenfalls und stattete die Schiedsrichter beim seit Mitte März laufenden Pokalwettbewerb "Copa do Brasil" erstmalig mit Anti-Rassismus-Aufnähern auf den Trikots aus.

Auf den Aufnähern der Referees ist der Spruch "Somos iguais" (zu Deutsch: "Wir sind alle gleich") auf schwarzem und weißem Hintergrund zu sehen. Die Botschaft ist Teil einer staatlichen Anti-Rassismus-Kampagne, die sich seit Anfang des Jahres durch ein Land zieht, das von außen eigentlich seit Jahren als uneingeschränktes "Rassen-Paradies" wahrgenommen wird.

Rassistische Beleidigungen gelten als Straftat

Rund 87 Prozent der Brasilianer haben laut Angaben des südamerikanischen Anthropologen Gilberto Freyre mindestens zehn Prozent afrikanische Gene in sich und gelten als Dunkelhäutige oder Mulatten. Vor allem beim alljährlichen Karneval in Brasiliens Metropole Rio de Janeiro bezeichnen sich die Bewohner als das "bunteste Volk der Welt" und blicken mit Verachtung auf rassistische Übergriffe in Europa und Amerika.

In dem Land, das dunkelhäutige Fußball-Größen wie Pelé, Garrincha, Ronaldo, Romario, Ronaldinho oder aktuelle Stars wie Neymar hervorbrachte, gelten rassistische Beleidigungen laut einem Gesetz aus dem Jahr 1989 im Übrigen als Straftat. Sie werden allerdings nur selten geahndet.

Affenlaute gegen Ex-BVB-Profi Tinga

Die rassistischen Vorfälle hatten bereits Anfang März stattgefunden. Bei der Erstliga-Partie Mogi Morim gegen FC Santos war Gästespiele Arouca als "Schwarzer Affe" von heimischen Fans beschimpft worden. Nach einem Regionalliga-Spiel im Süden des Landes fand der ebenfalls dunkelhäutige Schiedsrichter Marcio Chagas sein Auto beschädigt und mit Bananen vollgestopft vor. "Wir sollten euch alle töten, ihr dreckigen Nigger", brüllten Fans in seine Richtung.

Auch Dortmunds Ex-Profi Tinga ist bereits Opfer rassistischer Schmähungen geworden. Im Februar hatten Anhänger des brasilianischen Klubs Cruzeiro während der Partie bei der Copa Libertadores gegen den peruanischen Verein Real Garcilaso dem dunkelhäutigen Spieler Affenlaute zugerufen.

"Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht. Mein Sohn, der an diesem Tag auch im Stadion war, hat bitter geweint", sagte Tinga der brasilianischen Tageszeitung "O Globo". In Deutschland sei ihm das hingegen nie passiert. "Da habe ich mich gut gefühlt." Auf die Frage, ob der Rassismus in Brasilien ausgeprägter ist, antwortete er: "Mit Sicherheit. In Brasilien sprechen die Leute von Gleichheit und verstecken dahinter ihre Vorurteile."

Brasilien gilt als größte schwarze Nation außerhalb Afrikas

Mit Hinblick auf das im Sommer startende Mega-Event (12. Juni bis 13. Juli) forderte Brasiliens Oberhaupt in einer Ansprache an die Nation eine "WM ohne Rassismus". Sie bat zudem führende Persönlichkeiten aller Religionen, zur Endrunde eine Botschaft gegen Rassenhass zu übermitteln. Rousseff schrieb in ihrem Twitter-Account, dass es unakzeptabel sei, dass "Brasilien als größte schwarze Nation außerhalb Afrikas mit Szenen von Rassismus leben" müsste und beklagte weiter: "Brasiliens Fußball wurde befleckt."

"Da helfen nur Strafen und Gefängnis"

Demnach keimt nun zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt ein in diesem Maße nie dagewesener Rassen-Hass auf. "Die WM steht vor unserer Tür und wir zeigen uns von unserer schlechten Seite", sagte Gilson Kleina, Trainer des Erstligisten Palmeiras, der brasilianischen Zeitung "Folha". "Da helfen nur Strafen und Gefängnis", ergänzte Muricy Ramalho, Trainer des Traditionsvereins FC Sao Paulo.

Während dem Turnier, das vom 12.Juni bis 13. Juli stattfinden wird, werden die Blicke der ganze Welt auf den fünftgrößten Staat der Erde gerichtet sein. Neben Rassismus muss sich der Gastgeber zudem seit Monaten mit unfertigen Stadien, Problemen in WM-Quartieren und Protesten gegen die WM befassen.

Weltmeister Thuram: "Ausgerechnet in Brasilien"

"Es ist mehr als traurig, dass solche Dinge ausgerechnet in einem Multi-Kulti-Land wie Brasilien passieren", sagte derweil der französische Weltmeister von 1998, Lilian Thuram, dem Nachrichtenportal "O Dia".

"Brasilien leidet seit über 100 Jahren an Rassismus. Auch die Sklaverei ist hier noch lange nicht aus den Köpfen verschwunden", fuhr der dunkelhäutige Ex-Profi fort, der sich seit seinem Karriereende überall auf der Welt für die Rechte der schwarzen Bevölkerung einsetzt. 2001 nahm er den Charity Award für das europaweite Netzwerk FARE (Football Against Racism in Europe) entgegen.

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