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WM 2022 in Katar: Ein Jahr nach dem Turnier – schaut die Fifa weg?


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Ein Jahr danach
Die traurige Gewissheit?


23.12.2023Lesedauer: 4 Min.
Gianni Infantino: Der Fifa-Präsident wird von Amnesty International kritisiert.Vergrößern des Bildes
Gianni Infantino: Der Fifa-Präsident wird von Amnesty International kritisiert. (Quelle: IMAGO/Yukihito Taguchi)
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Die WM in Katar war vor allem in Europa sehr umstritten. Mit dem Turnier waren Diskussionen über Gastarbeiter und deren Rechte verbunden. Wie sieht es ein Jahr später aus?

Schon weit vor dem Anpfiff wurde es im Stadion 974 richtig laut, als die Nationalmannschaft Mexikos den Platz betrat. Zehntausende Anhänger der "Ticos" waren mit nach Katar gereist und machten aus der ersten Partie ihrer Mannschaft bei der WM ein Heimspiel. Sie feierten die Mannschaft beim Aufwärmen, bei der Präsentation der Aufstellung, bei der Nationalhymne, bei jeder Parade, bei jeder Torchance. Sie stampften mit den Füßen, klatschen mit den Händen und schrien, so laut sie konnten, um Mexiko gegen die polnische Auswahl eine unvergessliche Nacht zu bescheren.

Doch am Ende stand auf der Anzeigetafel ein 0:0. Der "unvergessliche" Abend wurde doch einer zum Vergessen. Genauso wie das ganze Turnier für die Mexikaner, die bereits nach der Gruppenphase die Heimreise antreten mussten.

Das Stadion 974 durfte zumindest noch ein Achtelfinale austragen. Brasilien bezwang Südkorea mit 4:1. Danach war Schluss. Es sollte das letzte Spiel in einem besonderen Stadion sein. Besonders, weil es aus 974 Schiffscontainern gebaut wurde. Die Fifa warb vor der WM mit "dem ersten Fifa-konformen Stadion, das nach dem Turnier vollständig abgebaut werden kann, wobei alle Module anderweitig wiederverwendet werden können".

Das katarische WM-Organisationskomitee sprach davon, das Stadion kurz nach dem Ende der WM abzubauen und einem anderen Land zu überlassen, das sich kein so großes Stadion leisten könne. Das war im November und Dezember 2022. Im Dezember 2023 steht das Stadion immer noch.

Die WM ist noch lange nicht das Ende

Schon direkt nach dem Ende der WM sollte mit den Umbauarbeiten angefangen werden. Der Bereich um das Containerstadion wurde noch während des Turniers großflächig abgesperrt. Doch der Abbau folgte vorerst nicht. Warum Katar wartete, ist nicht bekannt.

Bernd Neuendorf, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), zeigte sich überrascht und sagte im März dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Wir hatten davon keine Kenntnis. Wir werden der Sache nun aber nachgehen und uns bei der Fifa erkundigen."

Auch alle anderen WM-Stadien wurden nicht weiter angefasst. Dabei gab es auch für sie konkrete Pläne für die Zeit nach der Weltmeisterschaft. Bei einigen sollte die Kapazität reduziert werden, um den Zuschauerzahlen der Fußballvereine, die diese Stadien übernehmen sollten, gerecht zu werden. Andere sollten in Krankenhäuser, Shoppingcenter oder Hotels umgewandelt werden.

Oft mit einem wohltätigen Gedanken, laut Katar. Die überflüssigen Sitzplätze des Ahmad-bin-Ali-Stadions sollten beispielsweise an ein Land gespendet werden, denen es an sportlicher Infrastruktur mangelt. Passiert ist das bisher nicht. Das berichten sowohl Gastarbeiter t-online als auch Medien wie der "Spiegel" oder der "Deutschlandfunk".

Was kommt nach der Asienmeisterschaft?

Das katarische Zögern in den Monaten nach der WM zahlte sich aus. Denn China trat von der Austragung des Asien-Cups, dem asiatischen Pendant zur Europameisterschaft, im Mai 2023 zurück. Eigentlich sollte das Turnier von Mitte Juni bis Mitte Juli stattfinden. Doch aufgrund der Nachwirkungen der Corona-Pandemie zog China zurück. Der asiatische Fußballverband AFC suchte nach einem kurzfristigen Ersatz – und wurde in Katar fündig.

Ein halbes Jahr später trägt der Golfstaat nun den Asien-Cup aus. Vom 12. Januar bis zum 10. Februar 2024 findet das Turnier in insgesamt neun Stadien statt. Sieben dieser Stadien waren schon bei der WM dabei. Nur das Stadion 974 fehlt als Spielstätte. Dennoch ist es Teil des Turniers. Als Trainingsplatz für einzelne Teams, wie der Deutschlandfunk berichtet.

Nach der Asienmeisterschaft ist die Lage dann wieder wie nach der WM. Die Stadien werden eigentlich, in der Menge und Größe zumindest, nicht mehr gebraucht. Die Abbauarbeiten könnten also Ende Februar beginnen. Doch ob sie das werden?

Ein großes Fragezeichen

Nicht nur die Umsetzung der Stadionpläne stagniert. Auch in Sachen Fortschritte außerhalb des Fußballs lautet die Diagnose Stillstand. So formulierte es im November zumindest Amnesty International. Denn bei den Rechten für Frauen und Gastarbeiter offenbarte Katar vor der WM einige Lücken. Ausgebliebene Gehälter, mangelhafte Arbeitsbedingungen, katastrophale Hygiene-Situationen in den Wohnunterkünften, die Gastarbeiter erlebten oft eine völlig andere Realität als die, die ihnen versprochen wurde.

Die Hoffnung war, dass den Erkenntnissen dieser Mängel Konsequenzen folgen würden. Doch während im Bereich Hitzeschutz und Ausreise leichte Besserungen zu sehen seien, habe die Menschenrechtsorganisation Missstände unter anderem in den Bereichen Lohndiebstahl und Arbeitsplatzwechsel festgestellt. Es drängt sich die traurige Gewissheit auf, dass ohne das Brennglas WM nur wenig Interesse an Besserungen vorhanden ist.

"Katar versäumt es, seine vor der Fußballweltmeisterschaft eingeführten Arbeitsreformen voranzutreiben oder auch nur ordnungsgemäß durchzusetzen. Das ist nicht das positive Erbe, das die katarische Regierung den Arbeitsmigranten und Arbeitsmigrantinnen mit der WM versprochen hatte", kritisierte Katja Müller-Fahlbusch, Expertin für die Golfregion von Amnesty International, in dem besagten Statement.

Die Reformen in den Jahren vor der WM in Katar wurden von Beobachtern meist mit einem sorgenvollen Blick begleitet. Denn wie ernst es der Gastgeber mit dem Mindestlohn für Gastarbeiter und dem Ende des Kafala-Systems meinte, würde sich erst dann zeigen, wenn Katar nicht mehr im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit stehe.

Ein Gastarbeiter in Doha.
Ein Gastarbeiter in Doha. (Quelle: imago-images-bilder)

Das Kafala-System

Dabei handelt es sich um Bürgschaften, die Arbeitgeber für ausländische Arbeiter geben müssen, die damit quasi zu deren Leibeigenen werden. Menschenrechtsorganisationen bezeichnen es als "moderne Sklaverei".

WM-Chef Hassan al-Thawadi hatte schon vor der WM betont, dass die Reformen auch ohne den Fußball gekommen wären und nichts mit dem öffentlichen Druck zu tun hätten. Kritiker bezweifelten das. Ein Jahr nach der WM scheinen die Zweifel begründet zu sein.

Auch das Interesse der Fifa daran scheint zu schwinden. Öffentliche Appelle sind praktisch ausgeblieben. Druck auf Katar gibt es kaum. Katja Müller-Fahlbusch kritisiert: "Die Fifa muss aus ihren Fehlern lernen und ihre Verantwortung für die Menschenrechte ernst nehmen. Dazu gehört zwingend, Menschenrechte bei der Vergabe von zukünftigen Turnieren in den Mittelpunkt der Entscheidung zu stellen."

Der Fokus der Fifa scheint aber längst auf andere Länder gerichtet. Die Gastgeber der WM 2026 zum Beispiel. Oder Saudi-Arabien, das aller Voraussicht nach die WM 2034 austragen soll und eine noch kritischere Menschenrechtslage als Katar hat. Auch dann werden die gleichen Themen wie bei der WM 2022 auftauchen und die Debatte beherrschen. Ob sie 2035, ein Jahr danach, dann noch im Fokus der Öffentlichkeit stehen, dahinter steht ein großes Fragezeichen.

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