Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Fußball-WM 2022 Frankreich im Traumfinale – Marokko-Märchen vorbei
Der Titelverteidiger setzt sich in einem spannenden Halbfinale gegen das Überraschungsteam durch und steht im Endspiel. Ein Bundesligastar entscheidet das Spiel.
Der große Traum von der Titelverteidigung lebt für Frankreich weiter: Der amtierende Weltmeister gewann im Halbfinale am Mittwochabend mit 2:0 (1:0) gegen Überraschungsteam Marokko und steht damit im Traum-Endspiel dieser WM 2022 gegen Argentinien (Sonntag ab 16 Uhr im Liveticker bei t-online). Theo Hernandez (5. Minute) und Eintracht Frankfurts Randal Kolo Muani (79.) trafen für die Mannschaft von Trainer Didier Deschamps gegen aufopferungsvoll kämpfende, offensiv aber weitestgehend harmlose Marokkaner, deren beeindruckender Lauf bei diesem Turnier damit ein Ende fand.
Die Nordafrikaner treffen nun am Samstag im Spiel um Platz 3 auf Kroatien.
So lief das Spiel:
Er solle doch jetzt den Titel holen, gab Lucas Hernandez seinem jüngeren Bruder Theo mit auf den Weg. Schon beim WM-Auftakt Frankreichs hatte sich der Verteidiger des FC Bayern schwer verletzt, musste nach nur zwölf Minuten ausgewechselt werden. Für ihn kam Theo, dem fortan die Position auf der linken Außenbahn zukam, für seinen Bruder war das Turnier wegen eines Kreuzbandrisses gelaufen – nicht aber, ohne noch das ganz große Ziel mit auf den Weg zu geben.
Gut möglich, dass Theo genau daran dachte, als er in der 5. Minute im Halbfinale gegen das Überraschungsteam Marokko mit nach vorne kam. Raphael Varane schickte Antoine Griezmann von der Mittellinie steil, der spielte von der Grundlinie zurück auf Kylian Mbappé. Der trat erst über den Ball, schoss sich dann selbst an, wurde im dritten Versuch dann geblockt – doch der Abpraller landete beim vorgerückten Hernandez, der völlig frei vor Marokko-Torwart Bono einschoss. Für die im bisherigen Turnierverlauf so aufopferungsvoll kämpfenden und einen Mitfavoriten nach dem anderen bezwingenden Marokkaner eine neue Situation – es war der erste Rückstand der Nordafrikaner in diesem Turnier.
Giroud unglücklich
Wie reagierte die Mannschaft von Trainer Walid Regragui? So wie sie auch in den bisherigen Partien spielte: mit Mut, mit Engagement, mit Druck. Sofiane Boufal spielte am Strafraum auf Hakim Ziyech, der wurde aber von Ibrahima Konaté beim Abschluss gestört (16.). Doch auf der Gegenseite hatten die Franzosen, diese Mannschaft, die bei aller spielerischen Qualität doch stets nur das Nötigste tut, gleich mehrfach die große Chance, zu erhöhen: Erst hämmerte Olivier Giroud seinen Schuss aus zwölf Metern an den Pfosten, Bono wäre geschlagen gewesen (17.), dann führte auch eine Doppelchance nicht zur eigentlich fälligen Erhöhung des Spielstands: Aurélien Tchouaméni setzte auf Links den sprintenden Mbappé ein, der konnte Bono überwinden, aber Jawad El Jamiq klärte vor der Linie für seinen Schlussmann – genau zu Tchouaméni, der auf Giroud am Elfmeterpunkt weiterleitete. Dessen Schuss aus der Drehung ging aber knapp vorbei (35.).
Dann setzte Griezmann einen Eckball direkt auf Varane, der allerdings ebenfalls das Tor nur knapp verfehlte (39.). Bei aller möglichen Sympathie für den Underdog Marokko – die Franzosen vermittelten doch stets das Gefühl, jeden Angriffsversuch ihres Gegners direkt mit einer noch gefährlicheren Aktion kontern zu können. Denn mehr als Angriffsversuche waren es nicht, was die "Atlas-Löwen" zustande brachten gegen diszipliniert stehende und abgezockte "Bleus".
Auch nach der Pause änderte sich dieses Bild nicht – so langsam aber ging der Weltmeister fahrlässig mit seinen Möglichkeiten um. Immer wieder spielte Mbappé seine Schnelligkeit aus, immer wieder aber fehlte die letzte Entschlossenheit, die letzte Ruhe im Abschluss. Erst lief Frankreichs großer Star links bis an die Grundlinie, vorbei an Achraf Hakimi und Sofyan Amrabat, spielte aber zu ungenau zurück in die Mitte (48.). Dann kam er erneut gegen Hakimi nicht zum Abschluss, Bono begrub den Ball unter sich (49.).
Die Partie nahm an Fahrt auf – und genau in diesen Szenen zeigte sich der Unterschied zwischen beiden Mannschaften. Marokkos Boufal stand plötzlich an der Grundlinie, der legte zurück auf Youssef En-Nesyri, Varane blockte in höchster Not – im zweiten Versuch kam auch Attiyat Allah nicht durch (53.). Im Ansatz stark, im Abschluss schwach. Allerdings verstand es Marokko, körperlich dagegenzuhalten, es dem Favoriten wirklich schwer zu machen. Die Nadelstiche aber verpufften: Abderrazak Hamdallah verlor sich in einem Dribbling, doch der Aufbau der Franzosen wurde direkt wieder gestört, der Abschluss des Angreifers wurschtelte sich irgendwie durch, vertändelte aber den Abschluss.
Anders auf der entgegengesetzten Seite: Der eingewechselte Marcus Thuram und Mbappé kombinierten sich in den Strafraum, der Abschluss des PSG-Stars wurde geblockt – doch am langen Pfosten stand der erst wenige Sekunden zuvor ins Spiel gekommene Randal Kolo Muani genau richtig und schob ein. Doch Marokko gab sich trotzdem nicht auf – und verlor sich in der Nachspielzeit vollends im Unglück: Allah tankte sich auf Links durch, Frankreichs Torwart Hugo Lloris blockte dessen Versuch, der Ball sprang zu Thuram, der sich von Azzedine Ounahi übertölpeln ließ – dessen Abschluss komplett misslang, aber Hamdallah vor die Füße sprang. Und der? Vermochte es nicht, aus zwei Metern zu treffen (90.+4).
Aus. Frankreich im Finale, Marokkos Märchen war vorbei. Und Theo Hernandez kann den Auftrag seines Bruders Lucas noch erfüllen.
- Eigene Beobachtungen