Fußball-WM im TV Schweinsteigers Wandel: Jetzt Analytiker mit Biss
Bastian Schweinsteiger ist eine ganz erstaunliche Wandlung gelungen. Im Gegensatz zu den deutschen Fußball-Nationalspielern zeigt sich der ehemalige Kapitän in Katar in WM-Form, und nun erlebt er am Sonntag sein erstes Endspiel mit Mikrofon in der Hand.
Damit war nach dem in vielerlei Hinsicht missglückten EM-Auftritt nicht unbedingt zu rechnen. Die Karriere als TV-Experte der ARD war vor anderthalb Jahren fast schon beendet. Beim Ersten hatten einige schon den Daumen gesenkt. Das lag nicht an den allzu brav wirkenden Einschätzungen des Ex-Profis an der Seite von Jessy Wellmer, sondern am Absetzen einer Werbebotschaft.
Der prominente Mitarbeiter hatte beim EM-Spiel Ukraine gegen England "in der Halbzeitpause ohne unsere Kenntnis bei Social Media einen Post im Rahmen einer bezahlten Werbepartnerschaft" veröffentlicht", hieß es damals. Der Sender habe "sehr deutlich gemacht, dass die ARD gemäß ihrer Richtlinien keine Form von Schleichwerbung und nicht kenntlich gemachter Produktplatzierung ihrer Protagonisten" dulde.
Schweinsteiger will sich "von Sendung zu Sendung verbessern"
Nach dieser Verwarnung und einer Entschuldigung durfte Schweinsteiger weitermachen und zur WM fahren. Und in Katar präsentiert sich der frühere Fußballer von einer anderen Seite. So wie er sich auf dem Rasen vom einstigen Spaß-Duo "Poldi" und "Schweini" emanzipiert hatte und zum blutenden WM-Kapitän wurde, so wandelte er sich vor den Kameras vom Allgemeinplätze abgebenden Nebendarsteller zum Analytiker mit Biss.
"Es ist wie im Fußball, man kann sich immer verbessern", sagte Schweinsteiger der Deutschen Presse-Agentur vor der WM. "Ich versuche, mich von Sendung zu Sendung zu verbessern." Besonders deutlich wurde der Wandel nach den Spielen der deutschen Mannschaft. So fällte Schweinsteiger ein vernichtendes Urteil über die beiden glücklosen Dortmunder Verteidiger Niklas Süle und Nico Schlotterbeck. Schweinsteiger wirkte geradezu entsetzt über die Patzer und wies auch explizit auf taktisches Fehlverhalten von David Raum und Leon Goretzka hin.
So deutlich wie bei Süle war Schweinsteiger seit dem Beginn seines neuen Jobs vor zwei Jahren noch nie bei einem deutschen Spieler: "Das ist ein klassischer, richtig schwerer Abwehrfehler." Und auch nach dem Aus gegen Costa Rica redete er Klartext: "Ich bin echt enttäuscht und schockiert, wie das verlief."
Starkes TV-Duo Sedlazcek/Schweinsteiger
Schweinsteiger hat Schulungen bekommen und profitiert offensichtlich auch von seiner neuen ARD-Partnerin. Klar und geradeaus geht Esther Sedlazcek in die Interviews, ließ sich weder von Bundestrainer Hansi Flick noch vom inzwischen zurückgetretenen DFB-Direktor Oliver Bierhoff einlullen. So wie Schweinsteiger in seinen größten Spielen ließ die Journalistin nicht locker und setzte beherzt nach.
Lob gab es dafür von zahlreichen Fernsehkritikern, aber auch vom Chef. "Die beiden haben einen sehr guten Weg gefunden, journalistisch und gleichzeitig unterhaltsam zu sein", kommentierte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. "Gerade bei den deutschen Spielen hat Bastian sehr deutlich seine profunde Einschätzung zur Leistung und den Gründen des deutschen Misserfolges abgegeben." Und zu Sedlazcek sagte der Sportchef des Ersten: "Esther hat die Verantwortlichen fair, aber deutlich mit den Fragen konfrontiert, die wir uns alle in diesem Moment gestellt haben. Sehr journalistisch im besten Sinne."
Schweinsteigers Vertrag als ARD-Experte endet dieses Jahr. "Wie lange ich das machen möchte, weiß ich nicht", sagte der Ex-Profi. "Aber das, was ich tue, nah am Fußball zu sein, das gefällt mir."
- Nachrichtenagentur dpa